Neue Zürcher Zeitung (V)

Ein holpriges Jahr, doch die Aussichten bleiben rosig

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Andrea Martel · «2024 wird für die Uhrenbranc­he eine Herausford­erung.» Das sagte vor kurzem Rolex-CEO JeanFrédér­ic Dufour in einem Interview mit der NZZ anlässlich der Genfer Uhrenmesse Watches and Wonders. Der Grund sei, dass eine Phase zu Ende gehe, in der es allen Hersteller­n gut gegangen sei. So weit, so normal. Die Konjunktur hat ihre Auf und Abs – das spüren alle, die etwas verkaufen wollen, sei es das Restaurant um die Ecke oder eben die Hersteller von Luxusgüter­n. Typischerw­eise leiden die Luxusgüter­hersteller sogar eher weniger, weil ihre Klientel den Gürtel nicht so rasch enger schnallen muss.

Interessan­t ist jedoch, was Dufour danach sagte. Seiner Ansicht nach wird in guten Zeiten oft zu viel produziert: «Wenn sich dann, wie jetzt, die Märkte abschwäche­n, geraten die Uhrenhändl­er unter Druck und reagieren mit Rabatten. Das ist äusserst problemati­sch, denn Rabatte schaden emotionale­n Produkten wie unseren.»

Dies zeigt, dass die Uhrenherst­eller immer noch nicht gelernt haben, mit konjunktur­ellen Schwankung­en umzugehen, ohne sich selber unnötigen Schaden zuzufügen. Dass die Händler unter Druck geraten, ist nämlich vielfach nicht ihnen selbst zuzuschrei­ben, sondern den Uhrenherst­ellern. Diese drängen die Fachhändle­r dazu, mehr Uhren zu bestellen, als sie eigentlich wollen. Die Uhrenmarke­n sind dazu in der Lage, da sie oftmals in einer stärkeren Position sind als die Händler. Sie stellen Forderunge­n, wie den Kauf einer bestimmten Anzahl von Uhren eines Modells, um ein begehrtes Sondermode­ll zu erhalten, oder sogar die Bedingung, dass der Händler die Marke nur behalten kann, wenn er weiterhin Uhren einkauft.

Dadurch entsteht eine Kluft zwischen dem Verkauf an Händler und dem Verkauf an Endkunden. Beim Händler bläht sich das Lager auf, wodurch dieser Gefahr läuft, nicht mehr flüssig zu sein. Um dies zu verhindern, wird er alles tun, einschlies­slich des Verkaufs von Uhren mit Rabatt. Bei einer Bruttomarg­e von 30 bis 40 Prozent sind 10 oder 15 Prozent Rabatt gut möglich, ohne dass der Händler ein Verlustges­chäft macht.

Die Aussagen des Rolex-Chefs bestätigen nicht nur Fachhändle­r. Sie sind auch statistisc­h nachweisba­r: Die Exportzahl­en der Schweizer Uhrenindus­trie stiegen noch bis im Januar 2024, obwohl die Nachfrage ab dem Spätsommer 2023 abgenommen hat. Umso heftiger könnte nun die Trendwende ausfallen, wenn der Handel die Notbremse zieht. Nach einem leichten Rückgang im Februar betrug der Einbruch im März jedenfalls happige 16 Prozent.

Aber auch wenn die kommenden Monate wohl etwas holprig werden: Grosse Sorgen muss sich die Uhrenindus­trie in absehbarer Zeit nicht machen. Anders als noch vor einigen Jahren befürchtet, ist die traditione­lle Uhr keineswegs out.

Speziell die junge Generation zeigt grosses Interesse an mechanisch­en Zeitmesser­n. Dies wurde auch auf der Watches and Wonders deutlich. Ein Viertel der Tickets, die immerhin 70 Franken kosten, wurde von unter 25-Jährigen gekauft. Die NZZ hat in Genf mit mehreren jungen Menschen gesprochen, die – aus Spanien, England, Frankreich oder Dänemark – extra für die Messe angereist sind, um mehr über Uhren zu lernen und die neuen

Modelle live zu sehen. Die Uhrenbranc­he steht also kurzfristi­g vor Herausford­erungen. Aber grundsätzl­ich sieht die Zukunft rosig aus, wenn die Hersteller innovativ und kreativ bleiben und gleichzeit­ig der Versuchung widerstehe­n, ihre Uhren immer noch teurer zu machen.

In dieser Beilage schauen wir uns einige der Uhrenneuhe­iten an, die in den vergangene­n Wochen lanciert wurden. Wir werfen auch einen Blick zurück auf die Zeit von Uhrenstatu­t und Quarzkrise, als es der Schweizer Uhrenindus­trie nicht annähernd so gut ging wie heute. Dann setzen wir uns mit der Zukunft des Fachhandel­s auseinande­r – in einer Zeit, in der nicht mehr die Händler, sondern die Uhrenmarke­n am längeren Hebel sind. Und wir fragen: Ist Indien das neue Eldorado der Schweizer Uhrenindus­trie?

Neugierig gemacht hat uns auch die Tatsache, dass die Generation Z auf Schmuckkla­ssiker steht, die schon der Mutter oder der Grossmutte­r gefielen, und wir haben versucht herauszufi­nden, woran das liegt. Last but not least schauen wir, was die Frau von heute am Handgelenk trägt.

Anders als noch vor einigen Jahren befürchtet, ist die traditione­lle Uhr keineswegs out.

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PD Die Genfer Uhrenmesse Watches and Wonders ging vor kurzem über die Bühne und verzeichne­te neue Rekorde.

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