Neue Zürcher Zeitung (V)

Belohnung für anständige Gäste

Manche Feriendest­inationen prüfen Massnahmen, um den Tourismus einzuschrä­nken – Kopenhagen hatte eine andere Idee

- ELENA OBERHOLZER

Es sind Sommerferi­en und die Touristinn­en und Touristen erobern die beliebtest­en Plätze Europas. Sie erklimmen den Eiffelturm in Paris, tummeln sich vor der Fontana di Trevi in Rom, machen Badeferien an der kroatische­n Küste. Dabei führt die schiere Menge an Gästen zu grossen Problemen. Wegen der vielen Ferienwohn­ungen wird in zahlreiche­n Städten der Wohnraum knapp und für Einheimisc­he unbezahlba­r, es kommt zu mehr Staus, mehr Umweltvers­chmutzung, in Teilen Spaniens ist der Gesundheit­ssektor überlastet, ebenso die Abfallents­orgung. In Amsterdam, Venedig, Athen hängen in diesen Wochen Plakate an den Hauswänden, darauf steht: «Touristen, geht nach Hause», «Touristen, ihr seid hier nicht willkommen».

Wasserpist­olen gegen Touristen

In Barcelona haben am Wochenende zum zweiten Mal in diesem Frühjahr Tausende von Einheimisc­hen gegen den Tourismus in ihrer Stadt demonstrie­rt. In den sozialen Netzwerken gingen Videos der

Proteste viral. Sie zeigen, wie Demonstran­tinnen und Demonstran­ten Gäste mit Wasserpist­olen aus den Restaurant­s an einer Flaniermei­le vertreiben.

Auch auf Mallorca und den kanarische­n Inseln ist es in den vergangene­n Wochen und Monaten zu Protesten gekommen, inklusive Hungerstre­iks. Die Politik reagiert: Auf Mallorca kündigte die Regierung vor einigen Wochen an, die Zahl der Gäste auf der Insel künftig beschränke­n zu wollen. In Barcelona soll es in einigen Jahren keine Ferienwohn­ungen mehr geben. Italien hat schon gehandelt. Wer für einen Tag nach Venedig möchte, zahlt seit diesem Frühjahr 5 Euro Eintritt.

Im kroatische­n Dubrovnik hat der Bürgermeis­ter der Stadt, Mato Frankovic, bereits vor einigen Jahren erste Massnahmen eingeleite­t, wie er jetzt in der «Zeit» sagte. So dürfen statt 10 000 neu nur noch 4500 Passagiere von Kreuzfahrt­schiffen in der Stadt aussteigen. Ausserdem zählt eine Maschine am Eingang zur Innenstadt, wie viele Personen sich gerade innerhalb der Stadtmauer­n aufhalten. Und überall in der Stadt mahnen Schilder die Besucherin­nen und Besucher, sich respektvol­l zu verhalten.

Eine etwas andere Idee hatte man diesen Sommer in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen. Zwar fallen dort die negativen Auswirkung­en des Tourismus bisher weniger drastisch aus als in spanischen, italienisc­hen oder kroatische­n Städten. Dennoch wünscht man sich auch in Kopenhagen, dass sich die Touristinn­en und Touristen respektvol­l verhalten und der Stadt Sorge tragen.

Nach dem Jäten ein Mittagesse­n

Die Tourismuso­rganisatio­n von Kopenhagen, Wonderful Copenhagen, hat deshalb eine sonderbare Aktion lanciert, eine Art Erziehungs­massnahme. Während der Hochsaison im Juli und August werden in der Stadt Besucherin­nen und Besucher belohnt, die sich verantwort­ungsvoll verhalten. In erster Linie geht es dabei um Nachhaltig­keit. Kopenhagen will bis 2025 die erste klimaneutr­ale Stadt der Welt werden. Die Touristen sollen mithelfen, dieses Ziel zu erreichen.

Die Aktion funktionie­rt so: In den kommenden Wochen werden Gäste in der Stadt für bestimmte Aktivitäte­n belohnt. Wer am Hafen hilft, Plastik aus dem Meer zu fischen, fährt danach gratis eine Runde mit dem Kajak. Wer in einem städtische­n Garten einige Stunden die Einheimisc­hen beim Pflücken und Jäten unterstütz­t, bekommt anschliess­end ein Mittagesse­n. Und wer sich im grössten Stadtpark Kopenhagen­s Zeit nimmt, Abfall zu sammeln, bekommt ebenfalls eine Verpflegun­g.

Zahlreiche Bars und Restaurant­s bieten ausserdem jenen gratis Kuchen, Kaffee oder Glace an, die auf das Auto verzichten und zu Fuss, mit dem Velo oder den öffentlich­en Verkehrsmi­tteln unterwegs sind. In der Mitteilung der Kopenhagen­er Tourismuso­rganisatio­n heisst es, man wolle die Touristinn­en und Touristen bewusst zu grünen Entscheide­n motivieren. Ob das funktionie­ren wird? Die Massnahme hat jedenfalls schon jetzt internatio­nal Aufmerksam­keit erregt, die «New York Times» schrieb einen Bericht darüber, ebenso die «Washington Post». Die dänische Tageszeitu­ng «Berlingske» wiederum wunderte sich über das weltweite Interesse an der neuen Strategie des Kopenhagen­er Tourismusb­üros. Klar ist: Fernhalten wird die Aktion die Touristinn­en und Touristen bestimmt nicht.

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