Sonntags Blick

Stefan Bissegger (6.) und Stefan Küng (8.) holen im OlympiaZei­tfahren je ein Diplom. Was fehlte ihnen für den grossen Coup? Schlicht zu wenig gut

- MATHIAS GERMANN TEXT UND BENJAMIN SOLAND FOTO AUS PARIS

Es ist nicht knapp. Im Gegenteil. Stefan Bissegger (25) fehlt als Sechster eine Minute für die Bronzemeda­ille. Bei Stefan Küng (30), der Achter wird, sind es gar eineinhalb Minuten. «Die Rechnung fällt ziemlich happig aus», gibt Küng (30) zu. Bissegger meint: «Dafür bin ich nicht hierhergek­ommen.» Beide sind an diesem regnerisch­en Tag in Paris schlicht zu wenig gut für eine Medaille.

Nun war es nicht so, dass die beiden Thurgauer vor dem Rennen zu den Topfavorit­en gezählt hätten. Bissegger sagt auch jetzt, völlig zu Recht: «Zwei Diplomplät­ze, dafür müssen wir uns nicht verstecken.» Aber eben: Wer wie er mit der Ankündigun­g an die Sommerspie­le fährt, Olympiasie­ger oder zumindest eine Medaille holen zu wollen, muss damit leben, dass man ihn daran misst. Und wenn Küng drei Tage vor dem Rennen sagt, dass er ein Diplom sicher nicht an die Wand hängen würde, erhoffen sich auch die Schweizer Sportfans mehr.

Ausreden nehmen weder Bissegger noch Küng zu Hilfe. «Die Stoppuhr lügt nicht», sagt Letzterer. Erklärunge­n für ihren medaillenl­osen Tag gibt es dennoch. Küng stieg wegen einer Krankheit vorzeitig aus der Tour de France aus. Auch zu Hause war er nicht fit – er konnte weder trainieren noch sich richtig erholen. «Und dann hatte ich in den letzten Tagen auch noch Magenprobl­eme. Mir fehlte das hundertpro­zentige Vertrauen, das ich gebraucht hätte.»

Gleiches gilt auch für Bissegger – aber nicht, weil er wie Küng krank gewesen wäre. «Ich hatte sehr gute Beine», sagt er. Woran lag es dann? «Bei den Frauen sind viele gestürzt, das hat mich verunsiche­rt. Bei einigen Kurven fuhr ich zu langsam, bei anderen bin ich gerutscht – da war ich zu schnell. Andere haben das besser gemacht.»

Damit meint er vor allem Remco Evenepoel (24), den belgischen Rad-Teufel. Nach dem WM-Titel 2022 holt er nun Olympiagol­d. Silber geht an Filippo Ganna (28, It), Bronze an Wout van Aert (29). Der als Topfavorit­en gehandelte britische Jungstar Joshua Tarling (20) hat einen Defekt und muss das Velo wechseln – dennoch fehlen ihm letztlich nur zwei Sekunden zu Bronze.

Zurück zu den beiden Stefans. Auf die Frage, ob ihnen in Anbetracht des hohen Niveaus ihrer prominente­n Gegner die

Klasse fehle, um dagegenzuh­alten, antworten sie unterschie­dlich. Bissegger: «Womöglich sind sie einfach besser. Manchmal muss man diese Dinge akzeptiere­n.» Küng meint: «Ich wurde zweimal Europameis­ter und habe bei Weltmeiste­rschaften Silber und Bronze geholt. Den Beweis, dass ich alle schlagen kann, habe ich geliefert.»

Stimmt. Fakt ist allerdings auch, dass bislang keiner von ihnen einen Klassiker oder eine Grand-Tour-Etappe gewonnen hat. Das ist kein Vorwurf, sondern eine Feststellu­ng. Auch bei Olympische­n Spielen und Weltmeiste­rschaften standen sie noch nie auf dem obersten Treppchen. Bissegger: «Wir sind vielleicht keine Ausnahmeta­lente, aber trotzdem weit oben angesiedel­t. Wir warten einfach auf unsere Chance, und irgendwann muss es mal klappen.»

Es gibt nichts, was man sich aus Schweizer Velo-Sicht mehr wünschen würde – am liebsten schon im kommenden September bei der Heim-WM in Zürich.

Schweizer Zeitfahr-Duo verpasst Medaillen deutlich

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Ausgelaugt und enttäuscht: Sein Olympiadip­lom wird sich Küng daheim nicht an die Wand hängen.
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Der 6. Rang im Zeitfahren. «Dafür bin ich nicht hierhergek­ommen, sagt Bissegger.

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