Das Basler Weizenfeld verrottet
Agnes Denes’ Kunstwerk wird dem Verfall überlassen
Der Messeplatz in Basel fungiert jedes Jahr aufs Neue für die Dauer der weltgrössten Messe für zeitgenössische Kunst draussen vor den Hallen als zusätzliche Präsentationsfläche. Hatte man in den vergangenen Jahren vor allem performative Werke zu Gesicht bekommen, so sollte in diesem Jahr das subtile Werk einer der Pionierinnen der ökologischen Land-Art zum Zuge kommen. Besonderer Coup: der Verbleib der Installation über die Messe-Woche hinaus bis zur Ernte Ende August.
Mit «Wheatfield – A Confrontation», einem Weizenfeld, hatte die amerikanische Konzeptkünstlerin Agnes Denes (geb. 1931 in Budapest) erstmals 1982 auf einer Deponie in Manhattans Battery Park ein bis heute eindrückliches Bild geschaffen.
Monatelange Arbeit
Für das vom Public Art Fund in Auftrag gegebene Projekt auf einer Fläche von 8000 Quadratmetern hatte Agnes Denes damals mit zwei Helfern und vielen Freiwilligen erst in monatelanger Arbeit den Müll geräumt, tonnenweise Erde herbeigebracht und die Weizensamen von Hand gestreut. Das Werk hatte eine Botschaft, die heute nicht aktueller sein könnte: Es sollte auf Themen wie Nahrungsmangel, Umweltschutz sowie Förderung von sozialem und wirtschaftlichem Wachstum aufmerksam machen.
Ausgerechnet diese Arbeit hatte man also für das Zentrum der Kunstmesse auserkoren. In grün gestrichenen Holzkübeln wurde Weizen gepflanzt und damit eine Fläche von rund 10 0 0 Quadratmetern des zubetonierten Platzes renaturiert. Ende August soll geerntet werden, um neuerlich Nahrungs(un)sicherheit und Umweltfragen zu thematisieren. Doch die Kübel auf den Europaletten sind zur Seite geschafft worden, um Platz zu machen für ein temporäres Fussballfeld. Das Weizensteckfeld, an dem sich so viele noch vor wenigen Wochen erfreut haben, ist zum grossen Teil in die untere Isteinerstrasse neben das Parkhaus versetzt worden. Die Kübel verrotten teilweise, der Weizen ist kaum gewachsen und bietet einen kümmerlichen Anblick.
Das Reinszenieren der wegweisenden Land-Art-Arbeit von 1982 trägt im Titel das Wort «Honouring». Nur, so sieht keine Ehrung aus. Was im stadtweiten Kunstprogramm der Messe stolz als eines der «spektakulärsten Kunstwerke im öffentlichen Raum» angekündigt worden war, ist in seinem derzeitigen Zustand beschämend. Hatten Denes und ihr kleines Team vor 42 Jahren noch vier weitere Monate an Pflege investiert, um das Feld gedeihen zu lassen, so kümmert sich um die Basler Kübel scheinbar niemand.
Wenig Empathie
Jetzt, da nicht mehr täglich Tausende vorbeiströmen und für Social Media Fotos machen, interessiert das Projekt auch nicht einmal mehr die zuvor so euphorischen Initiatoren. Es zeugt von wenig Empathie des Kuratoriums für die Künstlerin und das Projekt. Kuratieren endet nicht mit einem ankündigenden Instagram-Post. Fällt der Vorhang und bleiben die täglichen Besucher aus, dann zeigt sich, was mit Prestigeprojekten geschieht: Ist die Aufmerksamkeit erst weg, ist weiteres Interesse verloren.
Deutlicher kann man eigentlich nicht sagen, dass allein die Bilder, die vom Publikum kreiert werden, von Interesse sind: was für eine Metapher auf den gegenwärtigen Zustand der Kunstwelt. Auf Agnes Denes’ Website ist ihr Statement zum Urprojekt von 1982 zu lesen, in dem es heisst: «Das Feld steht für Nahrung, Energie, Wirtschaft, Welthandel und bezieht sich auf Misswirtschaft, Abfall, Welthunger und Umweltprobleme. Es soll die Aufmerksamkeit auf unsere falschen Prioritäten lenken.» Der letzte Satz gilt jetzt in trauriger Weise auch für den Umgang mit Agnes Denes’ Werk selber.