Neue Zürcher Zeitung (V)

18-Milliarden-Paket für Armee und AHV

Einflussre­iche bürgerlich­e Ständeräte wollen die Mehrwertst­euer erhöhen und befristet ein «Sicherheit­sprozent» einziehen

- FABIAN SCHÄFER, BERN

Nach dem Deal ist vor dem Deal. Eben erst hat der Ständerat einen spektakulä­ren 15-Milliarden-Deal versenkt. Es war ein klassische­r Kuhhandel, 10 Milliarden Franken waren für die Armee vorgesehen, 5 Milliarden für die Unterstütz­ung der Ukraine. Hinter dem Vorschlag stand eine Mitte-links-Allianz. Gescheiter­t ist sie vor allem, weil sie die Schuldenbr­emse aushebeln wollte.

Nun, eine gute Woche später, liegt ein neuer Vorschlag auf dem Tisch, der nicht weniger spektakulä­r ist, aber deutlich bessere Chancen hat. Der Vorstoss stammt just aus den Kreisen, die den ersten Anlauf verhindert haben. Eingereich­t hat ihn einer der schärfsten Kritiker, der Mitte-Ständerat Benedikt Würth. Er wird unterstütz­t von weiteren namhaften Ständeräte­n, nicht nur aus der Mitte-Partei, sondern auch aus der FDP. Mit Daniel Jositsch ist sogar ein Sozialdemo­krat an Bord. Alles in allem stehen dahinter Kreise rund um die Mitte-Ständeräte, die in Bern bei grossen Fragen oft die Richtung weisen.

Volk kann separat abstimmen

Beim «Würth-Plan» handelt es sich erneut um einen Deal – um einen 18-Milliarden-Deal sogar. Und er zielt ebenfalls darauf ab, das Armeebudge­t stärker zu erhöhen als bisher geplant. Damit hat es sich aber mit den Gemeinsamk­eiten. Darüber hinaus gibt es entscheide­nde Unterschie­de. Erstens hält der neue Plan die Schuldenbr­emse ein, er sieht keine ausserorde­ntlichen Ausgaben vor. Zweitens ist die Hilfe für die Ukraine nicht mehr Teil des Pakets. Stattdesse­n kombiniert Würth das Armeebudge­t mit einem anderen grossen Streitthem­a: mit der AHV. Konkret schlägt er eine Finanzieru­ng für die vom Volk beschlosse­ne 13. Rente vor, die allerdings deutlich bescheiden­er ausfällt als gemäss dem Plan des Bundesrats. Somit würde das Sozialwerk vorübergeh­end grössere Defizite schreiben.

Drittens klingt der neue Vorschlag verdächtig nach einem Kuhhandel, ist aber keiner. Explizit hält Würth fest, dass der Bundesrat die beiden Themen – die Armee und die AHV – in separaten Vorlagen angehen soll, die rechtlich nicht verknüpft sind. Somit kann das Parlament die beiden Fragen zwar gemeinsam behandeln, das Stimmvolk wird aber nicht daran gehindert, an der Urne separat und differenzi­ert darüber zu entscheide­n.

Viertens und letztens gibt es einen schmerzhaf­ten Teil: Der neue Vorschlag umfasst eine beträchtli­che Steuererhö­hung. Würth betont, er mache das nicht leichtfert­ig. «Aber angesichts der strukturel­len Defizite ist es völlig unrealisti­sch, die höheren Ausgaben für die AHV und die Armee ganz ohne Mehreinnah­men zu finanziere­n.» So schlagen Würth und seine Mitstreite­r vor, die Mehrwertst­euer um 1 Prozentpun­kt zu erhöhen (0,6 Prozentpun­kte für die AHV und 0,4 für die Armee). Der Normalsatz würde somit von heute 8,1 auf 9,1 Prozent steigen. Die Konsumente­n würde dies pro Jahr etwa 3,5 Milliarden Franken kosten.

Würth hat sich auch schon einen marketingt­echnisch ausgefeilt­en Namen einfallen lassen: Er spricht von einem «Sicherheit­sprozent» – von einer Steuererhö­hung, die zugleich die Landesvert­eidigung und die Renten sichern soll. Zumindest für ein paar Jahre.

Denn ein Punkt ist ihm wichtig: Die Steuererhö­hung soll «nur» befristet sein – nach fünf Jahren würde sie wieder auslaufen. Solche Übungen gehen oft schief, doch weil es hier um die Mehrwertst­euer geht, lässt sich die Befristung relativ gut durchsetze­n. Die Sätze der Mehrwertst­euer sind in der Verfassung festgeschr­ieben.

Das hat gleich zwei Vorteile: Jede Erhöhung, ob unbefriste­t oder nicht, zieht automatisc­h eine obligatori­sche Volksabsti­mmung nach sich. Somit lässt sich das ganze Prozedere schneller durchziehe­n, weil keine Referendum­sfrist abgewartet werden muss. Das ist in diesem Fall nicht unwichtig, weil sowohl die Armee als auch die AHV das Geld rasch benötigen. Würth möchte die Steuererhö­hung sogar schon auf 2026 umsetzen, das Volk müsste also 2025 entscheide­n.

Der zweite Vorteil kommt später zum Tragen: Weil die vorgesehen­e Befristung ebenfalls in der Verfassung verankert würde, liesse sie sich nicht so leicht aushebeln. Für eine Verlängeru­ng wäre erneut eine Volksabsti­mmung nötig. Dieses Vorgehen war bereits einmal erfolgreic­h, eine befristete Erhöhung der Mehrwertst­euer für die IV ist 2017 planmässig ausgelaufe­n.

Spannend ist die Gesamtbila­nz: Die Finanzieru­ngslücken haben ein enormes Ausmass erreicht. Bereits ohne 13. AHV und die stärkere Erhöhung des Armeebudge­ts fehlen beim Bund in den nächsten Jahren je 3 bis 4 Milliarden Franken. Für die 13.Rente muss die AHV 4 bis 5 Milliarden jährlich mehr ausgeben, von den bestehende­n Lücken ganz zu schweigen. Und obendrein wollen die bürgerlich­en Parteien die Ausgaben für die Armee kumuliert bis 2035 nicht bloss um 20 Milliarden aufstocken, sondern um 30 Milliarden.

Mit dem neuen Vorschlag müsste immer noch der Grossteil der Probleme mit Einsparung­en und Kürzungen in anderen Bereichen behoben werden. «Wir wollen realistisc­he Vorgaben machen, ohne den Spardruck zu stark zu reduzieren», sagt Benedikt Würth. Nach seinem Plan sollen die strukturel­len Defizite prioritär über Einsparung­en kompensier­t werden. Hier setzt er auf die externe Expertengr­uppe um den früheren Chef der Finanzverw­altung Serge Gaillard, die im Auftrag des Bundesrats Sparmöglic­hkeiten auslotet.

Ein erster Schritt

Bei der Armee würden trotz Steuererhö­hung immer noch etwa 2 Milliarden fehlen, um das Ziel der bürgerlich­en Parteien zu erreichen. Hier wären weitere Kürzungen nötig. Offen bliebe auch, wie es bei der Armee weitergeht, wenn die befristete Steuererhö­hung ausläuft.

Bei der AHV hingegen ist die Sache klarer: Hier muss der Bundesrat ohnehin spätestens 2026 eine neue Reform

Der Vorstoss stammt just aus den Kreisen, die den ersten Anlauf verhindert haben.

vorlegen, um die Finanzieru­ng der Renten ab 2030 sicherzust­ellen. Ohne erneute Mehreinnah­men wird das kaum gehen, weil die Ausgaben der AHV massiv steigen. Daneben soll die nächste Reform aber auch strukturel­le Elemente umfassen, vor allem eine Erhöhung des Rentenalte­rs.

Fazit: Der neue Vorschlag wäre ein erster Schritt – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ob er gelingt, hängt primär von FDP und SVP ab. Beide haben Steuererhö­hungen bisher ausgeschlo­ssen. Zumindest aus der FDP sind aber vermehrt kompromiss­bereite Stimmen zu hören, die sich eine temporäre Erhöhung der Mehrwertst­euer vorstellen können. Die Fraktion führte am Dienstag eine Aussprache zur Finanzlage.

Präsident Thierry Burkart fasst die Position so zusammen: «Wir wollen zuerst sehen, dass wirklich gespart wird, bevor wir bereit sind, über eine Steuererhö­hung zu reden.» Langsam scheint Bewegung in die Sache zu kommen.

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PETER KLAUNZER / KEYSTONE In die Frage der Armeefinan­zierung kommt neue Bewegung.

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