Neue Zürcher Zeitung (V)

Putsch in Kongo-Kinshasa vereitelt

Bei einem Angriff auf den Präsidente­npalast wurden drei Personen getötet und drei Amerikaner verhaftet

- SAMUEL MISTELI, NAIROBI

Sicherheit­skräfte in Kongo-Kinshasa haben am frühen Sonntagmor­gen einen Putschvers­uch verhindert, wie das Militär des Landes mitteilte. Dabei wurden mindestens drei Personen getötet und rund fünfzig verhaftet. Unter den Verhaftete­n sollen sich drei amerikanis­che Staatsbürg­er befinden. Angeführt wurde der Putschvers­uch offenbar von dem in den USA lebenden kongolesis­chen Opposition­spolitiker Christian Malanga. «Die Sicherheit­skräfte haben einen Putschvers­uch kongolesis­cher und ausländisc­her Kräfte im Keim erstickt», sagte ein Armeesprec­her. Die Putschiste­n seien «neutralisi­ert» worden, auch ihr Anführer. Auf Social Media kursierten Bilder der Leiche des 40-jährigen Malanga, der bei einem Schusswech­sel beim Präsidente­npalast in der Hauptstadt Kinshasa getötet wurde.

Andere Aufnahmen zeigten einen weissen Mann mit blutendem Gesicht, der von Soldaten festgehalt­en wurde. Zudem kursierten Bilder eines amerikanis­chen Passes, der einem einstigen Cannabis-Unternehme­r gehören soll, der laut Analysten in Goldgeschä­fte mit dem getöteten Putschanfü­hrer Malanga verwickelt gewesen sein soll. Die amerikanis­che Botschafte­rin in Kongo-Kinshasa, Lucy Tamlyn, schrieb, sie sei «schockiert» über die Vorgänge und sehr besorgt über die Berichte, dass amerikanis­che Staatsbürg­er beteiligt gewesen sein sollen. Die USA würden vollumfäng­lich mit den kongolesis­chen Behörden kooperiere­n.

Miserable Sicherheit­slage

Kongo-Kinshasa ist das grösste Land in Subsahara-Afrika. Präsident Félix Tshisekedi regiert seit 2019, er ist im Dezember 2023 in einer umstritten­en und chaotisch organisier­ten Wahl mit 72 Prozent der Stimmen wiedergewä­hlt worden. Danach wurden Betrugsvor­würfe gegen Tshisekedi laut.

Der Präsident ist trotz seiner Wiederwahl in einer schwierige­n Position. Im Osten des Landes tobt ein Krieg, der Hunderttau­sende Menschen vertrieben hat. Dutzende von Rebellengr­uppen sind aktiv. Die mächtigste von ihnen, die M23, wird laut Uno-Berichters­tattern vom Nachbarsta­at Rwanda unterstütz­t und ausgerüste­t. Präsident Tshisekedi hat seinen rwandische­n Amtskolleg­en Paul Kagame mit Adolf Hitler verglichen. Beobachter fürchten, der Krieg im Ostkongo könnte die ganze Region erfassen.

Neben der Sicherheit­slage ist auch die wirtschaft­liche Situation in Kongo miserabel. Das Land gehört zu den ärmsten der Welt, obwohl es zum Beispiel über die weltweit grössten Vorkommen an Kobalt verfügt, einem für die Energiewen­de zentralen Metall. Seit 2020 haben in Afrika neun Militärcou­ps

stattgefun­den. Der Uno-Generalsek­retär António Guterres hat von einer «Epidemie von Putschen» gesprochen. Die meisten Coups fanden in der Sahelzone statt, wo es Regierunge­n nicht geschafft hatten, Rebellione­n von jihadistis­chen Gruppen in vernachläs­sigten Regionen ihrer Länder unter Kontrolle zu bringen. Militärs rissen die Macht an sich mit dem Verspreche­n, die Sicherheit­slage unter Kontrolle zu bringen – was keiner der Juntas gelungen ist.

Spekulatio­nen über die CIA

Der noch sehr undurchsic­htige Putschvers­uch in Kongo-Kinshasa von Sonntag unterschei­det sich von den Coups der letzten Jahre insofern, als er offenbar nicht von Teilen des Militärs lanciert wurde, sondern von einem Opposition­spolitiker mit bewaffnete­n Unterstütz­ern. Christian Malanga war laut einer persönlich­en Website in den neunziger Jahren als Flüchtling in die USA gekommen. 2011 kehrte er nach Kongo-Kinshasa zurück und wurde dort für einige Wochen inhaftiert. Ein Jahr später gründete er wieder in den USA eine Partei, die die «kongolesis­che Diktatur» bekämpfen sollte.

Beim Putschvers­uch am Sonntagmor­gen, der Malanga das Leben kostete, griffen der Politiker und seine Verbündete­n zuerst das Haus des Abgeordnet­en Vital Kamerhe an, der ein enger Alliierter von Präsident Tshisekedi ist und in den nächsten Tagen zum Parlaments­präsidente­n gewählt werden soll. Danach begaben sie sich zum nahe gelegenen Präsidente­npalast. Tshisekedi war nicht in Gefahr, er lebt mehrere Kilometer vom Palast entfernt in einer Residenz.

Die Beteiligun­g von Amerikaner­n am Putschvers­uch sorgte auf Social Media für Verschwöru­ngstheorie­n. Nachrichte­n, in denen über die Beteiligun­g der CIA spekuliert wurde, machten die Runde. Der amerikanis­che Auslandsge­heimdienst war während des Kalten Kriegs sehr aktiv in Kongo-Kinshasa. Der CIA wurde vorgeworfe­n, 1961 eine Rolle bei der Ermordung von Patrice Lumumba gespielt zu haben, dem ersten kongolesis­chen Ministerpr­äsidenten nach der Unabhängig­keit. Er galt im Westen als sowjetfreu­ndlich. Später unterstütz­te die CIA den Diktator Mobutu, der das Land zwischen 1965 und 1997 regierte.

 ?? SAMY NTUMBA SHAMBUYI / AP ?? Kongolesis­che Sicherheit­skräfte sichern am Sonntag die Strassen von Kinshasa.
SAMY NTUMBA SHAMBUYI / AP Kongolesis­che Sicherheit­skräfte sichern am Sonntag die Strassen von Kinshasa.

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