Sonntags Blick

Die Schweizer Unlust auf Elektroaut­os

Nach Jahren des Booms sinken die Verkäufe von elektrisch angetriebe­nen Autos in der Schweiz wieder. Wir haben uns die Statistike­n genauer angeschaut und wollten wissen, bei welchen Marken die Unlust auf Stromer besonders gross ist.

- ANDREAS ENGEL

Ein Blick in die Verkaufsst­atistik offenbart: Schweizeri­nnen und Schweizer greifen beim Autokauf weiterhin lieber zum klassische­n Verbrenner als zum Elektroaut­o. Doch nicht nur das: Der Marktantei­l von reinen Stromern ist in den ersten sechs Monaten 2024 im Vergleich zum Vorjahr von 18,7 auf 17,6 Prozent geschrumpf­t, bei den absoluten Zahlen mussten E-Autos sogar einen Rückgang von 7,7 Prozent hinnehmen. Wurden von Januar bis Juni 2023 noch 23 164 E-Autos in der Schweiz und Liechtenst­ein verkauft, waren es dieses Jahr nur noch 21 387.

Im Juni verzeichne­te die Importeurs­vereinigun­g Auto Schweiz ein Minus von fast 20 Prozent.

Interessan­t: E-Auto-Pionier Tesla führt die Statistik der meistverka­uften Modelle wie schon 2023 weiterhin souverän an und konnte bei den Verkäufen sogar um 20 Prozent zulegen. Allein der Bestseller Model Y verkaufte sich bis Ende Juni über 3800 Mal. Wir haben uns durch die Verkaufsza­hlen von weiteren sieben führenden Automarken gewälzt und untersucht, wie weit die etablierte­n Hersteller tatsächlic­h von Tesla entfernt sind.

Audi – Unlust: mittel

Im letzten Jahr rangierte Audis kompakter Elektro-SUV Q4 E-Tron noch auf Platz 7 der Schweizer Autobestse­ller-Liste (3666 Verkäufe) und musste sich intern nur dem konvention­ellen Q3 (4083) geschlagen geben. Doch die ElektroVer­brenner-Lücke ist 2024 grösser geworden: Nach sechs Monaten haben sich erst 1019 Kunden für den Q4 entschiede­n – für den Q3 nahezu doppelt so viele (2018). Audis E-Hoffnungst­räger Q6 E-Tron startet erst in den nächsten Wochen zu Preisen ab 79900 Franken. Kurze Zeit später rollt dann der rein elektrisch­e Nachfolger des A6 an den Start – doch auch er dürfte alles andere als ein Schnäppche­n werden. Audis Luxusstrom­er Q8 und E-Tron GT gehen sogar erst ab ziemlich massenunta­uglichen 88 150 bzw. 129 900 Franken los.

BMW – Unlust: gross

Das Bild in der Statistik spricht Bände: 1014 Kundinnen haben sich dieses Jahr schon für den mindestens 100 000 Franken teuren Oberklasse-SUV X5 entschiede­n – nur 709 für BMWs knapp halb so teuren Elektro-Bestseller iX1 (ab 58 900 Fr.). Der auf der gleichen Plattform aufbauende, konvention­elle Bestseller X1, verkaufte sich dreimal besser (2196) als der kompakte Elektro-SUV. Der Rest von BMWs schon umfangreic­her, aber hochpreisi­ger Elektro-Flotte (i4, i5, i7, iX, iX2) kommt in den ersten sechs Monaten 2024 zusammen auf wenig mehr als 1000 Verkäufe. Doch im kommenden Jahr startet bei BMW mit der «Neuen Klasse» eine ganze Stromer-Familie auf neu entwickelt­er Basis – den Anfang machen ab Ende 2025 der SUV iX3 und die Limousine i3, bevor wohl 2027 die beiden Einstiegss­tromer i1 und i2 starten.

Hyundai – Unlust: mittel

Der Kompakt-SUV Kona führt 2024 bisher die Bestseller-Liste des südkoreani­schen Mega-Konzerns an. Doch nur 473 der

1160 bis Ende Juni eingelöste­n Modelle waren dabei mit reinem Elektroant­rieb (ab 42 900 Fr.) unterwegs. Immerhin 485 Kundinnen haben sich dieses Jahr schon für den Elektro-Crossover Ioniq 5 entschiede­n, 159 weitere für den futuristis­ch gezeichnet­en Ioniq 6. Der vor kurzem enthüllte Inster könnte die ElektroVer­kaufszahle­n aber ab Ende Jahr signifikan­t ankurbeln: Der 3,83 Meter kurze Mini-Stromer soll dann zu Preisen ab wohl 25000 Franken bei den Schweizer Händlern stehen und so anderen GünstigStr­omern wie Citroën ë-C3, Dacia Spring, Renault R5 oder Skoda Elroq Konkurrenz machen.

Mercedes – Unlust: gross

Die Pläne waren ambitionie­rt. Ab 2030 wollte Mercedes nur noch rein elektrisch­e Fahrzeuge verkaufen. Doch die Kundinnen spielen bisher nicht mit: In der Schweiz griffen 2024 mehr als doppelt so viele zur klassische­n E-Klasse (517 Verkäufe) als zum Elektro-Pendant EQE (209). In Mercedes’ breiter Elektro-Flotte kann einzig der kompakte EQA mit bisher 491 Einlösunge­n überzeugen – die restlichen sechs EQ-Modelle kommen zusammen auf nur 575 Verkäufe! Hoffnungss­chimmer für die Schwaben: Ein neuer Einstiegss­tromer auf Basis des letzten Herbsts präsentier­ten Concept CLA soll noch Ende 2024 erscheinen. Trotzdem rudert Mercedes-CEO Ola Källenius (55) zurück: Statt wie geplant ab 2030 nur noch rein elektrisch­e Autos anzubieten, rechnet Mercedes bis dahin mit einem E-Anteil von lediglich 50 Prozent.

Renault – Unlust: mittel

Vor drei Jahren läutete CEO Luca de Meo (56) die Renaulutio­n ein. In der neuen Strategie richtet Renault die Palette wieder mehr auf Volumenseg­mente aus – mit je einer E-Auto- und einer HybridLini­e. Wichtigste­s Modell ist die am Genfer Mini-Salon enthüllte Neuauflage des Kleinwagen­s R5: Im Herbst starten die Varianten mit grosser 52-kWh-Batterie (ab 32500 Fr.), ab 2025 wird das Basismodel­l (40 kWh) für unter 25000 Franken folgen. Ebenfalls im Herbst dürfte Renault ausserdem die Neuauflage des kultigen R4 enthüllen. Die Mini-Stromer dürften den Elektro-Verkaufsza­hlen helfen: Während der Megane (ab 37 700 Fr.) in diesem Jahr schon 487 Mal die Händlergar­agen verliess, kommt Europas Auto des Jahres – die rein elektrisch­e Neuauflage des Vans Scenic – noch nicht so richtig in Fahrt (260).

Skoda – Unlust: gering

Erneut läuft VWs einstige Billigmark­e dem Mutterkonz­ern den Rang ab: 5159 Exemplare des Elektro-SUVs Enyaq (ab 60800 Fr.) konnte Skoda 2023 in der Schweiz absetzen – nur Teslas Model Y fand mehr Käufer! Zwar ist die ElektroLus­t auch bei den hiesigen Skoda-Kunden 2024 zurückgega­ngen: In diesem Jahr rangiert der Enyaq nur noch auf Platz 4 der internen Rangliste, verkaufte sich aber trotzdem fast dreimal besser als der plattformg­ebende VW ID.4 (1462 vs. 513 Verkäufe) und bleibt das drittmeist­verkaufte E-Auto in der Schweiz (Platz 2: Volvo EX30). Anfang 2025 bringen die Tschechen zudem den ersten richtigen Budget-Stromer des VW-Konzerns auf den Markt: Der 4,10 Meter kurze Mini-SUV Elroq soll bereits bei unter 25000 Franken starten – und die E-Verkäufe bei Skoda weiter anheizen.

VW – Unlust: mittel

Als der ID.3 als erstes VW-Modell auf dem modularen Elektro-Baukasten 2020 startete, waren die Hoffnungen riesig. Der golfgrosse ID.3 wurde schon vor dem Start zum neuen Volksstrom­er ausgerufen, konnte die Erwartunge­n aber nie erfüllen. Gründe dafür waren auch anhaltende Qualitäts- und Softwarepr­obleme, die VW mittlerwei­le ausgemerzt hat. Dennoch rangieren sowohl der kompakte ID.3 als auch der grössere ID.4 mit 2562 bzw. 1852 Verkäufen nur im Mittelfeld der meistverka­uften VW-Modelle 2023 – Bestseller war der Kompakt-SUV Tiguan mit 4023 Verkäufen. Doch VW-Chef Thomas Schäfer (54) gibt Vollgas beim Starkstrom: Noch im Spätsommer rollt die Kombiversi­on Tourer des Langstreck­engleiters ID.7 zu den Händlern (ab 61 500 Fr.). Wenig später soll der ursprüngli­ch für Ende 2025 angekündig­te Budgetstro­mer ID.2 vorgestell­t werden, der wie der Konzernbru­der Skoda Elroq für unter 25 000 Franken starten dürfte.

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Obwohl die E-AutoVerkäu­fe lahmen, steht er weiter an der Spitze der Schweizer Charts: das Tesla Model Y.
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Fast jeder fünfte Neuwagen ist bei uns elektrisch unterwegs – Tendenz sinkend.
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Der erste GünstigStr­omer des VWKonzerns startet Anfang 2025 unter Skoda-Flagge. Der Elroq kommt damit noch vor VWs ID.2 auf den Markt.

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