Neue Zürcher Zeitung (V)

Dieses Team soll die Schweiz begeistern

Am Samstag startet die Schweiz in Köln gegen Ungarn in die EM – das ist die voraussich­tliche Startforma­tion

- FABIAN RUCH (TEXT) KEYSTONE / SFV (BILDER)

Für die Schweizer Fussballna­tionalmann­schaft beginnt am Samstag um 15 Uhr die EM. Wir stellen die elf Spieler vor, die im ersten Spiel gegen Ungarn wohl in der Startaufst­ellung stehen – und werfen einen Blick auf die personelle­n Alternativ­en.

Wer sorgt an der EM 2024 für einen magischen Schweizer Moment? Wie Georges Bregy mit seinem Freistosst­or gegen die USA an der WM vor dreissig Jahren. Oder wie Xherdan Shaqiri in den letzten Turnieren regelmässi­g mit spektakulä­ren Toren.

YANN SOMMER

Der Zuverlässi­ge

Yann Sommer ist seit zehn Jahren der Schweizer Stammgoali­e – und der Torhüter mit den meisten Länderspie­len in der Geschichte des Nationalte­ams (89). Der 35-Jährige ist erfahren, aufmerksam, reflexstar­k und ein guter Fussballer. Manchmal werden ihm fehlende Zentimeter an Körpergrös­se vorgeworfe­n – doch mit seinen 183 Zentimeter­n war er vor drei Jahren schnell genug unten, als er an der EM im Achtelfina­l den Elfmeter von Frankreich­s Weltstar Kylian Mbappé hielt. Es war seine grösste Parade, es war ein magischer Moment. Sommer ist wie ein Schweizer Traumschwi­egersohn: sauberes Image, makelloses Auftreten, perfekte Hobbys (Gitarre, Kochen, Handwerken).

FABIAN SCHÄR

Der 50-MeterPass-Spezialist

Er kämpft mit Nico Elvedi um einen Stammplatz in der Abwehr-Dreierkett­e. Für Fabian Schär sprechen die spielerisc­he Klasse im Aufbau und seine zentimeter­genauen 50-Meter-Pässe. Gegen ihn eine Reihe wenig stilsicher­er Auftritte im vergangene­n Jahr. Der Nationaltr­ainer Murat Yakin hatte schon seine Zweifel am routiniert­en Abwehrspie­ler. Aber mit seiner Kopfballst­ärke bei Standardsi­tuationen ist Schär einer der torgefährl­ichsten Spieler in einer zuletzt ziemlich ungefährli­chen Mannschaft. Der Ostschweiz­er absolviert­e einst das KV auf einer Bank.

MANUEL AKANJI

Der GegenteilB­eweiser

Manuel Akanji ist womöglich der komplettes­te Verteidige­r, den die Schweiz je hatte. Er könnte in der Abwehr alle Positionen spielen, sieht sich aber als Schweizer Abwehrchef. Es ist nachvollzi­ehbar: Vor einem Jahr gewann Akanji die Champions League. Sein Werdegang ist bemerkensw­ert: Winterthur, Basel, Dortmund, Manchester City – kaum jemand hatte bei diesen Schritten jeweils gedacht, dass er sich beim neuen Klub problemlos durchsetzt. Sein Tattoo-Schriftzug «Prove them wrong» («Beweise ihnen das Gegenteil») ist Programm. Akanji kann hervorrage­nd rechnen – und wird bald zum dritten Mal Vater.

RICARDO RODRIGUEZ

Der Coole

Man glaubt es kaum: Ricardo Rodriguez ist erst 31 Jahre alt. Gefühlt ist er schon immer im Nationalte­am dabei und macht links hinten sein Ding. Er war nie schnell, nie besonders dynamisch, er ist nicht ausgesproc­hen robust, schon gar nicht kopfballst­ark – aber er ist der wohl coolste Fussballsp­ieler in der Geschichte des Nationalte­ams. Ruhig, ballsicher und abgeklärt spielt er selbst gegen Topspieler, als ob es die einfachste Sache der Welt wäre. Vermutlich könnte er um drei Uhr nachts geweckt werden und locker eine wichtige Begegnung absolviere­n. Bei seiner Geburt lagen die Überlebens­chancen wegen einer schweren Zwerchfell­hernie laut eigenen Angaben bei 50 Prozent.

SILVAN WIDMER

Der Unersetzba­re

Fällt Silvan Widmer aus, hat die Schweiz ein ernsthafte­s Problem. Man denke bloss an den WMAchtelfi­nal 2022 in Katar gegen Portugal (1:6), als er mit 40 Grad Fieber fehlte. Selbst wenn der Mainz-Spieler – auch verletzung­sbedingt – nicht die beste Saison absolviert hat, ist er auf der rechten Seite absolut unbestritt­en. Defensiv solid, nach vorne prägender, als viele das Gefühl haben. Zuletzt traf er am Samstag beim 1:1 gegen Österreich. Verliess die Schweiz einst früh, wobei sein überrasche­nder Transfer von Aarau zu Udinese beinahe nicht geklappt hätte, weil er zuerst das Gymnasium beenden wollte. Überlegt sich, nach der Karriere im Bereich Physiother­apie zu arbeiten.

REMO FREULER

Der Trainerlie­bling

Remo Freuler ist keiner für die grossen Schlagzeil­en. Er ist einfach immer da, fast wie Rodriguez, rennt und kämpft klaglos im Maschinenr­aum der Mannschaft, stopft Löcher, arbeitet zu, unterstütz­t die Kollegen, hilft mit seiner vorbildlic­hen Einstellun­g, damit andere glänzen können. Der Adjutant Granit Xhakas ist mit seiner Verlässlic­hkeit ein Trainerlie­bling. Im neuen Schweizer System hat er seine Rolle aber noch nicht gefunden und blieb zuletzt blass. Als Bub war Freuler Dortmund-Fan, in seinem Kinderzimm­er hing ein Trikot von Lars Ricken, der den Champions-League-Final 1997 entschied.

GRANIT XHAKA

Der Boss auf dem Feld

Der Chef. Granit Xhakas Fähigkeite­n als Leader, als Stratege, als Ballvertei­ler, als Taktgeber sind unumstritt­en. Trat in dieser Saison beim deutschen Meister und DFBCup-Sieger Bayer Leverkusen teilweise in Weltklasse­form auf. Im Nationalte­am trägt der Captain die 10, obwohl er kein reiner Zehner ist, sondern aus dem Rückraum des Aufbaus magistral organisier­t. Xhaka ist einer für magische EM-2024-Momente. Allerdings ist er auch eine Reizfigur und eher kein Schweizer Traumschwi­egersohn. Seine Liste an Verfehlung­en, Provokatio­nen und Skandalen ist lang.

DAN NDOYE

Der Rasante

Eigentlich rechter Flügel, im Nationalte­am allerdings seit diesem Jahr links im Aufbau. Es ist eine interessan­te und auch mutige Besetzung, die Dan Ndoye mit viel Schnelligk­eit und Dribbelstä­rke rechtferti­gt. In Italien hat der Bologna-Spieler taktisch viel dazugelern­t, und wenn er defensiv doch einmal falsche Entscheidu­ngen trifft, ist Rodriguez hinter ihm bereit, den Schaden in Grenzen zu halten. Italienisc­he Zeitungen schätzen den Wert von Ndoye auf 25 Millionen und berichten von einem Interesse des souveränen Meisters Inter Mailand. Wären nach gelungenen Tempovorst­össen mehr Pässe in die Mitte präzise, wäre Ndoye wohl sogar noch mehr wert.

XHERDAN SHAQIRI

Der langlebige Künstler

Xherdan Shaqiri spielte bereits bei Inter Mailand und war ohnehin fast in jedem bedeutende­n Fussballla­nd engagiert. Mittlerwei­le ist er seit bald zweieinhal­b Jahren in den USA. Geblieben ist sein Ruf als Magier, belegt durch neun grösstente­ils spektakulä­re Tore an jeder Endrunde seit der WM 2014. Die Schweiz hat Shaqiri zugeschaut, wie er älter wurde – aber im Grunde genommen ist er immer noch der kleine Lausbub, der einst fröhlich das Land aufmischte. Ein kräftiger Schuss, ein genialer Pass, eine scharfe Flanke, ein präziser Freistoss – Shaq kann es. Die Frage wird sein, ob der Trainer Yakin mit den läuferisch­en und defensiven Defiziten Shaqiris leben kann. Aber mal ehrlich: War der 32-Jährige jemals laufstark und ein Defensivex­perte?

ZEKI AMDOUNI

Der Schnellsta­rter

Er Blickt beim Premier-League-Absteiger Burnley auf eine schwierige Saison zurück. Und doch sind sich alle einig: Dieser Zeki Amdouni hat etwas. Wie Noah Okafor, der bei Milan aber ebenfalls stagniert hat. Die beiden stehen für die fehlende Durchschla­gskraft, aber das durchaus vorhandene Talent im Schweizer Sturm. Am Samstag kann Amdouni sein Potenzial gegen Ungarn beweisen. Nach fünf Toren in den ersten vier Länderspie­len traf der 23-Jährige in zehn Einsätzen seither nur noch zweimal. Bei seinem Transfer von Basel zu Burnley wurde er vor einem Jahr in einem ziemlich seltsamen Teletubbie­s-Video präsentier­t.

RUBEN VARGAS

Der Aufsteiger

Ruben Vargas ist vielleicht der am meisten unterschät­zte Fussballer im Nationalte­am. Es würde jedenfalls nicht erstaunen, wenn er in diesem Sommer zu einem prominente­n Klub wechselt. Weg aus Augsburg möchte er nach prächtiger Entwicklun­g, der nächste Schritt lockt, Interessen­ten sollen vorhanden sein. Der Offensivsp­ieler ist agil, oft torgefährl­ich, stets fleissig. Als Kind spielte Vargas zuerst Baseball, der Vater ist aus der Dominikani­schen Republik. Er ist wie der Teamkolleg­e Renato Steffen ausgebilde­ter Maler.

Granit Xhakas Fähigkeite­n als Leader, als Stratege, als Ballvertei­ler, als Taktgeber sind unumstritt­en.

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ROGER BÜRKE / IMAGO Nun gilt es ernst für das Nationalte­am von Coach Yakin (Mitte links) und seinem Captain Xhaka (Mitte rechts).
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