Deutschland behält Grenzkontrollen noch länger bei
Die Massnahme zur Begrenzung der irregulären Einreise zeigt Wirkung
Die stationären Kontrollen an den deutschen Landgrenzen zur Schweiz sowie zu Polen und Tschechien sind erneut verlängert worden. Das teilte das deutsche Innenministerium am Mittwoch mit. Die Verlängerung um sechs Monate bis Mitte Dezember dieses Jahres sei bei der Europäischen Kommission in Brüssel angemeldet worden.
«Ziel ist weiterhin, Schleusungskriminalität zu bekämpfen und die irreguläre Migration zu begrenzen», so das Innenressort. Auch die bereits seit 2015 bestehenden stationären Kontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze seien bis Mitte November verlängert worden.
Die innenpolitisch lange umstrittene Massnahme zeigt offenbar Wirkung. Insgesamt sind laut Ministerium seit Ausweitung der Kontrollen auf die Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz Mitte Oktober 2023 rund 37 600 unerlaubte Einreisen festgestellt worden. 23 000 Personen sind dadurch an der Einreise gehindert worden oder mussten ihren Aufenthalt in Deutschland beenden. Während im September 2023 noch etwa 21 000 unerlaubte Einreisen gezählt wurden, sind diese im April auf etwa 7500 zurückgegangen.
920 Schlepper festgenommen
Durch die Kontrollen konnten nach Ministeriumsangaben auch etwa 920 Schlepper von irregulären Migranten festgenommen werden. Viele Migranten, die in Deutschland ein Asylgesuch stellen wollen, nehmen die Dienste von professionellen Schleppern in Anspruch. Laut Schätzungen soll dies 2022 bei jedem vierten nach Deutschland eingereisten Asylbewerber der Fall gewesen sein. Das Augenmerk der Polizei liegt deshalb darauf, Schleppernetzwerke zu zerschlagen. Durch die flexible Handhabung der Grenzkontrollen soll verhindert werden, dass Schlepper auf andere Routen ausweichen können.
Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser hatte sich lange geweigert, bei der EU Grenzkontrollen anzumelden. Sie befürchtete schädliche Auswirkungen auf den freien Grenzverkehr im Schengenraum. Auch war aus ihrer Sicht der zur Durchführung von Grenzkontrollen nötige Personalaufwand bei der Polizei unverhältnismässig gross.
Stattdessen setzte die Sozialdemokratin auf eine Ausweitung der sogenannten Schleierfahndung im grenznahen Bereich. Auch verstärkte sie die Zusammenarbeit mit Deutschlands Anrainerstaaten, um Schlepper zu bekämpfen. Weil im Herbst vergangenen Jahres der Migrationsdruck über Polen und Tschechien massiv zugenommen hatte, lenkte Faeser schliesslich ein. Jetzt lobte sie die Kontrollen. «Unsere Massnahmen wirken», sagte Faeser.
Bei Grenzkontrollen aufgegriffene Migranten ohne gültigen Aufenthaltstitel für Deutschland werden allerdings nur dann zurückgewiesen, wenn gegen sie ein Einreiseverbot vorliegt oder sie kein Schutzgesuch stellen. Wer deutlich macht, dass er in Deutschland Asyl beantragen will, wird nicht an der Einreise gehindert. Dies gilt auch dann, wenn der Migrant bereits in einem anderen EUStaat als Asylbewerber registriert ist.
Überstellungen scheitern oft
Deutschland prüft dann im Rahmen der Dublin-Richtlinie die Zuständigkeit. Rücküberstellungen scheitern in vielen Fällen allerdings daran, dass eigentlich zuständige EU-Staaten die Fristen verstreichen lassen. Der Asylbewerber geht dann in die Zuständigkeit der Bundesrepublik über.
Mit der erneuten Verlängerung könnte aus den anfangs auf zehn Tage begrenzten Massnahmen eine Dauereinrichtung werden. Das zeigt sich an der deutschen Grenze zu Österreich. Dort wird bereits seit 2015 stationär kontrolliert. Eigentlich sieht der Schengener Grenzkodex, der den freien Verkehr von Personen und Gütern in der EU regelt, keine dauerhaften Grenzkontrollen vor. Die Europäische Kommission duldet aber die Praxis der Mitgliedsstaaten.
Deutschland ist nicht das einzige EULand, das zur Begrenzung der Migration auf stationäre Grenzkontrollen setzt. Dänemark etwa überwacht seine Grenze zu Deutschland, Frankreich seine zu Italien. Die Niederlande haben jetzt angekündigt, ebenfalls an der Grenze zu Belgien und Deutschland zu kontrollieren. Damit könnte der Migrationsdruck auf Deutschland steigen. Polizeigewerkschafter fordern deshalb, dass sich die Bundesrepublik ihrerseits auf stationäre Kontrollen an der Grenze zu den Niederlanden vorbereitet.