Südafrika leidet unter Regierungspartei
Es braucht viel Gutgläubigkeit, um in Südafrika Zeichen für die «Stärke der politischen Kultur» oder gar eine «bemerkenswerte demokratische Reife» erkennen zu können (NZZ 21. 6. 24). Es hat dreissig Jahre gedauert, bis der Afrikanische Nationalkongress (ANC), der sich nur durch Miss- und Vetternwirtschaft und durch exorbitante Korruption ausgezeichnet hat, endlich seine absolute Mehrheit verloren hat.
Um weiter die eigenen Pfründen verwalten zu können, mussten der Präsident und ANC-Führer Ramaphosa und seine Partei eine Koalition eingehen. Dass dies mit der Democratic Alliance (DA) gelungen ist, ist in der Tat ein schlauer Schachzug. Die dritt- und viertstärksten Parteien werden nämlich von erbitterten Feinden des Staatspräsidenten (Jacob Zuma und Justice Malema) beherrscht.
Die Zusammenarbeit mit der DA dürfte da trotz allem einfacher sein. Und wenn die Koalition doch nicht die erwarteten Resultate bringen kann, wird der ANC wieder einmal den weissen Landsleuten alle Schuld zuweisen, da die DA als «weisse Partei» gilt.
Natürlich besteht die Hoffnung, dass nun alles besser wird. Nur kommt mir da das geflügelte Wort aus dem Vereinigten Königreich in den Sinn: Afrika ist seit 60 Jahren der hoffnungsvolle Kontinent und wird es auch die nächsten 60 Jahre bleiben.
Der ANC hat es fertiggebracht, dass der südafrikanische Staatsapparat bis in den Kern korrupt, aufgebläht und ineffizient geworden ist. Hier durchzugreifen und aufzuräumen, ist eine Herkulesaufgabe. Und dass dies gerade unter Führung des Verursachers, des ANC, gelingen soll, muss leider bezweifelt werden.
Frank P. Gross, Netstal