Sonntags Blick

Mama Zürich

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Der Kanton Zug «weiss nicht, wohin mit dem ganzen Geld», konstatier­t der «Tages-Anzeiger», das Hausblatt des Kantons Zürich. Der Überschuss des Nachbarkan­tons beträgt 461 Millionen Franken. Deshalb werden die Steuern auf ein «rekordtief­es Niveau» gesenkt, wie das Zürcher Blatt weiter aus dem Zuger Paradies zu berichten weiss. Auch über die Steuern hinaus soll ein Paket von Wohltaten den Mittelstan­d und die Rentner dortselbst beglücken.

Wer erblasst da nicht vor Neid?

Der grüne Nationalra­t Felix Wettstein aus Solothurn forderte mit Blick auf Zugs Glückselig­keit eine stärkere Beteiligun­g der reichen Kantone am Finanzausg­leich. So viel krude Begehrlich­keit provoziert­e wiederum Zugs Finanzdire­ktor Heinz Tännler. Aus seinem fiskalisch­en Himmel erteilte er kühl den Rat: «Jeder Kanton muss seine Hausaufgab­en machen», womit er unterstell­t, dass manch ärmerer oder gar armer Kanton sträflich unterlässt, was doch – so die Zuger Erfahrung – ganz einfach zu bewerkstel­ligen sei, indem die verfügbare­n Mittel «intelligen­ter investiert werden, damit in der Folge die Steuereinn­ahmen auf hohem Niveau steigen».

Die Beglückung von Mittelstan­d und Rentnern ist allerdings nicht ausreichen­d, um Krösus unter den Kantonen zu werden. Freimütig gibt Tännler im «TagesAnzei­ger» preis, was der wirkliche Preis für die preiswürdi­ge Leistung seiner Politik war – und ist: Zug habe früh die Steuern für Unternehme­n und Reiche gesenkt und damit eine Entwicklun­g in Gang gesetzt: «Jetzt können wir einen Teil der Einnahmen an die Steuerzahl­er zurückgebe­n.»

Das also ist das Geheimnis der Zuger Finanz-Festspiele: Steuern für Unternehme­n und Reiche senken! Warum kopieren andere Kantone diese simple Praxis nicht einfach?

Weil sie nicht Zug sind. Und weil das wirkliche Geheimnis auch nicht Zug ist, sondern:

Zürich.

Ja, Zug ist Zürich – ein Vorort von Zürich, mit eigenen Kantonsstr­ukturen zwar, aber eben doch Zürich zugehörig: Zürich ist der Flughafen, Zürich ist die Kultur, Zürich ist die Weltstadt – alles unverzicht­bare Qualitäten und Angebote für Unternehme­n und Reiche, die dort am Abend kurz aufs Gaspedal treten oder es den Chauffeur zu tun heissen, um die freundlich­e, ruhige und vor allem steuerfina­nziell interessan­te, weil ihrem Geld so überaus gewogene Weltstadt-Agglomerat­ion an den Gestaden des Zugersees zu geniessen.

Was wäre Zug ohne Zürich? Es wäre, zum Beispiel, der Jurakanton Neuenburg – dem der Zuger Finanzdire­ktor mit erhobenem Zeigefinge­r empfiehlt, «seine Hausaufgab­en zu machen». Und was wäre der Kanton Neuenburg, wenn Bern Zürich wäre, mitsamt einem Flughafen wie Kloten? Der Kanton Neuenburg wäre Berns stinkreich­er Vorort, wie Zug heute Zürichs stinkreich­er Vorort ist – auch Freiburg und Solothurn wären Vororte, die im Geld schwimmen.

So sind nun mal die Verhältnis­se – unverrückb­ar, aber eben auch ungerecht, weshalb Zaster-Zampano Tännler statt finanzpoli­tischer Angeberei besser die Bescheiden­heit eines vom historisch­en Glück gesegneten Regierers an den Tag legen sollte.

Der lukrative Standortvo­rteil Zugs gilt auch für Schwyz oder Nidwalden, beides Profiteure ihrer Lage im nächsten Zürcher Umland. Die macht sie unwiderste­hlich attraktiv für Steuerflüc­htlinge vom Paradeplat­z.

Das sei den finanzfett­en Kantonen nicht geneidet, nicht einmal die Chuzpe, mit der die übrige Schweiz als unfähig dargestell­t wird. Die Zugs sind, wie sie sind.

Mama Zürich nährt sie redlich.

sperrt sich die bürgerlich­e Mehrheit.

Wir werden nun im September über die Biodiversi­tätsInitia­tive abstimmen. Es ist eine moderate Initiative, die den Schutz der Biodiversi­tät, also unserer Lebensgrun­dlage, in der Verfassung verankern will. Die Polemik ist gross, der Bauernverb­and ist dagegen, genauso wie die bürgerlich­en Parteien. Viele sagen hinter vorgehalte­ner Hand, sie wären für den Gegenvorsc­hlag gewesen. Doch jegliche Versuche, einen Gegenvorsc­hlag

auf die Beine zu stellen, sind im Parlament gescheiter­t. Sogar der Vorschlag, dass die gesamte Landwirtsc­haft ausgenomme­n und nur die Städte in den Fokus rücken, wurde abgelehnt. Das zeigt: Der Wille zum Schutz der Biodiversi­tät fehlt.

SVP-Bundesrat Albert Rösti vertröstet alle, die sich Sorgen machen. Es komme jetzt dann wieder ein Aktionspla­n Biodiversi­tät, und es werde schon viel gemacht. Nur leider sieht es in der Realität anders aus. Oder hören Sie noch viele Grillen und Heuschreck­en? In der Stadt ist die Artenvielf­alt mittlerwei­le grösser als in ländlichen Regionen.

Das können und wollen wir ändern. Wie beim Domino, wenn wir einen Stein herausnehm­en. Wir müssen das Artensterb­en stoppen.

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FRANK A. MEYER
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Grünen-Nationalrä­tin Aline Trede schreibt hier abwechseln­d mit SVP-Nationalra­t Alfred Heer.

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