Israel tötet hohen Kommandanten des Hizbullah
Die Miliz antwortet mit 215 Raketen
Taleb Abdullah hatte sich offenbar sicher gefühlt, als er sich am Dienstagabend mit drei weiteren Kämpfern in einem Privathaus im südlibanesischen Dorf Jouaia traf. Doch kaum sass der hochrangige Hizbullah-Kommandant mit seinen Kampfgenossen beisammen, traf eine israelische Rakete das Gebäude – und tötete die Männer.
Tags darauf bekam Abdullah sein Ehrenbegräbnis in der vom Hizbullah beherrschten südlichen Vorstadt von Beirut. Hunderte Anhänger der von Iran unterstützen Schiitengruppe erwiesen ihm das letzte Geleit und schworen Rache. «Wir werden unsere Operationen verstärken», drohte der Hizbullah-Kader Hachem Safieddine. «Unsere Feinde werden die Söhne des Widerstands kennenlernen.»
Ein harter Schlag
Abdullah war offenbar das bisher ranghöchste Hizbullah-Mitglied, das von Israel seit Kriegsbeginn getötet wurde. Die Schiitenmiliz hatte schon am 8. Oktober zwecks Unterstützung der Hamas in Gaza einen Grenzkrieg gegen Israel vom Zaun gebrochen. Laut israelischen Militärangaben war Abdullah ein wichtiger Frontkommandant der Truppe im südlichen Grenzgebiet gewesen. Vom Hizbullah wurde er bloss als «Kommandant» bezeichnet. Doch die gezielte Tötung trifft die Miliz offenbar hart.
Am Mittwoch schoss die SchiitenTruppe daher die bisher grösste Raketen-Salve auf Israel ab. Beim Angriff mit 215 Flugkörpern, die selbst auf weiter entfernte israelische Orte wie Tiberias oder Rosh Pina niedergingen, wurde offenbar niemand verletzt. Allerdings brachen in Nordisrael mehrere Waldbrände aus. Die jüngste Runde an Schlägen und Gegenschlägen ist ein weiteres Anzeichen dafür, dass die Lage an Israels Nordgrenze ausser Kontrolle zu geraten droht. Während Monaten hatten sich Israels Armee und der Hizbullah dort fast routinemässig bekämpft: Von Libanon aus wurden Panzerabwehrwaffen und Raketen auf verlassene Orte oder Militärstützpunkte abgeschossen. Israel reagierte mit Gegenfeuer und gezielten Tötungen von Hizbullah-Kämpfern.
Militärs verlieren die Geduld
Zuletzt nahmen die Kämpfe jedoch an Intensität zu. So kam es vergangene Woche zu grossen Waldbränden in Nordisrael, nachdem Hizbullah-Raketen dort niedergegangen waren. Zudem setzt die Schiiten-Miliz, die zuvor vor allem altes Kriegsmaterial verschossen hatte, neuerdings auf modernere Waffen. Unter anderem schoss sie mehrere israelische Drohnen ab und griff über Südlibanon operierende Kampfflugzeuge mit Flugabwehrwaffen an.
Nun fürchten Beobachter einmal mehr, dass der schwelende Konflikt zu einem offenen Krieg ausarten könnte. Denn Israels Militärs und Politiker verlieren langsam die Geduld mit dem Hizbullah. Die Schiitenmiliz, die in den Gefechten über 300 Kämpfer verloren hat, betont zwar, dass sie an einem offenen Krieg kein Interesse habe, dreht jedoch an der Eskalationsschraube. Warum der Hizbullah gerade jetzt die Konfrontation sucht, ist unklar. Möglicherweise bekam die Organisation grünes Licht von ihrem iranischen Verbündeten, der sie mit Waffen und Geld versorgt. Oder aber der Hizbullah versucht, sich eine bessere Position in möglichen zukünftigen Verhandlungen zu sichern.
Zuletzt hatten israelische Politiker eine härtere Gangart gefordert. Ihre Generäle bringt das in eine schwierige Lage. Suchen sie den offenen Krieg, müssen sie mit schweren Zerstörungen in der Heimat rechnen, da der Hizbullah über mehr als hunderttausend Raketen verfügt. Bleiben sie hingegen passiv, zeigen sie Schwäche und laden die Miliz womöglich dazu ein, noch aggressiver aufzutreten.