Aktienkauf düpiert Berlin
Die italienische Unicredit greift nach der deutschen Commerzbank
Bei der Commerzbank ist die Ruhe der vergangenen Monate plötzlich in einen Sturm übergegangen. Am Mittwoch teilte die Unicredit Group völlig überraschend mit, einen Anteil von 9 Prozent an Deutschlands zweitgrösster Geschäftsbank aufgebaut zu haben. Den Italienern wird schon seit Jahren ein Interesse an der Commerzbank nachgesagt, nun hat die Unicredit damit begonnen, nach der Bank zu greifen.
Begünstigt wurde die Entwicklung dadurch, dass der Bund seinen Anteil an der Commerzbank reduzieren will und damit am Dienstag begonnen hat. Der deutsche Staat war der Commerzbank in der Finanzkrise zu Hilfe geeilt und hatte sie teilverstaatlicht. Der Anteil von bisher 16,49 Prozent wird vom Finanzmarktstabilisierungsfonds (FMS) im Auftrag des Bundes verwaltet. Wie zuvor angekündigt, verkaufte der FMS am Dienstagabend einen Anteil von 4,49 Prozent über ein sogenanntes beschleunigtes Bookbuilding-Verfahren.
702 Millionen für den Bund
Dabei erhielt die Unicredit den Zuschlag für das gesamte Paket, da sie nach Angaben des FMS andere Bewerber deutlich überboten hat. Der Zuteilungspreis habe 13.20 Euro pro Aktie betragen. Damit lag der Kaufpreis allerdings nur knapp 5 Prozent über dem Tagesschlusskurs von 12.60 Euro, was aus Sicht von Unicredit nur ein sehr kleiner Aufschlag gewesen sein dürfte. Der Bund erzielte insgesamt einen Veräusserungserlös von 702 Millionen Euro. Die Italiener erwarben zugleich weitere 4,5 Prozent der Commerzbank-Aktien über den normalen Börsenhandel und sind nun der zweitgrösste Aktionär.
Sowohl der Bund als auch die Commerzbank scheinen von der Aktion düpiert worden zu sein. Eine Sprecherin des Finanzministeriums sagte am Mittwoch, es habe kein konkretes Angebot der Unicredit gegeben, das Verkaufsverfahren sei für alle Investoren offen gewesen. Der Bund werde jetzt erst einmal die neue Situation analysieren.
Die Commerzbank gab in einer Stellungnahme an, die Mitteilung der Unicredit zur Beteiligung an der Commerzbank zur Kenntnis genommen zu haben. Sie sei auch ein Beleg für den Stellenwert der Commerzbank und die Fortschritte, die sie erzielt habe. Dem Vernehmen nach ist der Aufsichtsrat der Bank am späten Mittwochnachmittag zu einer ausserordentlichen Sitzung zusammengekommen.
Die Unicredit ist gemessen an der Bilanzsumme nach Intesa Sanpaolo Italiens zweitgrösste Bank und über ihre Tochtergesellschaft HypoVereinsbank bereits ein bedeutender Spieler auf dem deutschen Markt. Die Mailänder Bank um ihren in der Schweiz gut bekannten Konzernchef Andrea Orcel hatte am Mittwoch mitgeteilt, nach dem Aktienerwerb mit der Commerzbank in Verbindung treten zu wollen, um wertschaffende Gelegenheiten für sämtliche Stakeholder der beiden Banken auszuloten. Der gebürtige Römer Orcel arbeitete in den 2010er Jahren für die UBS, unter anderem als Chef der Investmentbank.
Der Entscheid über einen zusätzlichen Beteiligungsaufbau werde davon abhängen, ob die Investitionen den finanziellen Zielen der Unicredit gerecht würden, hiess es weiter aus Mailand. Um flexibel zu bleiben, will Unicredit allerdings bei den Aufsichtsbehörden beantragen, gegebenenfalls einen Anteil von über 9,9 Prozent aufbauen zu dürfen.
Verdi ruft zum Kampf auf
Während in Deutschland mehrere Ökonomen eine mögliche grenzüberschreitende Konsolidierung im europäischen Bankensektor begrüssten, weil diese zu einer Vertiefung der Banken- und Kapitalmarktunion beitragen könnte, kündigten Gewerkschafter massiven Widerstand an. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) forderte die Bundesregierung auf, den Verkauf weiterer Anteile an der Commerzbank sofort zu unterbinden und sich der drohenden Übernahme der Commerzbank durch die Unicredit entgegenzustellen.
Bei Verdi befürchtet man einen massiven Stellenabbau und erinnert an einen ähnlichen Vorgang nach der Übernahme der HypoVereinsbank durch die Unicredit. Die Italiener hatten das Institut 2005 erworben.
Erst am Abend zuvor war bekanntgeworden, dass der Vorstandsvorsitzende der Commerzbank, Manfred Knof, seinen Vertrag bis Ende 2025 zwar erfüllen, aber nicht verlängern will. Bisher war man in Frankfurter Finanzkreisen davon ausgegangen, dass Knof die Bank nach der erfolgreichen Sanierung noch in eine Wachstumsphase führen will. Zugleich galt die Finanzchefin und stellvertretende Vorstandsvorsitzende Bettina Orlopp als mittelfristige Kandidatin für den Vorstandsvorsitz. Die Befürchtung war jedoch, dass Orlopp die Bank verlassen könnte, wenn Knof eine weitere Amtszeit erhielte.
Laut einer Mitteilung der Commerzbank hat sich Knof in der Sommerpause im Kreis seiner Familie den Schritt reiflich überlegt. Der Aufsichtsratsvorsitzende Jens Weidmann, der frühere Präsident der Deutschen Bundesbank, hat die Entscheidung laut einer Pressemitteilung mit grossem Bedauern zur Kenntnis genommen. Knof hatte die jahrelang kriselnde Bank saniert, dabei rund zehntausend Stellen abgebaut und etwa die Hälfte der Filialen geschlossen. Im vergangenen Jahr trugen die Massnahmen Früchte, denn die Commerzbank erzielte mit 2,2 Milliarden Euro das beste Ergebnis seit mehr als fünfzehn Jahren.
Der Aufsichtsrat will nun einen geordneten Prozess für die Suche eines Nachfolgers einleiten. Für diese Position dürfte Bettina Orlopp in der PolePosition sein, wenngleich der Aufsichtsrat offenbar auch andere Bewerber anschauen will. Jetzt ist jedoch die Wahrscheinlichkeit gestiegen, dass die Commerzbank doch übernommen werden könnte, was die Position des Vorstandschefs weniger attraktiv machen dürfte.