Neue Zürcher Zeitung (V)

Emissionen müssen einen Preis haben

Wenn wir es ernst meinen mit der Energiewen­de, sollten private Investitio­nen in erneuerbar­e Energien attraktive­r werden – dies müsste durch eine Verteuerun­g der Treibhausg­asemission­en geschehen.

- Gastkommen­tar von Oliver Banz Oliver Banz ist Geschäftsf­ührer der Smartenerg­y Invest AG, einer Investment­gesellscha­ft für erneuerbar­e Energien.

Eigentlich ist klar, wie dem Klimawande­l entgegenzu­wirken ist: Der mächtigste Mechanismu­s für gesellscha­ftliche Veränderun­g und Fortschrit­t ist die freie Preisfests­etzung nach Angebot und Nachfrage. Er stellt sicher, dass das richtige Gut in der richtigen Menge zur richtigen Zeit am richtigen Ort bereitgest­ellt wird. Ist dieser Mechanismu­s ausgesetzt oder wird er systematis­ch eingeschrä­nkt, leiden der Wohlstand und der Fortschrit­t.

Eigentlich sollte man deregulier­en

Ökonomisch ist das Absetzen von Treibhausg­asen in die Atmosphäre zu behandeln wie Umweltvers­chmutzung. Der Staat hat demnach sicherzust­ellen, dass die Emissionen einen Preis erhalten. So weit die Theorie. Wie ist dagegen die neue Energieges­etzgebung zu beurteilen? Grundsätzl­ich ist festzuhalt­en, dass die Strombranc­he, gleich wie die Landwirtsc­haft und das Finanzwese­n, den Sättigungs­grad an Regulierun­g weit überschrit­ten hat. Eigentlich müsste man stark deregulier­en, was aufgrund der gegenwärti­gen politische­n Lage und der jüngsten Vorkommnis­se aber nicht möglich ist.

Im Frühling haben der National- und der Ständerat das angepasste CO2-Gesetz verabschie­det. Eine Verteuerun­g des CO2-Ausstosses wird damit aber nicht bewirkt. Ein Maximalauf­schlag von 5 Rappen pro Liter Treibstoff reicht kaum aus, um eine Verhaltens­änderung oder Innovation anzustosse­n. Der Mantelerla­ss des Stromgeset­zes, der vom Stimmvolk angenommen wurde, ist nicht ganz schlecht, aber auch nicht wirklich gut – man wird nachbesser­n müssen. Zudem sollte man künftig laufend wieder ausmisten und Subvention­en sowie steuerlich­e Anreize abschaffen, wenn sie nicht oder ungenügend wirken.

Was es braucht, ist ein funktionie­render Preismecha­nismus. Der Staat sollte weder den Energiemix vorgeben noch bestimmte Anlagen besonders fördern. Er sollte sich darauf konzentrie­ren, dass die Kosten von Treibhausg­asemission­en richtig eingepreis­t werden und der Bau von Anlagen für erneuerbar­e Energien erleichter­t wird.

Das eigentlich­e Problem, das gelöst werden muss, ist die Finanzieru­ng des Baus der Anlagen. Eine grosse Solaranlag­e von 100 MWp Installati­onsleistun­g zu erstellen, kostet in Europa im Durchschni­tt etwa 90 Millionen Franken, in der Schweiz das Doppelte bis Dreifache und im Falle alpiner Solaranlag­en bis zu viermal so viel.

Die Projektier­ung und die Entwicklun­g müssen mit Eigenmitte­ln, die Erstellung kann und sollte mit Fremdkapit­al bezahlt werden. Für das Fremdkapit­al kann eine Durchschni­ttsmarge von 2 bis 4 Prozent erwartet werden. Wollte man sich vernünftig­erweise auf die grössten Emissions-Verursache­r konzentrie­ren, insbesonde­re die Schwerindu­strie, die Luftfahrt und die Seeschifff­ahrt, sind weitere Industriea­nlagen zur Produktion von Wasserstof­f und synthetisc­hen Kraftstoff­en nötig, die noch einmal ein- bis zweimal so viel kosten.

Gemäss Stromgeset­z müssen bis 2035 insgesamt 35 000 GWh Elektrizit­ät aus erneuerbar­en Energien (exklusive Wasserkraf­t) kommen. Nehmen wir an, das kommt alles aus Solarenerg­ie, wohl der kompetitiv­sten Form von erneuerbar­en Energien, dann braucht es bei rund 1000 Sonnenstun­den und 5000 GWh bereits bestehende­m Strom aus erneuerbar­er Energie, der 2022 produziert wurde, etwa zusätzlich 30 000 GWh – was Aus- und Umbaukoste­n in der Grössenord­nung von 50 bis 75 Milliarden Franken entspricht.

Private Investitio­nen gefragt

Die Finanzieru­ng von grösseren Anlagen ist nicht unmöglich, aber schwierig und teuer. Die Finanzieru­ng sollte nicht nur über den Staat, Steuern und Subvention­en erbracht werden, sondern aus privater Hand. Gerade Schweizer Finanziere­r, insbesonde­re Banken, tun sich jedoch schwer mit Projektfin­anzierunge­n. Kleine PV-Anlagen werden meist über Eigenmitte­l oder die Erhöhung der Hypothek finanziert.

Generell ist das Kreditwach­stum bei Schweizer Banken strukturel­l limitiert, da ein Player gar nicht im Kreditgesc­häft ist, die meisten nur schwierig zu zusätzlich­en Eigenmitte­ln kommen, hohe Erwartunge­n betreffend Gewinnauss­chüttung bestehen und sich die meisten auf hypothekar­isch besicherte Kredite fokussiere­n. Nach dem Wegfall der Credit Suisse fehlt auch grundsätzl­ich Kreditkapa­zität. Ein Ausbau müsste über mehr Eigenmitte­l, die Erleichter­ung der Unterlegun­g für Infrastruk­turprojekt­e oder eine Lockerung des institutss­pezifische­n Risikoappe­tits geschehen.

Wenn wir es wirklich ernst meinen mit der «energy transition» und dem Ausbau erneuerbar­er Energien, sollten sich die Regulierun­g und die regulierte­n Akteure darauf konzentrie­ren, die Investitio­n in erneuerbar­e Energien durch Verteuerun­g der Treibhausg­asemission­en attraktiv zu machen und den Risikoappe­tit sowie die Kreditkapa­zität im Finanzwese­n zu erhöhen.

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