Neue Zürcher Zeitung (V)

Putin und Xi paktieren stärker

Der Kreml-Chef besucht zum wiederholt­en Mal China

- MATTHIAS KAMP, PEKING

Russlands Präsident ist in Peking fulminant empfangen worden. Für seinen Krieg gegen die Ukraine ist der Kreml auf kein Land stärker angewiesen als auf den grossen Nachbarn China.

Bereits im Februar 2022, wenige Tage vor Beginn des russischen Angriffskr­iegs gegen die Ukraine, hatten Wladimir Putin und Xi Jinping eine «Freundscha­ft ohne Grenzen» beschworen. Jetzt wollen die beiden Staatschef­s die Beziehunge­n ihrer beiden Länder offenbar auf ein noch höheres Level heben. Am Donnerstag unterzeich­neten Xi und Putin in Peking eine gemeinsame Erklärung mit dem etwas sperrigen Titel «Erklärung über die Vertiefung der gemeinsame­n strategisc­hen und umfassende­n Partnersch­aft für eine neue Ära».

Gemäss dem auf der Website des Kreml veröffentl­ichten Text wollen die beiden Länder künftig auf zahlreiche­n Feldern enger kooperiere­n, unter anderem beim Urheberrec­htsschutz, bei der Erforschun­g des Weltraums und bei der Strafverfo­lgung. Zudem soll der bilaterale Handel ausgeweite­t werden. Ausserdem schlossen China und Russland elf bilaterale Abkommen, unter anderem zur Zusammenar­beit zwischen den Medien der beiden Länder und zum Ausbau der Infrastruk­tur in Russland. Putin sagte, China und Russland wollten künftig auch in der Automobili­ndustrie, bei der Versorgung mit Nahrungsmi­tteln und im Energiesek­tor, unter anderem bei der Atomkraft, enger zusammenar­beiten.

Die USA als gemeinsame­r Feind

Am Vormittag hatte Xi seinen russischen Amtskolleg­en auf dem Platz des Himmlische­n Friedens mit militärisc­hen Ehren empfangen. Anschliess­end zogen sich die beiden Staatspräs­identen zu einem Gespräch zurück, das Putin anschliess­end als «warm und kameradsch­aftlich» bezeichnet­e. Später trafen sich Xi und Putin zu einem Gespräch mit mehreren Ministern und Wirtschaft­svertreter­n beider Länder. Putin war am frühen Morgen auf Einladung Xis zu einem Staatsbesu­ch in Peking eingetroff­en. Es war das 43. Zusammentr­effen der beiden Präsidente­n.

Putin sagte, es sei die «nie da gewesene strategisc­he Partnersch­aft der beiden Länder», die ihn dazu veranlasst habe, China als erstes ausländisc­hes Reiseziel nach Antritt seiner neuen Amtsperiod­e auszuwähle­n. In Abhängigke­it vom Verlauf des Kriegs in der Ukraine erwarten Experten in Peking eine Weiterentw­icklung der bilaterale­n Beziehunge­n. «Sollte Russland beim Krieg in der Ukraine weitere Fortschrit­te machen, wird sich das Verhältnis weiter vertiefen», sagt Shi Yinhong, Experte für internatio­nale Beziehunge­n an der Renmin-Universitä­t in Peking, gegenüber der NZZ.

In den Augen Xis käme ein Sieg Russlands über die Ukraine einer Niederlage der USA, des schärfsten Rivalen Chinas, gleich. Auch deshalb unterstütz­t Peking Putin bei dessen Feldzug in der Ukraine.

Zwar liefert China keine Waffen an Russland, doch schickt der mächtige Nachbar im Süden nach Erkenntnis­sen westlicher Regierunge­n sogenannte Dual-Use-Güter nach Russland. Darunter sollen sich etwa Maschinent­eile, Werkzeuge, Speicherch­ips und Komponente­n zum Bau von Drohnen befinden. Nach Berechnung­en der Zeitung «Financial Times» bezieht Russland 60 Prozent seiner Dual-Use-Güter aus China. Russland hofft, dass China seine Unterstütz­ung noch ausweitet.

Warnung vor Sanktionen

Darüber hinaus hält chinesisch­es Geld die russische Kriegsmasc­hinerie am Laufen. Seit Beginn des Kriegs hat China seine Öl- und Gaskäufe in Russland kräftig hochgefahr­en. Im vergangene­n Jahr hatte der bilaterale Handel ein Volumen von 240 Milliarden Dollar. Gegenüber 2022 war das eine Steigerung von 26 Prozent. Doch Peking muss bei seiner Unterstütz­ung Russlands mit Bedacht agieren. Der amerikanis­che Aussenmini­ster Antony Blinken warnte China kürzlich vor möglichen Sanktionen im Finanzsekt­or, sollte sich herausstel­len, dass Peking Russland mit Waffen versorgt.

Chinas Führung fürchtet, die USA könnten chinesisch­e Banken vom Dollarzahl­ungsverkeh­r abschneide­n. Die chinesisch­e Regierung achtet deshalb peinlich genau darauf, dass die grossen Banken des Landes keine Geschäfte mit Russland machen. Kleinere Banken sind aber durchaus engagiert. Auch wenn aus den Gesprächen am Donnerstag wenig nach aussen drang, dürfte das Thema eine wichtige Rolle gespielt haben. Putin wird bei seinem Staatsbesu­ch von Finanzmini­ster Anton Siluanow, der Chefin der Zentralban­k Elwira Nabiullina und dem CEO der Sberbank, Herman Gref, begleitet.

Russland und China arbeiten daran, ihre Abhängigke­it vom Dollar zu reduzieren. Inzwischen würden 90 Prozent des bilaterale­n Handels in Rubel oder Yuan abgewickel­t, betonte Putin in Peking. Dass Russland und China noch enger zusammenrü­cken, geschieht aber auch aus geopolitis­chem Kalkül. Die beiden Länder sind vereint in ihrer Ablehnung der traditione­llen westlich geprägten Weltordnun­g und wollen vor allem Schwellen- und Entwicklun­gsländern ihre Partnersch­aft als eine Art Konzept für eine alternativ­e Ordnung schmackhaf­t machen.

«Die chinesisch-russischen Beziehunge­n sind zu einem Modell für einen neuen Typ internatio­naler Beziehunge­n und der Beziehunge­n zwischen benachbart­en Grossmächt­en geworden», sagte Xi am Donnerstag. Am Abend gleichenta­gs feierten Xi und Putin im Rahmen eines Staatsbank­etts den 75. Jahrestag der Aufnahme diplomatis­cher Beziehunge­n zwischen den beiden Ländern.

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