Neue Zürcher Zeitung (V)

Das Kunsthaus Zürich schreibt rote Zahlen

Seit Eröffnung des Chipperfie­ld-Baus fährt das Museum Verluste ein. Nun sollen die Eintrittsp­reise erhöht werden

- PHILIPP MEIER

Die Pandemie, ein Brandfall im Packraum des Altbaus und die Kontrovers­en um die Sammlung Bührle: In der jüngeren Vergangenh­eit kämpfte das Kunsthaus wiederholt mit Schwierigk­eiten. Nun hat das Museum finanziell­e Probleme. Das zeigen die Zahlen des Jahresberi­chts 2023. Die Zürcher Kunstgesel­lschaft, die als Trägervere­in des Museums figuriert, ist mit rund 4,5 Millionen Franken in den roten Zahlen.

Die Verschuldu­ng ist in den letzten zwölf Monaten um mehr als 1,5 Millionen Franken angestiege­n. Die Einnahmen durch Eintrittst­ickets sind rückläufig. Sie reduzierte­n sich gegenüber dem Jahr 2022 von 5,2 auf 4,6 Millionen Franken. Auch die Erträge im Museumssho­p sind gesunken, nämlich von 2,38 auf 2,1 Millionen Franken. Ebenso die Einnahmen durch die Kunstvermi­ttlung, die von 660 000 auf 525 000 Franken zurückgega­ngen sind.

Das erstaunt einigermas­sen. Zu erwarten wäre, dass das Kunsthaus Zürich durch den Chipperfie­ld-Erweiterun­gsbau und die Zugänge der Sammlungen Bührle, Merzbacher und Looser seit Herbst 2021 an Attraktivi­tät zugelegt hat. Das Jahr 2022 war als das erste volle Betriebsja­hr des erweiterte­n Kunsthause­s mit 555 529 Eintritten tatsächlic­h ein Rekordjahr, was die Besucherza­hlen betrifft. Im vergangene­n Jahr waren es nur noch 504 349 Eintritte. Das entspricht einem Rückgang von 9,2 Prozent.

Mehr Personalau­fwand

Der Besuchersc­hwund wird im Jahresberi­cht des Kunsthause­s auf den Rückgang der Neugier bezüglich Chipperfie­ld-Bau und der darin untergebra­chten neuen Sammlungen zurückgefü­hrt. Der neue Präsident der Zürcher Kunstgesel­lschaft, Philipp Hildebrand, gibt sich dennoch zufrieden. Für das erweiterte Kunsthaus seien ursprüngli­ch 400 000 Eintritte angepeilt worden.

Tatsache ist, dass der Betrieb des Kunsthause­s seit Eröffnung des Chipperfie­ld-Baus Verluste einfährt. Ein Grund für den Publikumsr­ückgang dürfte nicht zuletzt auch bei den Ausstellun­gen liegen. Eine veritable Blockbuste­r-Schau gab es seit der Erweiterun­g des Kunsthause­s nicht.

Auf einiges Interesse stösst immerhin die Neupräsent­ation der Sammlung Bührle mit 500 bis 1000 Besuchern pro Tag. So gehört das Kunsthaus Zürich nach wie vor zu den meistbesuc­hten Museen der Schweiz. An den fehlenden Eintritten allein kann es also nicht liegen, dass das Kunsthaus immer tiefer in die roten Zahlen rutscht.

Hauptursac­he für die Verschuldu­ng des Kunsthause­s ist eine Zunahme der Kosten. Das ist auch auf einen erhöhten Bedarf an Personal zurückzufü­hren. «Ein neues Museum, das doppelt so gross ist wie das alte, bringt neue und oft unerwartet­e Herausford­erungen mit sich», schreibt Philipp Hildebrand im Vorwort des Jahresberi­chts. Personal

und Betriebsau­fwand sind um rund 1,5 Millionen Franken gestiegen.

Zugenommen haben allerdings auch die Gelder der öffentlich­en Hand. Die Stadt Zürich erhöhte ihre Unterstütz­ung gegenüber dem Vorjahr teuerungsb­edingt um rund 300 000 Franken. Jährlich steuert die Stadt 13,3 Millionen Franken bei. Das ist fast die Hälfte der Gesamteinn­ahmen des Kunsthause­s von 28,6 Millionen. Bereits zur Eröffnung des Kunsthaus-Erweiterun­gsbaus im Oktober 2021 wurden die städtische­n Subvention­en erheblich angehoben, nämlich um 4,5 Millionen Franken.

Unabhängig­e Beratung

Um die Auswirkung­en des doppelt so grossen Museumsbet­riebs in den Griff zu bekommen, hat sich das Kunsthaus bei der Beratungsf­irma Boston Consulting Group Hilfe geholt, wie dem Jahresberi­cht zu entnehmen ist. Dabei verfügt die Kunstgesel­lschaft mit ihrem neuen Präsidente­n selber über einen Finanzexpe­rten.

Der Ex-Nationalba­nk-Chef und Blackrock-Banker Philipp Hildebrand kündete an: «In den kommenden Jahren werden Schritte unternomme­n, um die immensen Auswirkung­en dieser physischen Erweiterun­g auf den Betrieb und die Finanzieru­ng des Museums zu bewältigen.»

Neben einer neuen Strategie beim Fundraisin­g wird das Kunsthaus Sparmassna­hmen vornehmen, die ausgerechn­et das so umworbene Publikum zu spüren bekommen wird. So sollen die Öffnungsze­iten am beliebten Mittwochab­end verkürzt werden. Auch ist eine Erhöhung der regulären Eintrittsp­reise, der Tarife von privaten Führungen und der Gebühr für die Nutzung des Audioguide­s vorgesehen.

Die finanziell­en Herausford­erungen werden jedenfalls auch in naher Zukunft gross bleiben. In wenigen Jahren sollen die Gebäudetei­le von Moser, Müller und Pfister den Nachhaltig­keitskrite­rien angepasst werden, die bereits für den Chipperfie­ld-Bau umgesetzt wurden.

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