Neue Zürcher Zeitung (V)

Parlament beendet Debatte in eigener Sache

Nebeneinkü­nfte sollen nicht näher offengeleg­t werden

- DAVID BINER, BERN

Das Parlament will weder den gläsernen Parlamenta­rier – noch einen halbnackte­n Daniel Jositsch. «Ich muss nicht alles – gewisserma­ssen bis zu meinen Unterhosen – zeigen, nur weil ich Mitglied dieses Parlaments bin», sagte der Zürcher SP-Ständerat. Damit waren am Dienstagvo­rmittag die Positionen im Ständerat klar – und die Bilder im Kopf. Es ging um Transparen­z und um die Frage: Müssen die Parlamenta­rier auch ihre Einkünfte aus Nebentätig­keiten offenlegen?

Jositsch bekämpfte die parlamenta­rische Initiative der Grünen, die die Transparen­zregeln für Parlamenta­rier hätte erweitern wollen. Auch innerhalb der SP-Fraktion war er – einmal mehr – isoliert. Neben den Grünen und der SP machten sich auch Teile der Mitte für die Vorlage stark.

Ein Albaner als Kronzeuge

Wäre es nach ihnen gegangen, hätte jedes Mitglied der eidgenössi­schen Räte fortan angeben müssen, seit wann es eine Nebentätig­keit ausführt und wie viel etwa es dafür bekommt. Auf diesem Weg sollten die Parlamenta­rier Transparen­z schaffen – vor allem bei ihren nebenamtli­chen Mandaten, die sie erst nach und eben oft auch wegen der jeweiligen Wahl ins Parlament und vor allem dank der darauf folgenden Zuweisung in die thematisch­e Kommission zugeschanz­t bekommen. In vielen Fällen liegt zumindest der Verdacht auf der Hand, dass die Parlamenta­rier sich vor allem für die Interessen ihres Nebenarbei­tgebers einsetzen – oder ihn zumindest nicht bekämpfen. Wer beisst schon die Hand, die einen mitfüttert.

Man müsse dieses Thema nicht aus der «Eigensicht», sondern aus der Perspektiv­e der Wähler betrachten, monierte die Urner Mitte-Ständeräti­n Heidi Z’graggen, die sich für die Vorlage einsetzte. «Für die Bevölkerun­g, aber auch für uns als Parlamenta­rier ist es doch von entscheide­nder Bedeutung, dass einerseits wir das Vertrauen der Bevölkerun­g haben und dass anderersei­ts die Bevölkerun­g Vertrauen in uns haben kann.»

Daniel Jositsch und die Mehrheit der zuständige­n Kommission hatten einen prosaische­ren Zugang zum Thema. Ihnen ging der Vorstoss, den die frühere Ständeräti­n der Grünen und heutige Parteipräs­identin Lisa Mazzone eingereich­t hatte, zu weit. Jositsch war es wichtig zu betonen, dass Nebenämter zum Schweizer Milizsyste­m gehörten. Er selbst weist neben seinem Beruf als Strafrecht­sprofessor sowie seiner Tätigkeit als Ständerat noch 17 weitere Mandate aus, 12 davon bezahlt.

Jositsch merkte in seinem Votum zwar an, dass dies im Ausland undenkbar sei. Aber sogar ein Vertreter des albanische­n Parlaments habe ihm gegenüber einmal zugestehen müssen, dass die Verquickun­gen im helvetisch­en Politsyste­m kein Nachteil sein müssen. «Plötzlich wurde der Albaner nachdenkli­ch und sagte, es sei eigentlich komisch, denn wir hätten ja eine wesentlich tiefere Korruption­srate als sie.» Vom imaginären Striptease bis hin zum wohlwollen­den Kronzeugen aus dem Balkan – Jositsch zog in der Debatte alle rhetorisch­en Register.

Mit Erfolg. Der Ständerat folgte dem zuständige­n Kommission­spräsident­en und lehnte die Initiative mit 22 zu 18 Stimmen (bei einer Enthaltung) ab. Damit beendet das Parlament vorläufig eine emotional geführte Transparen­zdebatte in eigener Sache. Angestosse­n hatte sie Beat Rieder bereits in der vorletzten Legislatur. Der Walliser MitteStänd­erat wollte sich und seinen Ratskolleg­en die Annahme von bezahlten Mandaten im direkten Zusammenha­ng mit dem Einsitz in einer entspreche­nden Kommission ganz verbieten. Rieder ging es vor allem um die zahlreiche­n Vertreter von Krankenkas­sen in den Gesundheit­skommissio­nen des Parlaments. Aus seiner Sicht verunmögli­chen sie Reformen im Gesundheit­swesen, die zu substanzie­llen Einsparung­en führen.

Die von zahlreiche­n Lobbygrupp­en bekämpfte Vorlage fand in den zuständige­n Rechtskomm­issionen beider Räte tatsächlic­h Mehrheiten, wurde aber später abgeschrie­ben. Das Bundesamt für Justiz hielt Rieders Vorstoss für verfassung­swidrig, weil er etwa die Wirtschaft­sfreiheit der Parlamenta­rier einschränk­e. Jüngst forderte der Lega-Nationalra­t Lorenzo Quadri, dass Parlamenta­rier, die im Sold von Krankenkas­sen stehen, offenlegen müssen, wie hoch die Entschädig­ungen tatsächlic­h sind. Auch dieser Ansatz schaffte eine erste Hürde im Nationalra­t, wurde dann aber im Ständerat versenkt.

Diskussion wird wiederkehr­en

Im vorliegend­en Vorschlag sah der grüne Ständerat Matthias Zopfi denn auch einen Gegenvorsc­hlag zu den bis dato gescheiter­ten Vorschläge­n. Der «Kompromiss» sei eine «liberale Lösung», die ohne Verbote und ohne zu einseitige Behandlung einer bestimmten Branche auskomme. Auch den Vorwurf, von den Parlamenta­riern immer mehr Transparen­z einzuforde­rn, wies Zopfi zurück. Die Räte hätten jeweils die Möglichkei­t, sich gegen neue Vorhaben zu stellen.

Die Debatte am Dienstag, so Zopfis Prognose, werde aber nicht die letzte bleiben. «Und ich kann Ihnen verspreche­n, dass wir diese Diskussion immer wieder führen werden – unabhängig davon, was wir heute machen –, immer wieder wird es weitergehe­nde oder weniger weitgehend­e Vorschläge geben.» Vorerst will der Ständerat seinen Mitglieder­n aber erst gar nicht weiter an die Wäsche.

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