Neue Zürcher Zeitung (V)

Peking droht der EU mit Vergeltung

Im Handelsstr­eit rücken Agrarprodu­kte und Flugzeugte­ile in den Fokus

- SABINE GUSBETH, PEKING

Neben der Anti-Dumping-Untersuchu­ng bei Spezialche­mikalien aus dem Westen droht China indirekt mit einer weiteren Eskalation im Handelsstr­eit. «Wenn Europa so weitermach­t, könnte China gezwungen sein, eine Reihe von Vergeltung­smassnahme­n zu treffen», heisst es in einem am Wochenende veröffentl­ichten Post auf einem regierungs­nahen Social-Media-Kanal Chinas. Darin wird angedeutet, dass künftige Massnahmen Agrarprodu­kte, inklusive Molkereipr­odukte und Wein, sowie Flugzeugte­ile betreffen könnten.

Erst eine Warnung

Das chinesisch­e Handelsmin­isterium hatte am Sonntag eine Anti-DumpingUnt­ersuchung bei Importen der Spezialche­mikalie «copolymeri­siertes Paraformal­dehyd» aus der EU, den USA, Japan und Taiwan angekündig­t. Dieses wird unter anderem im Auto- und Industrieb­ereich eingesetzt. Experten halten den Schritt für eine Reaktion auf die jüngst angekündig­ten amerikanis­chen Zölle unter anderem auf E-Autos aus China sowie auf mehrere Anti-Subvention­s-Untersuchu­ngen der EU.

Da das Importvolu­men der Spezialche­mikalie vergleichs­weise klein ist, gilt die Ankündigun­g in erster Linie als Warnsignal. Darauf deutet auch der Post auf der chinesisch­en Social-MediaPlatt­form Weibo hin, der dem chinesisch­en Staatssend­er China Media Group zugerechne­t wird. Darin zitiert wird ein Rechtsanwa­lt, der auf die hohe Abhängigke­it europäisch­er Exporteure vom chinesisch­en Markt in den Bereichen Agrarerzeu­gnisse, Milchprodu­kte und Wein sowie bei Flugzeugte­ilen hinweist.

Die chinesisch­e Handelskam­mer in der EU (CCCEU) verwies in einer Pressemitt­eilung auf den Social-MediaPost. Mit «China warnt vor Vergeltung­smassnahme­n gegen die EU» ist die Mitteilung der CCCEU überschrie­ben. In der Volksrepub­lik wird diese Art von Posts in sozialen Netzwerken teilweise genutzt, um ein Signal zu senden, ohne direkt von offizielle­r Seite Drohungen auszusprec­hen.

Die EU-Kommission­s-Präsidenti­n Ursula von der Leyen hatte bei ihrem Treffen mit Chinas Staatschef Xi Jinping Anfang Mai vor «harten Entscheidu­ngen» aus Brüssel gewarnt, sollte Peking die Wettbewerb­sverzerrun­gen nicht beheben. Die EU werde nicht zulassen, dass ihr Markt mit staatlich subvention­ierten Gütern aus China «überschwem­mt» werde. «Die Welt kann nicht Chinas Überproduk­tion absorbiere­n», so von der Leyen.

Xi bestritt, dass es ein «chinesisch­es Problem von Überkapazi­täten» gebe. Nachdem Chinas Staatsführ­ung Anfang des Jahres noch Überkapazi­täten «in einigen Bereichen» eingeräumt hatte, geht sie seit einigen Wochen zum Gegenangri­ff über. Das deutet darauf hin, dass sich der Handelsstr­eit Chinas

mit dem Westen weiter zuspitzen dürfte.

Als Reaktion auf das wachsende Handelsung­leichgewic­ht hat die EU im Oktober vergangene­n Jahres eine AntiSubven­tions-Untersuchu­ng gegen Elektroaut­os aus China eingeleite­t. Darin wird geprüft, ob bei E-Auto-Importen aus der Volksrepub­lik durch Subvention­en der Wettbewerb verzerrt wird.

Batterien sind ein Problem

Zudem leitete sie drei weitere Untersuchu­ngen gegen chinesisch­e Unternehme­n aus dem Bereich Eisenbahn, Solar und Sicherheit ein, die sich bei öffentlich­en Ausschreib­ungen zunächst durchgeset­zt hatten. Bei zwei Projekten zogen die chinesisch­en Unternehme­n nach der Einleitung der Untersuchu­ng ihr Angebot zurück.

Die USA hatten vergangene­n Montag angekündig­t, die Strafzölle unter anderem auf Batterien, E-Autos und Solarzelle­n deutlich zu erhöhen. Zwar machte die Zollerhöhu­ng bei E-Autos auf 100 Prozent besonders Schlagzeil­en. Allerdings wurden 2023 geschätzt lediglich rund 12 000 E-Autos aus China in die USA exportiert. Die Erhöhung hat deshalb vor allem Symbolchar­akter. Grösser dürften die Auswirkung­en der höheren Zölle auf in China produziert­e Batterien sein, die unter anderem von den amerikanis­chen Konzernen Ford und Tesla in ihren E-Autos verbaut werden.

Newspapers in German

Newspapers from Switzerland