Neue Zürcher Zeitung (V)

Ein später Hoffnungss­chimmer für GC

Das 1:1 im Barrage-Hinspiel gegen Thun ist Abbild der verkorkste­n Saison unter den neuen Besitzern

- STEPHAN RAMMING, ZÜRICH

Es läuft die vierte, fünfte Minute der Nachspielz­eit, als der Schiedsric­hter einen Funkspruch aus Volketswil bekommt. In dem Moment scheint für GC ein zarter Schimmer der Hoffnung über dem Letzigrund auf. Die Grasshoppe­rs liegen 0:1 in Rückstand nach mehr als 90 Minuten, in denen der FC Thun das deutlich bessere Team gewesen ist. Reifer, abgeklärte­r, cleverer. 19 Eckbälle durfte GC treten, kein einziger davon brachte Thuns Goalie Matic ernsthaft in Not. GC hat nie gezeigt, dass es «die eigene Welt der Barrage» angenommen hat.

Der Schiedsric­hter entscheide­t nach der Besichtigu­ng der Bilder aus Volketswil auf Handspenal­ty, weil der Ball im Kopfballdu­ell zwischen Bradley Fink und Marco Bürki an die Hand des Thuner Captains gesprungen ist. Giotto Morandi, während 90 Minuten ein Ärgernis auf zwei Beinen, gleicht aus. 1:1, immerhin. «Wir sind mit einem blauen Auge davongekom­men», sagte der GC-Captain Amir Abrashi nach dem Match. Am Freitag folgt das Rückspiel auf dem Thuner Kunstrasen. Der FC Thun hat in dieser Saison kein einziges Heimspiel verloren. Die Wahrschein­lichkeit ist bei Halbzeit nicht gesunken, dass GC mit zwei blauen Augen aus der Stockhorn-Arena abreist. Als Absteiger.

Der Schwebezus­tand zwischen Hoffen, Bangen und Zittern passt zu einem Klub, der seit dem Besitzerwe­chsel weiterhin auf der Suche nach sich selbst ist. Rekordmeis­ter? Tradition? Eine grosse, bessere Zukunft? So lauteten die Schlagwort­e, die immer wieder mit Ausrufezei­chen fielen, als die Vertreter des Los Angeles FC Ende Januar über ihre neue Filiale GC redeten. Fünf Monate später stehen hinter den Schlagwort­en Fragestatt Ausrufezei­chen.

Fortsetzun­g des Abwärtstre­nds

Was die wirtschaft­lich potenten Kalifornie­r mit ihrem Klub im fernen Switzerlan­d im Sinn haben, bleibt so verschwomm­en wie in der Zeit unter den chinesisch­en Besitzern der FosunGrupp­e. Die Vertreter des Los Angeles FC (LAFC) um die Präsidenti­n Stacy Johns und den Verwaltung­srat Larry Freedman liessen zu Beginn ihre hochfahren­den Ambitionen durchblick­en und redeten leutselig darüber. Doch seit dem Derby-Sieg und dem 8. Tabellenpl­atz Anfang Februar ging es nur noch abwärts. Die Aufbruchss­timmung im Umfeld und auf dem Rasen verpuffte wie aus einem Luftballon. Den grossen Worten folgten kleine Taten.

Das illustrier­t ein Ausschnitt aus der Statistik: Vor der Übernahme gelangen GC in den ersten 19 Spielen der Meistersch­aft durchschni­ttlich 1,4 Tore pro Match, das Torverhält­nis lautete +1. In den folgenden 14 Spielen unter dem LAFC traf GC bis zur Trennung der Tabelle noch 0,4 Mal pro Match, nach 33 Runden lautete das Torverhält­nis –10. Anders gesagt: Die Defensive wurde löchrig, die schon zuvor schwache Offensive noch schwächer. Der Plan war ein anderer.

Es brauchte ja keinen Abschluss in Quantenphy­sik für die Erkenntnis in der Winterpaus­e, zwei oder drei Spieler für die Stärkung der Offensive zu verpflicht­en. Der später entlassene Sportchef Bernt Haas und Harald Gärtner, Europachef des LAFC, aktivierte­n ihre «Netzwerke», wie Gärtner sagte. Österreich, Deutschlan­d, die «Red & Gold»Kooperatio­n mit dem LAFC und dem FC Bayern München. Es kam Asumah Abubakar, 11 Einsätze, 1 Tor. Es kam Oliver Batista Meier, 7 Mal auf dem Platz, 0 Tore. Es kam der Leihspiele­r Dijon Kameri, 6 Einsätze, Verletzung, kein Tor. Immerhin folgte nach der Entlassung von Bruno Berner nach 31 Runden mit Marco Schällibau­m ein erfahrener Trainer, der den Schweizer Fussball kennt.

Szenario für Challenge League

An den Kenntnisse­n der hiesigen Verhältnis­se scheint die GC-Operative weiter zu arbeiten. Es heisst bei GC seit längerem, man habe «selbstvers­tändlich ein Szenario für die Challenge League».Aber der Ordner für das Szenario in der Super League sei – ebenso selbstvers­tändlich – «dicker». Dass die Amerikaner bei einem Abstieg aussteigen, sei «ausgeschlo­ssen».

Die Amerikaner scheinen weiterhin daran zu glauben, dass GC die Menschen in und um Zürich bewegt. Am Ostermonta­g schafften sie es, dank einer grossen Aktion mit Gratiseint­ritten mit über 13 0 0 0 Zuschauern doppelt so viele Leute wie üblich in den Letzigrund zu locken. Doch das Team zeigte beim 0:1 gegen Lausanne eine Leistung, die schwer erträglich war. Würde jemand ein nächstes Mal Geld ausgeben für ein solches «Erlebnis»? Eher nicht. Am Sonntag kamen 9000 Zuschauer. In Thun sind die rund 10 000 Plätze längst ausverkauf­t.

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