Baerbock will nicht «wie ein Totengräber» aussehen
Politikerinnen und Politiker lassen sich ihr Aussehen etwas kosten, und das ist gut so
Bislang war der Sozialist François Hollande so etwas wie der ewige Haarspitzenreiter in Europa. 2016 kam heraus, dass er seinem persönlichen Coiffeur fast 10 000 Euro monatlich zahlte, aus der Staatskasse – damit der seinen schütteren Schopf möglichst staatsmännisch frisierte. Kurz darauf schockierten zwei Make-up-Rechnungen seines Nachfolgers Emmanuel Macron die Nation: 26 000 Euro. In nur drei Monaten. Absolute «Noteinsätze» seien das gewesen, erklärte der Élyséepalast damals und gelobte Mässigung. Was hier so dringend überschminkt werden musste, war nicht bekannt.
Aber die Franzosen sind keineswegs eitler als der Rest des Politikbetriebs. In Sachen Instandhaltungsmassnahmen ist die deutsche Aussenministerin den beiden dicht auf den Fersen. Annalena Baerbock zahlte ihrer Visagistin 2022 pauschal 7500 Euro pro Monat, beziehungsweise es zahlte natürlich der deutsche Steuerzahler diese Summe, die sich mit Nebenkosten und Steuern auf 136 552 Euro 50 im Jahr beläuft. Offensichtlich kein Rechenfehler, auch kein Wort von irgendwelchen Notfällen oder Ampeldramen, sondern eher der ganz normale Repräsentationswahnsinn, wie die Grünen-Politikerin nun erklärte: Sonst sehe man im Fernsehen und bei öffentlichen Auftritten nämlich aus «wie ein Totengräber».
Das kam bei den Mitarbeitern der landesweiten Friedhofsverwaltungen nicht gut an. Besser wären wahrscheinlich die Vergleiche «wie eine Leiche» oder «Vogelscheuche» gewesen, weil beide Gruppen deutlich weniger Lobby haben, aber Schwamm drüber und zurück zur eigentlichen Frage: Geht es hier wirklich nur um Eitelkeit? Schamlose Verschwendung von Steuergeldern? Oder um traditionelle Machtdemonstration und modernes politisches Theater?
Nixons fatal fahles Gesicht
Für die ungeschminkte Wahrheit muss man bis in den amerikanischen Wahlkampf von 1960 zurückgehen. John F. Kennedy gegen Richard M. Nixon, erstes TV-Duell der Fernsehgeschichte. Beide Kandidaten sollen damals die Dienste eines Maskenbildners abgelehnt haben – mit fatalen Folgen für Nixon. Der 47-Jährige war noch von einer Grippe geschwächt, hatte tiefe Augenringe. «Als hätte der Tod eine Schlägerei mit der Pest gehabt», wie in amerikanischen Medien zu lesen war. Im harten Scheinwerferlicht zeichnete sich jede einzelne Bartstoppel ab, ausserdem fing er, nicht abgepudert, auf halber Strecke der Debatte stark an zu schwitzen. Kurzum: Er sah vollkommen fertig aus, während Kennedy sonnengebräunt und ausgeschlafen daneben stand. Wer am Ende die Wahlen gewann, ist bekannt.
Es mag nach Chichi und Oberflächlichkeit klingen, aber zum politischen Theater gehört von jeher auch die Maskerade. Kein Volk will sich von Leuten repräsentieren und regieren lassen, die müde und abgeschlafft wirken. Siehe Joe Biden. Wer sich selbst nicht im Griff hat, hat das Land nicht im Griff. Umgekehrt predigen Persönlichkeitsberater stets, dass jeder besser auftritt, agiert und rüberkommt, wenn er sich «gut» fühlt.
Dazu gehört, je nach persönlicher Vorliebe, eine gutsitzende Frisur, ein bisschen Farbe im Gesicht, die entsprechende Garderobe. Giorgia Meloni trägt bevorzugt Armani, Berlusconi transplantierte Haare, Ghadhafi und Mubarak färbten sie, Gerhard Schröder färbte sie angeblich nicht. Gut dastehen wollen sie am Ende alle. Sogar Olaf Scholz gibt 510 764 Euro 54 für seine persönlichen Pressefotografen aus. Der medialen Inszenierung von Politik kann sich keiner entziehen. Allenfalls Boris Johnson schaffte es, seine nichtvorhandene Frisur zum Markenzeichen zu machen, allerdings war der Wahnsinn hier Programm.
Baerbock mag früher als GrünenPolitikerin in jeder Hinsicht grüner gewesen sein. Weniger Föhnfrisur, weniger Concealer, mehr Jeans und T-Shirt, keine nächtlichen Kurzstreckenflüge von Frankfurt nach Luxemburg. Da musste sie aber auch noch nicht, egal um welche Uhrzeit, vor die Kameras treten oder bei den Vereinten Nationen vor Millionen Zuschauern sprechen. Das Wort «Gesichtsverlust» bekommt hier eine ganz andere Bedeutung. Klar könnte sie ihr Make-up auch selbst irgendwie richten, dann bliebe allerdings weniger Zeit für die Vorbereitung von inhaltlichen Themen, und es bliebe noch mehr Angriffsfläche für die Kritiker an den häuslichen Handy-Bildschirmen. Als Donald Trump am Anfang seiner Amtszeit oft stark orangisiert und mit auslaufender Haarcoloration erschien, fragten sich die Amerikaner, warum ausgerechnet der mächtigste Mann der Welt keine fähigen Leute für sein Äusseres beschäftigte.
Der Visagist als Leibwächter
Die Kosten für Baerbocks Visagistin sind enorm. Umgekehrt möchte man sich den Shitstorm, den die Ministerin kassiert hätte, wenn diese Mitarbeiterin trotz ständiger Bereitschaft ein prekäres Gehalt bekäme, lieber nicht vorstellen. Eine Topkraft in der Modebranche kann pro Tag locker 1000 Dollar ansetzen. Kim Kardashian zahlt ihrem Make-upArtisten angeblich sogar 60 000 Dollar. Von Hollandes besagtem Coiffeur hiess es damals, er sei von Monsieur le Président so in Beschlag genommen worden, dass er sogar die Geburt seiner Kinder verpasst habe. Die Visagisten, Coiffeure und Stylisten von berühmten Persönlichkeiten sind mittlerweile im wahrsten Sinne des Wortes auch «Leibwächter».
Angela Merkel übrigens, die im Allgemeinen als ziemlich uneitel gilt, war sicher nicht viel günstiger im Beauty-Unterhalt als Baerbock, auch wenn die Summe bei ihr erstaunlicherweise ein ewiges Staatsgeheimnis blieb. Bekannt ist dagegen, dass der Bund seit ihrem Ausscheiden fast 55 000 Euro für Haare und Makeup bezahlt hat, und das, obwohl sie eben kein öffentliches Amt mehr bekleidet. Die Aufregung darüber war entsprechend gross. Andererseits: bei einem Bundeshaushalt von gegenwärtig über 475 Milliarden eigentlich Haarspalterei.