Die Aufsichtspflicht des Parlaments
Gemäss Art. 169 der Bundesverfassung üben National- und Ständerat die Oberaufsicht aus über den Bundesrat und die Bundesverwaltung, die eidgenössischen Gerichte und die anderen Träger von Aufgaben des Bundes. Die parlamentarische Kontrolle ist Teil der Staatsleitung und erfüllt wichtige Funktionen. Sie hat gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern eine vertrauensfördernde Wirkung, schafft Transparenz, beseitigt Mängel und kann Schäden sowie künftige Fehler verhindern. Vollzogen wird die Oberaufsicht durch die Geschäftsprüfungskommissionen der beiden Kammern. Eine aktuelle Analyse ergibt, dass die Untersuchungen der GPK zu lange dauern und zu wenig Wirkung zeigen. Dazu gibt es verschiedene Beispiele aus letzter Zeit. Nach dem Postauto-Skandal wurden praktisch keine Korrekturmassnahmen beschlossen.
Die Untersuchung der Indiskretionsaffäre im Departement Berset/«Blick» während der Pandemie erstreckte sich zu lange. Das Gleiche gilt für die Abklärungen der PUK betreffend das Ende der Credit Suisse. Nicht gelöst sind auch die technischen Probleme der Luftraumüberwachung durch Skyguide oder die Störungen bei der Versorgung mit Arzneimitteln. Die Bundesversammlung erfüllt ihre Kontrollfunktion zu wenig effektiv, und die Resultate sind ungenügend. Erforderlich sind wirksame Verbesserungen. Organisatorisch wären verschiedene Massnahmen zu überlegen: Personell muss das GPK-Sekretariat gegenüber der immer grösser werdenden Verwaltung deutlich aufgestockt werden. Zudem sind die GPK der beiden Räte zu einer einzigen Aufsichtskommission zusammenzuschliessen. Dadurch können Doppelspurigkeiten abgebaut werden, und es entfallen Zuständigkeits- sowie Koordinationsprobleme, was die Verfahren vereinfacht und beschleunigt.
Im Weiteren ist die Zusammenarbeit der GPK mit der Geschäftsprüfungsdelegation, den Finanzkommissionen, der Finanzdelegation und der eidgenössischen Finanzkontrolle auszubauen. Die Funktion der Oberaufsicht wird optimiert, wenn sich die GPK auf die Informationen der übrigen Kontrollorgane des Parlaments abstützen können. Ebenfalls häufiger beizuziehen ist die parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK). Diese Fachstelle hilft, die Aufsicht professioneller, systematischer, wirkungsvoller und mit wissenschaftlichen Arbeitsmethoden wahrzunehmen. Neben organisatorischen Verbesserungen muss das parlamentarische Selbstverständnis der Oberaufsicht erweitert werden.
Zwischen Kontrolle und Gesetzgebung des Parlaments besteht ein enger Zusammenhang. Die im Rahmen der parlamentarischen Aufsicht festgestellten Mängel können Grundlagen liefern für Korrekturen durch die Gesetzgebung. Ideales Beispiel ist die alljährlich durchzuführende Oberaufsicht der GPK über die ausgelagerte Post und die SBB als spezialgesetzliche Aktiengesellschaften. Weil der Bund Alleineigentümer von Post und SBB ist, tragen Bundesrat und Parlament die Verantwortung für diese Unternehmen.
Die Kontrolle der Rechtmässigkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmässigkeit durch die GPK ergibt wichtige Hinweise für die strategische Ausrichtung von Post und SBB. Dabei geht es insbesondere um eine klare Definition des Leistungsauftrags als Service public und um die Tarifgestaltung. Eine vertiefte und effiziente Kontrolle durch die Bundesversammlung ist zielführend für eine zukunftsgerichtete Staatstätigkeit. Die parlamentarische Oberaufsicht muss deshalb aufgewertet werden.
Die Bundesversammlung erfüllt ihre Kontrollfunktion nicht effektiv genug.