Susanne Wille sieht Sparen als Chance
Die neue SRG-Chefin gibt sich kooperativ
Drei Stehtische stehen im Foyer des SRG-Hauptsitzes in Bern. Und eigentlich ist allen klar, wer der Mittelpunkt der Medienkonferenz ist: Susanne Wille, ehemaliger Fernsehstar, Kulturchefin des SRF und ab 1. November offiziell neue SRG-Generaldirektorin. Der Verwaltungsrat und die Delegiertenversammlung haben sie am Samstag einstimmig als Nachfolgerin von Gilles Marchand gewählt. Sie wird damit die erste Frau an der Spitze der SRG.
Als die frisch gewählte Wille am Samstag kurz nach 13 Uhr endlich vor die wartenden Medienschaffenden tritt, will der Verwaltungsratspräsident JeanMichel Cina aber nicht so recht von seinem Tisch in der Mitte rücken. So dass Wille sich zu seiner Linken hinstellt und die Mikrofone verschoben werden müssen. Hierarchie muss sein, der Verwaltungsrat steht über der Direktion. Und doch bekommt man während der kleinen Szene einen Eindruck, wie im grössten Medienhaus der Schweiz das Neue und das Alte um ihre Positionen ringen.
«Mit allen reden»
Wille, das wird sofort klar, möchte für den Aufbruch stehen. Die 50-Jährige ist bei Publikum und innerhalb des Unternehmens beliebt – und das, obwohl sie als Leiterin Kultur diverse Sparprogramme durchgeführt hat. Sie war daher schon lange als Favoritin gehandelt worden.
Dabei wird sie einiges anders machen, wie sie ankündigt: Sie werde sich für die Werte der SRG einsetzen. «Aber meine Aufgabe wird auch sein, das Unternehmen zu verändern», sagt sie und korrigiert als ersten Akt gleich einmal die Kommunikationsstrategie, die der Noch-Direktor Gilles Marchand in den vergangenen Monaten gewählt hatte. Natürlich nicht explizit: «Es ist nicht meine Aufgabe, mich von Marchand abzugrenzen», sagt sie auf eine Frage des Journalisten. Um dann auf die politisch relevanten Fragen auffällig andere Antworten zu geben als ihr baldiger Vorgänger.
Während Marchand beispielsweise auf die diversen Sparwünsche aus der bürgerlichen Politik ans grösste Schweizer Medienhaus fast schon alarmistisch reagierte – Sendungen müssten gestrichen und Stellen gespart werden, drohte er –, sieht Wille den wohl anstehenden Sparauftrag auch als Chance. In der heutigen Zeit seien alle Medienhäuser unter Druck, sagt sie: «Auch wir bei der SRG müssen einen Weg finden, mit einem engeren Finanzrahmen zurechtzukommen, und dabei unsere Stärke bewahren.» Wo Wille sparen wird – beim Journalismus oder vielleicht doch lieber zuerst bei der in die Jahre gekommenen, ziemlich umfangreichen SRG-Verwaltung, sagt sie noch nicht. Zuerst mache sie sich jetzt an die Analyse.
Sicher ist: Wille möchte nahe bei den Menschen sein, das betonte sie mehrmals.
Die SRG gehöre allen. Sie wolle «mit allen reden». Mit den Zuschauern, den Politikern und mit den privaten Medienhäusern. Das klingt wie ein Verhandlungsangebot. Der Verlegerverband, der auch die NZZ vertritt, kritisiert schon länger, die Online-Angebote des SRF konkurrenzierten die privaten. Bundesrat Albert Rösti will dem Rechnung tragen und die Gebühren von 335 auf 300 Franken senken, während die Halbierungsinitiative von SVP und Jungfreisinn eine Reduktion auf 200 Franken fordert.
Am Samstag sagt nun Wille an die Adresse der Verleger: «Es geht um ein Miteinander, nicht um ein Gegeneinander.» Was das konkret heisst, etwa in Bezug auf die Onlinestrategie der Öffentlichrechtlichen, kann Wille noch nicht sagen. Der Verwaltungsratspräsident Cina wünscht sich dieses Miteinander vor allem im Kampf gegen die grossen internationalen Tech-Firmen, die er als viel grössere Konkurrenz für die Privaten einschätzt als die Öffentlichrechtlichen, wie er der NZZ sagt. Die Frage, ob denn die SRG die vom Verlegerverband geforderte «Google-Steuer» unterstütze, lässt Cina vom anwesenden Mediensprecher beantworten, dessen Antwort ist «Ja». Das so genannte Leistungsschutzrecht fordert, dass Schweizer Medienhäuser eine Entschädigung erhalten, wenn grosse Internetplattformen ihre Inhalte nutzen.
Doch bei allem Dialog: Am Ende grenzt sich Cina doch noch von den Privaten ab. Der Verwaltungsratspräsident wie die baldige Generaldirektorin betonen während der Pressekonferenz mehrmals, es gehe bei den Spardiskussionen darum, der Bevölkerung zu erklären, was die SRG ausmache. Gefragt, was das denn sei, übernimmt Cina das Wort. Die SRG, antwortet er, sei das einzige Medienhaus, das institutionell unabhängig sei. Ausserdem stelle die SRG ein gleichwertiges Programm in allen Sprachregionen zur Verfügung und bilde die Schweiz in Unterhaltung und Kultur ab.
Wappler tritt zurück
Auf die SRG-Standorte in den Regionen macht die neue Direktion bereits einen ersten Schritt zu. Die Delegierten aus den italienisch-, französisch- und romanischsprachigen Regionen hatten während der Versammlung am Samstag Sorgen geäussert, ob Susanne Wille als Deutschschweizerin ihre Anliegen verstehen würde. Wille kündigt nun an, eine neue Vizedirektorin zu suchen, welche die lateinische Schweiz repräsentiert. Derzeit ist der Posten der SRF-Chefin Nathalie Wappler, ebenfalls Deutschschweizerin, besetzt. Diese trete jedoch zurück, um mehr Vielfalt zu ermöglichen.
Die Pressekonferenz endet mit individuellen Interviews mit Wille. Das Medienteam bestimmt, wer zuerst mit ihr reden darf. Es sind die lokalen Radio- und Fernsehsender, «Persönlich» sowie SRFJournalisten. Als Letzte sind CH Media, «Sonntags-Blick» und NZZ an der Reihe.