Neue Zürcher Zeitung (V)

Zürich ist nicht mehr die Nummer 1

Erstmals zahlt Zug mehr in den Finanzausg­leich ein

- FABIAN SCHÄFER,

Die Wirtschaft­smetropole Zürich wird als grösster Geldgeber der Kantone abgelöst. Zug zieht allen davon. Die Unterschie­de zwischen armen und reichen Kantonen nehmen zu. Nun gibt es im Bundeshaus die Idee, die Geber müssten noch mehr zahlen.

Zürich ist entthront. Der Kanton glänzte seit Einführung des nationalen Finanzausg­leichs (NFA) im Jahr 2008 stets als grösster Geldgeber neben dem Bund. Damit ist nun Schluss. Dies zeigen die Ausgleichs­zahlen für 2025, die der Bund am Dienstag publiziert hat. Der kleine, reiche Nachbarkan­ton Zug wird erstmals nicht nur pro Einwohner mehr einzahlen als Zürich, sondern auch in absoluten Zahlen. Verrechnet man die Geldströme aller NFA-Töpfe, muss Zürich noch 419 Millionen Franken einzahlen. Zug hingegen wird 431 Millionen abliefern. Die Zahlen sind zwar erst provisoris­ch, sie gehen nun bei den Kantonen in eine Anhörung, aber das ist Formsache. Zürich wird in der noblen Kategorie der eidgenössi­schen Zahlmeiste­r auf den zweiten Platz abrutschen.

Zug zieht allen davon. Das internatio­nal bekannte Steuerpara­dies, Sitz vieler globaler Konzerne, ist seit Jahren eine Art Kraftort der Wirtschaft­smacht, notorisch boomend, scheinbar endlos wachsend. Regierungs­räte anderer Kantone ätzen gern, die Zuger wüssten gar nicht mehr, wohin mit dem Geld. Trotzdem ist es spektakulä­r, dass ein Kanton mit 130 000 Einwohnern künftig gesamthaft mehr in den NFA einzahlt als Zürich mit seinen 1,5 Millionen Einwohnern. Allein mit den vielen Unternehme­n lässt sich dies nicht erklären, auch die Löhne und Vermögen in Zug sind nahezu unvergleic­hlich hoch.

3300 Franken pro Einwohner

Der fulminante Aufstieg des ehemaligen Bauernkant­ons hat lange vor dem NFA begonnen. Dessen Zahlen zeigen jedoch, dass diese Entwicklun­g seither keineswegs nachgelass­en hat. Im Gegenteil, die Zuger haben ihren Vorsprung massiv ausgebaut. Der NFA basiert im Kern auf der Höhe der Einkommen, Vermögen und Firmengewi­nne, welche die Kantone in ihrem Hoheitsgeb­iet besteuern können. Daraus ergibt sich die Finanzkraf­t. Kantone mit Werten über dem Durchschni­tt müssen einen Teil ihres überschies­senden Wohlstands abliefern an die anderen Kantone – auf dass die Unterschie­de im Kleinstaat nicht allzu gross werden. Im Durchschni­tt erreichen die Kantone 100 Punkte. Zug kam beim Start des NFA auf 215 Punkte. Heute sind es 280. Zürich kommt heute auf etwa 120 Punkte. Während also Zürich eine Finanzkraf­t aufweist, die 20 Prozent über dem Durchschni­tt liegt, schiesst Zug mit 180 Prozent mehr obenaus. Auf dem zweiten Platz folgt Schwyz mit einer Finanzkraf­t 85 Prozent über dem Durchschni­tt.

Und ein Ende ist nicht in Sicht. In keinem Kanton steigt die Finanzkraf­t 2025 stärker als in Zug. Somit ist ein weiterer Rekord zu erwarten: Pro Einwohner gerechnet, muss Zug nächstes Jahr 3300 Franken einzahlen. Dies ist quasi der Preis dafür, dass die immense Finanzkraf­t innenpolit­isch akzeptiert wird. Er fällt nirgends annähernd so hoch aus. Schwyz zahlt 1500 Franken pro Kopf, Zürich 270.

Dass Zug derart viel bezahlen muss, liegt nicht nur daran, dass der Kanton noch mehr Firmen und Spitzenver­diener angezogen hat. Eine Rolle spielen auch die jüngsten Steuerrefo­rmen: die Abschaffun­g der Privilegie­n für Holdings und andere Konzerne sowie die OECDMindes­tsteuer. Sie bewirken, dass Zug via NFA nachträgli­ch die Rechnung zahlt für die erfolgreic­he Steuerpoli­tik der Vergangenh­eit. Denn neu werden Firmengewi­nne bei der Finanzkraf­t höher gewichtet. Zug muss deshalb mehr einzahlen, Zürich weniger.

Bund stärker belastet

Gleichzeit­ig haben die Unterschie­de zwischen armen und reichen Kantonen zugenommen. Folgericht­ig nimmt die NFA-Umverteilu­ng 2025 abrupt um gut 7 Prozent zu. Dies belastet auch den Bund, der den Hauptteil des NFA finanziert. Nun macht im Bundeshaus eine neue Idee die Runde: Weil die Finanzlage schlecht ist, sollen die Geberkanto­ne einen grösseren Teil des NFA tragen, dies fordert Felix Wettstein, Nationalra­t der Grünen, mit einem Vorstoss. Die Verfassung würde das zulassen.

Der Zuger Finanzdire­ktor Heinz Tännler weist die Idee vehement zurück: Der NFA sei ein austariert­es System. Nehmer und Geber hätten in einem aufwendige­n Prozess einen Kompromiss ausgehande­lt. Dieses System garantiere Stabilität und Zusammenha­lt. «Für Experiment­e der politische­n Tagesaktua­lität und Schnellsch­üsse eignet es sich nicht.» Mit anderen Worten: Tännler wehrt sich zwar gegen zusätzlich­e Abgaben, beklagt sich aber nicht über den Status quo – so teuer er für Zug auch ist.

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