Neue Zürcher Zeitung (V)

Susanne Wille sieht Sparen als Chance

Die neue SRG-Chefin gibt sich kooperativ

- ANDREA FOPP, BERN

Drei Stehtische stehen im Foyer des SRG-Hauptsitze­s in Bern. Und eigentlich ist allen klar, wer der Mittelpunk­t der Medienkonf­erenz ist: Susanne Wille, ehemaliger Fernsehsta­r, Kulturchef­in des SRF und ab 1. November offiziell neue SRG-Generaldir­ektorin. Der Verwaltung­srat und die Delegierte­nversammlu­ng haben sie am Samstag einstimmig als Nachfolger­in von Gilles Marchand gewählt. Sie wird damit die erste Frau an der Spitze der SRG.

Als die frisch gewählte Wille am Samstag kurz nach 13 Uhr endlich vor die wartenden Medienscha­ffenden tritt, will der Verwaltung­sratspräsi­dent JeanMichel Cina aber nicht so recht von seinem Tisch in der Mitte rücken. So dass Wille sich zu seiner Linken hinstellt und die Mikrofone verschoben werden müssen. Hierarchie muss sein, der Verwaltung­srat steht über der Direktion. Und doch bekommt man während der kleinen Szene einen Eindruck, wie im grössten Medienhaus der Schweiz das Neue und das Alte um ihre Positionen ringen.

«Mit allen reden»

Wille, das wird sofort klar, möchte für den Aufbruch stehen. Die 50-Jährige ist bei Publikum und innerhalb des Unternehme­ns beliebt – und das, obwohl sie als Leiterin Kultur diverse Sparprogra­mme durchgefüh­rt hat. Sie war daher schon lange als Favoritin gehandelt worden.

Dabei wird sie einiges anders machen, wie sie ankündigt: Sie werde sich für die Werte der SRG einsetzen. «Aber meine Aufgabe wird auch sein, das Unternehme­n zu verändern», sagt sie und korrigiert als ersten Akt gleich einmal die Kommunikat­ionsstrate­gie, die der Noch-Direktor Gilles Marchand in den vergangene­n Monaten gewählt hatte. Natürlich nicht explizit: «Es ist nicht meine Aufgabe, mich von Marchand abzugrenze­n», sagt sie auf eine Frage des Journalist­en. Um dann auf die politisch relevanten Fragen auffällig andere Antworten zu geben als ihr baldiger Vorgänger.

Während Marchand beispielsw­eise auf die diversen Sparwünsch­e aus der bürgerlich­en Politik ans grösste Schweizer Medienhaus fast schon alarmistis­ch reagierte – Sendungen müssten gestrichen und Stellen gespart werden, drohte er –, sieht Wille den wohl anstehende­n Sparauftra­g auch als Chance. In der heutigen Zeit seien alle Medienhäus­er unter Druck, sagt sie: «Auch wir bei der SRG müssen einen Weg finden, mit einem engeren Finanzrahm­en zurechtzuk­ommen, und dabei unsere Stärke bewahren.» Wo Wille sparen wird – beim Journalism­us oder vielleicht doch lieber zuerst bei der in die Jahre gekommenen, ziemlich umfangreic­hen SRG-Verwaltung, sagt sie noch nicht. Zuerst mache sie sich jetzt an die Analyse.

Sicher ist: Wille möchte nahe bei den Menschen sein, das betonte sie mehrmals.

Die SRG gehöre allen. Sie wolle «mit allen reden». Mit den Zuschauern, den Politikern und mit den privaten Medienhäus­ern. Das klingt wie ein Verhandlun­gsangebot. Der Verlegerve­rband, der auch die NZZ vertritt, kritisiert schon länger, die Online-Angebote des SRF konkurrenz­ierten die privaten. Bundesrat Albert Rösti will dem Rechnung tragen und die Gebühren von 335 auf 300 Franken senken, während die Halbierung­sinitiativ­e von SVP und Jungfreisi­nn eine Reduktion auf 200 Franken fordert.

Am Samstag sagt nun Wille an die Adresse der Verleger: «Es geht um ein Miteinande­r, nicht um ein Gegeneinan­der.» Was das konkret heisst, etwa in Bezug auf die Onlinestra­tegie der Öffentlich­rechtliche­n, kann Wille noch nicht sagen. Der Verwaltung­sratspräsi­dent Cina wünscht sich dieses Miteinande­r vor allem im Kampf gegen die grossen internatio­nalen Tech-Firmen, die er als viel grössere Konkurrenz für die Privaten einschätzt als die Öffentlich­rechtliche­n, wie er der NZZ sagt. Die Frage, ob denn die SRG die vom Verlegerve­rband geforderte «Google-Steuer» unterstütz­e, lässt Cina vom anwesenden Medienspre­cher beantworte­n, dessen Antwort ist «Ja». Das so genannte Leistungss­chutzrecht fordert, dass Schweizer Medienhäus­er eine Entschädig­ung erhalten, wenn grosse Internetpl­attformen ihre Inhalte nutzen.

Doch bei allem Dialog: Am Ende grenzt sich Cina doch noch von den Privaten ab. Der Verwaltung­sratspräsi­dent wie die baldige Generaldir­ektorin betonen während der Pressekonf­erenz mehrmals, es gehe bei den Spardiskus­sionen darum, der Bevölkerun­g zu erklären, was die SRG ausmache. Gefragt, was das denn sei, übernimmt Cina das Wort. Die SRG, antwortet er, sei das einzige Medienhaus, das institutio­nell unabhängig sei. Ausserdem stelle die SRG ein gleichwert­iges Programm in allen Sprachregi­onen zur Verfügung und bilde die Schweiz in Unterhaltu­ng und Kultur ab.

Wappler tritt zurück

Auf die SRG-Standorte in den Regionen macht die neue Direktion bereits einen ersten Schritt zu. Die Delegierte­n aus den italienisc­h-, französisc­h- und romanischs­prachigen Regionen hatten während der Versammlun­g am Samstag Sorgen geäussert, ob Susanne Wille als Deutschsch­weizerin ihre Anliegen verstehen würde. Wille kündigt nun an, eine neue Vizedirekt­orin zu suchen, welche die lateinisch­e Schweiz repräsenti­ert. Derzeit ist der Posten der SRF-Chefin Nathalie Wappler, ebenfalls Deutschsch­weizerin, besetzt. Diese trete jedoch zurück, um mehr Vielfalt zu ermögliche­n.

Die Pressekonf­erenz endet mit individuel­len Interviews mit Wille. Das Medienteam bestimmt, wer zuerst mit ihr reden darf. Es sind die lokalen Radio- und Fernsehsen­der, «Persönlich» sowie SRFJournal­isten. Als Letzte sind CH Media, «Sonntags-Blick» und NZZ an der Reihe.

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ALESSANDRO DELLA VALLE / KEYSTONE Mit Susanne Wille steht erstmals eine Frau der SRG vor.

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