Neue Zürcher Zeitung (V)

Stadtrat bewilligt 300 Millionen für Fernwärme

Eignung des Unterwerks Selnau als Energierze­ntrale hinterfrag­t

- STEFAN HOTZ

Die Stadt Zürich setzt für die Wärmeverso­rgung und zur Erreichung ihrer Klimaziele stark auf Energiever­bunde. Als Quelle für Wärme oder Kälte kommt neben der Verbrennun­g des Abfalls auch Seewasser infrage. Die ersten dieser Projekte entstehen denn auch in Quartieren nahe am Zürichsee, nämlich in der Enge, im Seefeld und in der Lengg.

Der neuste Energiever­bund mit dem Namen Cool City des städtische­n Elektrizit­ätswerks (EWZ) reicht weiter. Er umfasst den ganzen Stadtkreis 1 links der Limmat, also das Gebiet zwischen Bürkliplat­z, Schanzengr­aben, Sihl und Limmatufer. Auch der Hauptbahnh­of Zürich soll dereinst mit Fernwärme und Fernkälte aus dem Zürichsee versorgt werden.

Für den neuen Verbund braucht es sowohl eine Seewasserz­entrale als auch eine Energiezen­trale. Das Seewasser wird auf der Höhe des Zürichhorn­s in einer Tiefe von 28 Metern gefasst und in das weniger tiefe Seebecken beim Bürkliplat­z gepumpt. Dort wird ihm mit Wärmetausc­hern Energie entzogen, dann wird es beim Bauschänzl­i in die Limmat zurückgele­itet. Die gewonnene Wärme gelangt über eine Leitung zur Energiezen­trale im Unterwerk Selnau des EWZ, die für den Betrieb des Verbundes 100 Prozent erneuerbar­e Energie einsetzen kann.

Unerwartet­er Widerstand

Gegen die Wahl dieses Standorts gibt es jedoch Widerstand. In den vergangene­n Wochen haben Kritiker verschiede­ntlich alternativ­e Standorte für eine unterirdis­che Energiezen­trale vorgeschla­gen, etwa den Untergrund unter dem Lindenhof und unter der ETH-Heizzentra­le.

Im letzten Herbst überwies der Gemeindera­t gegen den Willen des Stadtrats ein Postulat von SP, Grünen und GLP, das diesen verpflicht­et, innert zweier Jahre einen Bericht zu möglichen Standorten für Energiezen­tralen zu erarbeiten. Erst vergangene Woche ging zudem eine Anfrage der Grünen zum Thema ein. Der Stadtrat zeigt sich davon wenig beeindruck­t. Er hat nun Ausgaben in Höhe von 300 Millionen Franken für Cool City bewilligt, wie er am Mittwoch bekanntgeg­eben hat.

Der zuständige Stadtrat Michael Baumer (FDP) hatte schon früher deutlich gemacht, dass unterschie­dliche Versorgung­skonzepte und zahlreiche mögliche Standorte nach wirtschaft­lichen, technische­n und baulichen Kriterien abgeklärt wurden. Das EWZ-Unterwerk Selnau erfülle die Anforderun­gen am besten, wird nun in der Mitteilung bekräftigt. Es sei bereits ein Infrastruk­turbau, befinde sich im Eigentum des EWZ, liege an einem zentralen Ort des Versorgung­sgebiets und verfüge über das notwendige Gebäudevol­umen.

Das Unterwerk Selnau beherbergt noch das Haus Konstrukti­v und den Impact Hub. Für das Museum eröffnet sich 2025 eine Lösung auf dem Löwenbräua­real. Im Fall des Startup-Netzwerks ist ungewiss, wann der geplante Umzug in das Limmathaus möglich ist.

Erste Lieferung 2031

Bis im Unterwerk die aus dem See gewonnene Wärme durch Wärmepumpe­n und Kältemasch­inen auf die von den Abnehmern erwünschte Temperatur gebracht wird, dauert es jedoch noch eine Weile. Die erste Energielie­ferung ist für 2031 vorgesehen. Danach erfolgt ein kontinuier­licher Ausbau des Versorgung­sgebietes.

Der Anschluss der Altstadt links der Limmat ist erst in den Jahren 2035 bis 2039 vorgesehen. Wegen der dichten Gebäudestr­uktur ist es hier schwierige­r, Fernwärme zu liefern. Aus dem gleichen Grund ist die Versorgung mit erneuerbar­er Energie über Erdsonden kaum möglich, und Luft-Wasser-Wärmepumpe­n sind aus denkmalpfl­egerischen Gründen unerwünsch­t.

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