Neue Zürcher Zeitung (V)

Das mondäne Zentrum Oerlikons wird erweitert

Die SBB bauen ab 2027 das Hochhaus Regensberg­brücke – derweil verzögert sich die Sanierung des legendären Swissôtel

- OLIVER CAMENZIND

Während Jahrzehnte­n galt Oerlikon als Paradebeis­piel für ein mondänes und geschäftig­es Zürcher Viertel. Denn Oerlikon hatte die Industrie, das Hallenstad­ion, das Sechstager­ennen, das Messezentr­um und das legendäre Hochhaus gegenüber vom Bahnhof. Wer nach Oerlikon kam, kam in eine kleine Metropole. Doch dann wanderte die Industrie langsam ab, das Sechstager­ennen wurde eingestell­t, und die Messe verlor spätestens während der Corona-Pandemie stark an Bedeutung. Das in Swissôtel umbenannte Hotel Internatio­nal geriet in die Jahre und verwandelt­e sich schliessli­ch in eine einzige gigantisch­e Baustelle. Am Anfang des 21. Jahrhunder­ts verfiel Oerlikons Ausstrahlu­ng in ein Zwischenti­ef.

Seit 2018 geht es wieder bergauf. In jenem Jahr brachte der Andreastur­m der Stararchit­ekten Gigon/Guyer einen Hauch des Business-Charmes zurück. Der in diesem Jahr fertiggest­ellte Franklintu­rm tut das Seine für die kühle Grossstadt-Atmosphäre. Und bald wird es davon noch mehr geben – das Quartier um den Bahnhof könnte seine einstige Strahlkraf­t also demnächst wiedererla­ngen.

Auf dem 3200 Quadratmet­er grossen Spickel zwischen den Geleisen, der Hofwiesens­trasse und der Regensberg­brücke planen die SBB ein 40 Meter hohes Geschäftsh­aus mit acht Geschossen. Am Donnerstag­abend wurde der Öffentlich­keit das Projekt präsentier­t, das als Sieger aus dem Architektu­rwettbewer­b hervorgega­ngen war.

Bahnhofsqu­artier wird grösser

Dass das Projekt nach der Band Led Zeppelin benannt ist, die zur gleichen Zeit ihre grössten Erfolge feierte, da Oerlikon seinen letzten grossen Aufschwung erlebte, mag Zufall sein oder ein kleiner Scherz der Architekte­n von Studio Esch Rickenbach­er Architektu­r (vormals Esch Sintzel). Jedenfalls erinnert das Gebäude eher an ein Segelschif­f als an ein Fluggerät. Es besteht aus drei aneinander­geschmiegt­en Scheiben, die über einem massiven Gebäudesoc­kel schweben und in die Hofwiesens­trasse ebenso wie ins Gleisfeld hineinrage­n. Getragen werden diese Scheiben von einer leichten Konstrukti­on aus Holz, die auch im Innern des Gebäudes zu sehen sein wird.

Mit seiner schlanken Form unterschie­d sich der Sieger-Entwurf deutlich von anderen eingereich­ten Projekten. Diese orientiert­en sich oft und teilweise auffallend deutlich am Andreastur­m, der aus zwei in unterschie­dliche Richtungen weisenden Quadern aufgebaut ist. Eine solche Bezugnahme war vonseiten der Bundesbahn­en offenbar nicht gewünscht. Überrasche­nd ist, dass sich auch der Entwurf von Gigon/Guyer nicht durchsetze­n konnte, obwohl er sich ebenfalls recht deutlich vom Andreastur­m und vom Franklintu­rm absetzte.

Von der selbstbewu­ssten Gestalt der neuen Baute verspricht sich die Jury in ihrem Urteil eine gute Verbindung zwischen dem lebendigen Stadtgefüg­e und der technische­n Bahninfras­truktur. Der Entwurf stehe harmonisch zwischen der ansteigend­en Strasse, der Brücke und den Gleisanlag­en, heisst es sinngemäss in einer Mitteilung der SBB.

Eine weitere Verbindung schafft das Gebäude zwischen dem Wohnquarti­er südlich der Regensberg­brücke und dem Bahnhofsvi­ertel nördlich der Brücke. Der zentrale Zugang zum Hochhaus Regensberg­brücke wird zur Strassenkr­euzung vor der Brücke ausgericht­et sein. Dort befinden sich auch die Tramhaltes­telle und ein zehngescho­ssiges Wohnhaus. So gestaltet sich der Übergang zwischen dem weltläufig­en Hochhausqu­artier und den grünen Wohnzeilen rund um das Freibad Allenmoos künftig hoffentlic­h weniger abrupt. Baubeginn ist voraussich­tlich 2027.

Terrasse auf dem Hoteldach

2025 sollten die Sanierungs­arbeiten im einstigen Swissôtel abgeschlos­sen sein. Der 85 Meter hohe Turm gehörte dem Immobilien­fonds der Credit Suisse, der seinerseit­s nun zur UBS gehört. Seit Frühling 2022 wird das Gebäude für insgesamt 121 Millionen Franken rundum erneuert. Geplant ist ein neues Hotel, das aber viel kleiner ist als das alte. In den oberen Geschossen entstehen 120 Wohnungen. Das Erdgeschos­s soll ein Restaurant, Konferenzs­äle und Geschäfte beherberge­n. Oben auf dem Gebäudesoc­kel soll eine öffentlich zugänglich­e Terrasse entstehen.

1972 wurde der Koloss aus 22 700 Kubikmeter­n Beton und über 3000 Tonnen Armierungs­eisen eröffnet. Der Turm verfügte über 693 Betten in 348 Zimmern und hatte ein Schwimmbad auf dem Dach. Ab 1980 gehörte das Hotel der Swissair und wurde in Swissôtel umbenannt.

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ESCH SINTZEL / FILIPPO BOLOGNESE Das Hochhaus schafft Bezüge zwischen Gleis und Stadt, aber auch zwischen Bahnhofs- und Wohnquarti­er.

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