Neue Zürcher Zeitung (V)

Entlassung­en an der Hotelfachs­chule

Die Zürcher Bildungsei­nrichtung hat anscheinen­d seit mindestens zehn Jahren Verluste eingefahre­n

- OLIVER CAMENZIND

Die Zürcher Hotelfachs­chule will noch in diesem Monat fünf Kündigunge­n ausspreche­n. Damit möchte die angeschlag­ene Bildungsei­nrichtung des Branchenve­rbands Gastrosuis­se Kosten sparen. Daneben würden «ergebnisof­fene Gespräche» mit möglichen Partnern geführt, wie aus einer kürzlich versendete­n Medienmitt­eilung hervorgeht. Es geht bei diesen Gesprächen vermutlich darum, wie die Schule mit reduzierte­r Beteiligun­g oder ganz ohne den Branchenve­rband weiterbetr­ieben werden könnte.

Weder die Hotelfachs­chule noch Gastrosuis­se wollten am Dienstag Nachfragen von Journalist­en beantworte­n. Die Verantwort­lichen bei Gastrosuis­se erklärten die Schieflage der Zürcher Hotelfachs­chule wie schon im April damit, dass die Nachfrage nach Ausbildung­en stetig gesunken sei – und zwar nicht bloss in Zürich, sondern im ganzen Land. Im April wurde publik, dass die Hotelfachs­chule ein Konsultati­onsverfahr­en einleitet.

Ein Teufelskre­is?

Gar nicht einverstan­den mit der offizielle­n Darstellun­g ist ein Mitglied des Lehrkörper­s der Hotelfachs­chule. Die Person, die anonym bleiben möchte, erzählt von Gesprächen zwischen Angestellt­en, der Schulleitu­ng und der Direktion von Gastrosuis­se. Beide Institutio­nen hätten dabei Fehler im Management eingestand­en, die über Jahre hinweg begangen worden seien. Dass die Nachfrage zurückgega­ngen sei, sei nur ein Teil der Wahrheit. Die Hauptursac­he dafür, dass die Hotelfachs­chule so schlecht dastehe, sind in den Augen der Lehrperson Fehler, die weit in der Vergangenh­eit lägen.

Insbesonde­re habe sich Gastrosuis­se beim Bau des Schulhause­s an der Seestrasse 141 übernommen. Das Gebäude wurde vor zehn Jahren mit grossem Stolz eröffnet. Es kostete 32 Millionen Franken und scheint seither Unsummen für den Unterhalt zu verschling­en. Um Geld zu sparen, habe man unter anderem beim Marketing gekürzt, wodurch die Schülerzah­len noch weiter zurückgega­ngen seien. So habe sich die Hotelfachs­chule in einen Teufelskre­is hineinmanö­vriert, aus dem sie jetzt herauszuko­mmen versuche, indem sie per sofort Leute entlasse. Doch die Lehrperson ist wenig zuversicht­lich, was die Zukunft der Hotelfachs­chule angeht: Sie geht davon aus, dass die Schule nach Abschluss der laufenden Lehrgänge schliesse.

Auffangges­ellschaft geplant

Die Branche reagiert konsternie­rt auf die neusten Entwicklun­gen an der Hotelfachs­chule: Für Christian Kramer ist es ein «Desaster», dass die Schule herunterge­fahren werde. Kramer ist Inhaber und Geschäftsf­ührer des Unternehme­ns Kramer Gastronomi­e, zu dem unter anderem das Restaurant Belvoirpar­k gehört. Dieses war einst der Vorzeigebe­trieb der Hotelfachs­chule.

Kramer hält eine anspruchsv­olle und angesehene Hotelfachs­chule am Standort Zürich für unabdingba­r. Er sagt: «Zürich hat eine weltweite Ausstrahlu­ng. Wir brauchen einen Ort, an dem Gastronome­n eine solide Ausbildung bekommen können. Sonst hängen uns andere Regionen ab.» Kramer glaubt aber nicht nur an die Notwendigk­eit der Hotelfachs­chule – sondern auch an deren Machbarkei­t. Er schaue sich derzeit nach Partnern um, mit denen er eine Auffangges­ellschaft gründen wolle: «Ich bin davon überzeugt, dass die Hotelfachs­chule gerettet und nutzbringe­nd weitergefü­hrt werden kann.»

Einen ersten Mitstreite­r hat der Gastronom Christian Kramer schon gefunden. Er heisst Anton Pfefferle und ist an der Hotelfachs­chule ein bekanntes Gesicht. Er war 37 Jahre lang dort tätig, bis 2021, zuletzt als Verantwort­licher für die Ausbildung. Dann ging er wegen Differenze­n mit der Schulleitu­ng in Frühpensio­n. Er kann sich gut vorstellen, sich mit seinem Wissen aktiv in die Entwicklun­g neuer Ausbildung­sangebote für die Gastronomi­e einzubring­en.

Wie eine solche neue Hotelfachs­chule aussehen und funktionie­ren könnte, ist derzeit noch offen. Aber sicher ist eines: «Es wird eine Nonprofito­rganisatio­n», sagt Christian Kramer.

 ?? KARIN HOFER / NZZ ?? An der Hotelfachs­chule Zürich werden Köchinnen und Serviceleu­te zu perfekten Gastgebern ausgebilde­t.
KARIN HOFER / NZZ An der Hotelfachs­chule Zürich werden Köchinnen und Serviceleu­te zu perfekten Gastgebern ausgebilde­t.

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