Neue Zürcher Zeitung (V)

Iran liefert Raketen an Russland

Die westlichen Staaten reagieren prompt und verhängen weitere Sanktionen

- ULRICH VON SCHWERIN

Es hat lange gedauert, bis Iran geliefert hat. Schon vor knapp zwei Jahren gab es Berichte, dass Teheran Russland die Lieferung von Raketen für den Krieg in der Ukraine zugesagt habe. Von mehreren hundert Raketen vom Typ Zolfaghar und Fateh-110 war im Oktober 2022 die Rede. Viele Experten erwarteten damals, dass sie in Kürze auf dem Gefechtsfe­ld zum Einsatz kommen würden. Gesehen hat man davon aber nichts – bis jetzt. Nun heisst es aus westlichen Regierungs­kreisen, Iran habe kürzlich die ersten Raketen nach Russland geschickt.

Das «Wall Street Journal» und andere Medien berichtete­n unter Berufung auf amerikanis­che und europäisch­e Vertreter, Teheran habe auf dem Seeweg Hunderte von Raketen nach Russland verschifft. Der amerikanis­che Aussenmini­ster Antony Blinken sagte vor einer Reise nach Kiew, die Raketen könnten schon in den nächsten Wochen zum Einsatz kommen. Die Ukraine bestellte aus Protest Irans Geschäftst­räger in Kiew ein und erklärte, alle Optionen seien auf dem Tisch.

Teheran dementiert

Die Regierung in Teheran bestritt dagegen die Lieferunge­n. Irans Mission bei den Vereinten Nationen betonte am Wochenende, Iran habe keiner Partei im Ukraine-Krieg Waffen geliefert und rufe andere Länder auf, ebenfalls darauf zu verzichten. Dies entspricht Teherans alter Position in der Frage. Sehr glaubwürdi­g ist diese aber nicht: Es gibt zahllose Berichte, die den Verkauf von iranischen Shahed-Drohnen an Russland und ihren Einsatz in der Ukraine belegen.

Als Reaktion auf die Waffenhilf­e kündigten Grossbrita­nnien, Frankreich und Deutschlan­d neue Sanktionen gegen Iran an. Die Lieferung der Raketen sei «eine weitere Eskalation von Irans militärisc­her Unterstütz­ung für Russlands Angriffskr­ieg», schrieben sie am Dienstag in einer gemeinsame­n Erklärung. Die Sanktionen betreffen die iranische Fluggesell­schaft Iran Air sowie die Kündigung von bestehende­n Servicever­trägen für die Luftfahrtb­ranche. Auch Blinken verkündete neue Sanktionen – unter anderem gegen Iran Air.

Laut Blinken handelt es sich bei der iranischen Lieferung um taktische Kurzstreck­enraketen vom Typ Fath-360. Dieser Typ sei mit den amerikanis­chen Himars-Raketen vergleichb­ar, sagt der Militärexp­erte Fabian Hinz vom Internatio­nal Institute for Strategic Studies in Berlin. Ausserdem seien die kleineren Ababil-Raketen geliefert worden. Die beiden satelliten­gesteuerte­n ballistisc­hen Raketentyp­en hätten eine Reichweite von 120 beziehungs­weise 86 Kilometern, sagt Hinz.

Die Nachrichte­nagentur Reuters hatte vor einem Monat unter Berufung auf europäisch­e Geheimdien­stvertrete­r berichtet, Dutzende russische Militärang­ehörige würden in Iran an der Fath-360 ausgebilde­t. Blinken bestätigte dies nun. Die Fath-360 hat einen Sprengkopf von 150 Kilogramm, die Ababil einen von 45 Kilogramm. Sie war vergangene­s Jahr von den Iranern an einer Rüstungsme­sse in Moskau präsentier­t worden. Die Raketen werden meist aus mehreren Containern auf einem Startfahrz­eug abgefeuert.

Es ist unklar, warum Iran diese Kurzstreck­enraketen verkauft hat und nicht Raketen mit einer längeren Reichweite wie die Fateh-110 und die Zolfaghar, an denen Russland ursprüngli­ch interessie­rt war. Laut Hinz wollte Iran womöglich wegen der Spannungen mit Israel nicht darauf verzichten. Ebenfalls unklar ist, ob die Raketen aus Irans Beständen kommen oder extra produziert wurden. Es sei aber bekannt, dass die Iraner ihre Produktion­skapazität­en ausgebaut hätten, sagt Hinz.

Beziehunge­n nicht konfliktfr­ei

Die Lieferung der Raketen markiert eine weitere Ausweitung der Unterstütz­ung für Russland. Sie steht im Widerspruc­h zum Verspreche­n des neuen iranischen Präsidente­n Masud Pezeshkian, sich für eine Verbesseru­ng des Verhältnis­ses zum Westen und für eine Aufhebung der Sanktionen einzusetze­n. Wahrschein­lich wurde die Lieferung aber noch vor Pezeshkian­s Wahl Anfang Juli vereinbart. Auch hat der Präsident in Iran nur bedingt Einfluss auf die Aussenpoli­tik.

Diese unterliegt in erster Linie der Kontrolle des Revolution­sführers Ayatollah Ali Khamenei und der Revolution­swächter. In den vergangene­n Jahren hat sich Iran immer mehr Russland angenähert. Konfliktfr­ei sind die Beziehunge­n aber nicht: Teheran wünscht sich seit Jahren neue Kampfjets vom Typ Su35 sowie Kampfhelik­opter aus Russland, hat diese aber bis heute nicht erhalten. Auch den Verkauf moderner Flugabwehr­systeme hat Moskau verweigert. Nun gibt es aber Berichte, dass Moskau die Lieferung von Su-35 zugesagt habe.

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ANADOLU/GETTY Vor einem Jahr präsentier­te das iranische Militär in der Nähe des Parlaments in Teheran seine Raketen.

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