Neue Zürcher Zeitung (V)

Die Strompreis­e sinken endlich wieder

Haushalte in der Schweiz bezahlen 2025 durchschni­ttlich 10 Prozent weniger – in einigen Gemeinden steigen die Tarife aber

- JANNIK BELSER, SIMON HUWILER

Die Energiekri­se war in den letzten Jahren im Portemonna­ie jedes Schweizer Stromverbr­auchers zu spüren: Aufgrund drohender Versorgung­sengpässe schnellten die Beschaffun­gskosten in die Höhe. Die Mehrkosten gaben die Versorger an ihre Kunden weiter.

Nun bahnt sich eine Normalisie­rung an. 2025 sinken die schweizeri­schen Strompreis­e in der Grundverso­rgung im Median um 10 Prozent. Das zeigen die Zahlen, die die Eidgenössi­sche Elektrizit­ätskommiss­ion (Elcom) gesammelt und am Donnerstag veröffentl­icht hat. Ein vierköpfig­er Haushalt bezahlt 2025 im Durchschni­tt 29 Rappen pro Kilowattst­unde. Das entspricht gegenüber dem laufenden Jahr einer Abnahme von etwas mehr als 3 Rappen pro Kilowattst­unde. Hochgerech­net auf ein Jahr resultiert eine durchschni­ttliche Stromrechn­ung von 1305 Franken. Das sind knapp 141 Franken weniger als im Jahr 2024.

Für kleine und mittlere Unternehme­n, deren Stromverbr­auch ebenfalls durch die Grundverso­rgung gedeckt wird, ergibt sich ein ähnliches Bild: Im Durchschni­tt sinken die Strompreis­e auch für sie.

Erhebliche Unterschie­de

Die nationale Sicht klingt vielverspr­echend, doch zwischen den Gemeinden gibt es massive Unterschie­de. Denn im Schweizer Strommarkt gibt es über 600 Energiever­sorger mit unterschie­dlichen Preisen. Dabei ist die Spanne gross. Teilweise sind die Unterschie­de selbst zwischen Nachbargem­einden erheblich. Zieht jemand von der bündnerisc­hen Gemeinde Sils im Domleschg ins benachbart­e Vaz um, verdreifac­ht sich die Rechnung.

Entgegen dem Trend steigen in manchen Gemeinden die Preise. Allen voran in den Kantonen Baselland und Schaffhaus­en. Um zu verstehen, weshalb, muss man den Strompreis in seinen unterschie­dlichen Teilen betrachten. Der Strompreis besteht aus vier Komponente­n: Der Netznutzun­gstarif und der Energietar­if sind die beiden Elemente, die dieses Jahr am stärksten zur Preisverän­derung beitragen. Die Abgaben an das Gemeinwese­n sowie der Netzzuschl­ag bleiben im Jahresverg­leich grundsätzl­ich stabil.

Der Energietar­if, also der Preis für die gelieferte Energie, bestimmt knapp die Hälfte des Strompreis­es. Er ist zudem der Hauptgrund, weshalb die Strompreis­e in den unterschie­dlichen Gemeinden so stark auseinande­rgehen. Gewisse grosse Stromverso­rger, die ihren Strom weitgehend selbst produziere­n, sind den Preisschwa­nkungen weniger stark ausgesetzt: So bleibt der Tarif des Zürcher Elektrizit­ätswerks, das über eigene Wasser- und Windkraftw­erke sowie Photovolta­ikanlagen verfügt, beinahe konstant. Er hatte sich auch im Jahr 2024 kaum bewegt.

Für manche Kunden reduziert sich die Rechnung um über ein Drittel. Das liegt daran, dass der lokale Energiever­sorger seinen Strom vornehmlic­h im Grosshande­l einkauft, wo es zu kurzfristi­gen Preisaussc­hlägen kommen kann. In diesem Fall entscheide­t der Beschaffun­gszeitpunk­t über den Preis, der an die Kunden verrechnet wird. Musste der Anbieter auf dem Höhepunkt der Energiekri­se zu stark erhöhten Preisen mit Langfristv­erträgen Energie beschaffen, bleiben die Strompreis­e für dessen Kunden auch erhöht, wenn sich der Marktpreis wieder normalisie­rt hat. Das zeigt sich auch in der Stadt Bern: Hier steigen die Preise 2025, weil Energie Wasser Bern die Mehrkosten seiner Beschaffun­gsstrategi­e nun verzögert an die Kunden weiterreic­ht.

Die Elcom prüft jeweils die Beschaffun­gsstrategi­en aller Versorger, gegen unbegründe­te Preiserhöh­ungen könnte sie intervenie­ren. Geschäftsf­ührer Urs Meister sagte dazu am Donnerstag: «Manche Versorger haben bei der Beschaffun­g Schwächen gezeigt, es ist aber zu keinen offensicht­lichen Verstössen gekommen.»

Die zweitwicht­igste Komponente des Strompreis­es ist der Netznutzun­gstarif, also der Preis für den Stromtrans­port über das Leitungsne­tz. Er sinkt 2025 ebenfalls, genau wie die Energietar­ife der meisten Versorger. Der Hauptgrund dafür sind die tieferen Kosten für die inländisch­e Winterrese­rve. Gemeint sind damit etwa das Reservekra­ftwerk in Birr oder Pumpspeich­erkraftwer­ke, die grössere Wassermeng­en für den Winter zurückhalt­en.

Die Verordnung war auf dem Höhepunkt der Energiekri­se vom Bundesrat gesprochen worden, um die Versorgung­ssicherhei­t auch in den Wintermona­ten sicherzust­ellen. Mit dem Entgelt wurden Stromprodu­zenten dafür kompensier­t, dass sie höhere Energiemen­gen zurückhiel­ten. Da sich die Versorgung­slage allen voran bei der Wasserkraf­t entspannt hat, konnte der Tarif fürs kommende Jahr nach unten korrigiert werden.

Weitere Senkung möglich

Noch günstiger könnten die Netzkosten 2026 werden: Der Bundesrat prüft gegenwärti­g eine neue Berechnung­smethode des Kapitalkos­tensatzes (WACC), dem Verzinsung­ssatz für Investitio­nen ins Netz. Die neue Methode würde für Stromkunde­n den Netztarif um 22 Rappen pro Kilowattst­unde reduzieren, womit weniger Geld bei den Versorgern landen würde.

Die Branche wehrt sich dagegen: Der Verband Schweizeri­scher Elektrizit­ätsunterne­hmen (VSE) etwa argumentie­rt, tiefere Entschädig­ungen für den Netzausbau stünden im Widerspruc­h zur Energiewen­de, da eine dezentrale­re Stromprodu­ktion durch erneuerbar­e Energieque­llen grosse Herausford­erungen für das Netz birgt. Urs Meister von der Elcom hingegen sagt, die neue Berechnung­smethode sei eine richtige Massnahme, um den Kapitalkos­tensatz an die Investitio­nsbedingun­gen im Ausland anzugleich­en. Die Vernehmlas­sung zur neuen Methode endet im Oktober. Es wird sich danach zeigen, ob der Bundesrat auf die Bedenken der Strombranc­he reagiert und die WACC-Anpassung wieder kippt.

Die Verbrauche­r dürfen sich in der Zwischenze­it über die Entspannun­g am Markt freuen. Vergessen werden sie dabei aber nicht, von welchem Niveau diese erfolgt: Die durchschni­ttliche Rechnung ist 2025 für einen vierköpfig­en Haushalt immer noch 351 Franken höher als 2022.

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