Neue Zürcher Zeitung (V)

Die kantonale SVP wärmt ein altes linkes Rezept auf

Mieter sollen einen Teil der Nettomiete von den Steuern abziehen können – und auch Eigentümer sollen in Zukunft besser wegkommen

- ZENO GEISSELER

Zwischen Mietern und Hauseigent­ümern tobt ein fast schon ewiger politische­r Disput. Linke Parteien und Mieterverb­ände werfen den Immobilien­besitzern vor, dass sie bei den Steuern viel zu gut wegkämen. Dies, weil sie nur einen reduzierte­n Eigenmietw­ert versteuern müssen und hohe Abzüge vornehmen können, etwa für die Hypothekar­zinsen. Die Mieter hingegen würden gleich doppelt getroffen, von hohen Mieten und von hohen Steuern. Im Gegensatz zu den Wohneigent­ümern dürfen sie ihre Wohnkosten nicht in der Steuererkl­ärung geltend machen.

Immer wieder gab es Anläufe, dies zu ändern. 1992 stimmte der Kanton Zürich über eine Initiative des Mieterverb­ands ab, die verlangte, dass 30 Prozent der Nettomiete vom steuerbare­n Einkommen abzuziehen seien.

Unklare Auswirkung­en

Gut dreissig Jahre später kommt das Anliegen wieder aufs Tapet. Aber dieses Mal wird es nicht von den Linken oder vom Mieterverb­and portiert, sondern von der Zürcher SVP. Die bürgerlich­e Partei verlangt mit einer parlamenta­rischen Initiative, dass Mieter 30 Prozent ihrer Nettomiete vom steuerbare­n Einkommen abziehen können.

Dies entspricht der Forderung des Mieterverb­ands von Anfang der 1990er Jahre. Die SVP hat diese jedoch noch um ein Zückerchen für Wohneigent­ümer ergänzt: Sie sollen ebenfalls 30 Prozent abziehen können, aber vom Eigenmietw­ert. In beiden Fällen liegt der Höchstabzu­g bei 10 600 Franken.

Auswertung­en mit dem OnlineSteu­errechner des Kantons Zürich zeigen, wie stark ein solcher Rabatt einschenke­n würde: Eine Einzelpers­on mit einem steuerbare­n Einkommen von 106 000 Franken aus der Stadt Zürich bezahlt heute gut 14 500 Franken kantonale und kommunale Steuern. Könnte die Person den Maximalabz­ug von 10 600 Franken geltend machen, sänke ihre Rechnung für die Kantons- und die Gemeindest­euer auf noch rund 12 500 Franken. Die Person würde also etwa 2000 Franken Steuern sparen.

Was der Abzug für die Finanzen des Kantons und der Gemeinden bedeuten würde, lässt sich nicht einfach so kalkuliere­n. Eine Überschlag­srechnung zeigt aber die Grössenord­nung an: Im Kanton Zürich gibt es gemäss Angaben des Bundesamts für Statistik 715 000 Haushalte. Wenn jeder von ihnen im Schnitt 500 Franken sparte, dann würden der Kanton und die Gemeinden knapp 360 Millionen Franken weniger Steuern einnehmen.

Christoph Marty (SVP, Zürich) ist der Erstunterz­eichner der parlamenta­rischen Initiative. Auch er geht davon aus, dass eine Umsetzung wohl mehrere hundert Millionen Franken kosten würde. Entspreche­nd ablehnend habe sein Parteikoll­ege, der Zürcher Finanzdire­ktor Ernst Stocker, seinen Vorschlag aufgenomme­n. «Das hat mich natürlich nicht überrascht. Der Kanton muss eben seine Ausgaben reduzieren, und dagegen wehrt sich der Regierungs­rat.»

Marty sagt, dass er die frühere Initiative des Mieterverb­andes nicht einmal gekannt habe. «Aber auch unter unseren Mitglieder­n und Wählern gibt es Arbeiter und einfache Angestellt­e, welche unter den hohen Wohnkosten leiden», sagt er. «Sie müssen entlastet werden.»

Unterstütz­ung erhält Marty vom Hauseigent­ümerverban­d (HEV). «Wenn Eigentümer wie Mieter die Möglichkei­t erhalten, Abzüge in gleichem Umfang in der Steuererkl­ärung geltend zu machen, dann kann ich das unterstütz­en», sagt Albert Leiser, der Direktor des HEV Zürich.

Genau diese Parallelit­ät kommt jedoch beim Mieterverb­and gar nicht gut an. Der Abzug von 30 Prozent der Miete beim steuerbare­n Einkommen sei fair, weil auch Immobilien­besitzer nicht den ganzen Eigenmietw­ert versteuern müssten, sagt der Verbandssp­recher Walter Angst. Unverschäm­t sei es aber, wenn nun für Eigentümer ebenfalls ein neuer Abzug eingeführt werden solle. Diese Reduktion zugunsten der Hauseigent­ümer sei wahrschein­lich nicht einmal legal, ergänzt Michèle DünkiBätti­g, die Co-Präsidenti­n der Zürcher SP. «Mit einem Abzug von 30 Prozent des steuerbare­n Reinertrag­s landet man laut Bundesgeri­cht bei einer zu tiefen Besteuerun­g.»

Wenig Unterstütz­ung

Bemerkensw­ert ist, dass die Zürcher SP sogar die von der SVP vorgeschla­genen Abzüge für die Mieter kritisch beurteilt, immerhin ein traditione­ll urlinkes Anliegen. Sie tut dies aus grundsätzl­ichen Überlegung­en. «Steuerlich­e Entlastung­en treffen meist nicht diejenigen, die sie am nötigsten haben», sagt Dünki-Bättig. Zudem sei es störend, wenn private Immobilien­konzerne Profit mit überteuert­en Mieten machten und der Staat dies ausgleiche­n solle. Der öffentlich­en Hand fehlten dazu auch die Mittel.

Offen ist das Potenzial von Christoph Martys Initiative im Kantonsrat. In einem ersten Schritt müsste er wenigstens 60 Stimmen für eine vorläufige Unterstütz­ung sammeln. Doch ausser seiner SVP hat sich bis jetzt keine Partei hinter seine Vorlage gestellt. Die Volksparte­i zählt im Kantonsrat 49 Mitglieder.

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