Neue Zürcher Zeitung (V)

NZZ widersetzt sich Branchentr­end

Die Generalver­sammlung bestätigt den Kurs und wählt Tanja Luginbühl in den Verwaltung­srat

- PETER A. FISCHER

Ein Prozent mehr zahlende Abonnenten, zwei Prozent mehr Umsatz und ein operativer Betriebsge­winn (Ebit), der sich im Kerngeschä­ft Publizisti­k mit 16,8 Millionen Franken auf dem Zehnjahres-Höchstwert des Vorjahres halten konnte: NZZ-CEO Felix Graf konnte den am Samstag im Kongressha­us in Zürich versammelt­en Aktionären von Ergebnisse­n berichten, die sich von den zahlreiche­n Meldungen über Sparprogra­mme und Schrumpfku­ren in der Medienbran­che auffällig abheben.

Das ist nicht selbstvers­tändlich, denn die Zeiten sind für Medienunte­rnehmen anspruchsv­oll, wie Isabelle Welton an ihrer ersten Generalver­sammlung als NZZ-Verwaltung­sratspräsi­dentin unumwunden zugab.

Kostendisz­iplin und Wachstum

Der Qualitätsa­nspruch der NZZ bedeutet, dass bei den Personalko­sten nur bedingt gespart werden kann. Zudem macht die Digitalisi­erung immer wieder neue Investitio­nen in die IT nötig. Diesen relativ hohen Fixkosten stehen ein kleiner Schweizer Heimmarkt, eine im Vergleich zum Geschäft mit der gedruckten Ausgabe zurückhalt­endere Zahlungsbe­reitschaft digitaler Leser und der Abfluss von Werbeeinna­hmen zu den grossen digitalen Plattforme­n gegenüber.

Die NZZ reagierte auf diese Herausford­erungen im Kerngeschä­ft mit dem Ausbau ihres digitalen Angebots in Deutschlan­d, von wo 2023 über 70 Prozent des Nettowachs­tums an zahlenden Abonnenten stammte. Für die Zukunft bleibt die Herausford­erung, die Fixkosten durch weiteres digitales Umsatzwach­stum im Griff zu behalten. Dabei gilt es den sinkenden Beitrag der Regionalme­dien (CH-Media) und des Printgesch­äfts (nur noch knapp 40 Prozent der Kunden lesen die NZZ als gedruckte Zeitung) möglichst überzukomp­ensieren.

Für den Sommer 2024 ist die Lancierung einer von Grund auf erneuerten digitalen App geplant, kombiniert mit einem geänderten Abomodell. Auch die Übersetzun­g von Artikeln (NZZ in English) wird wieder zu einer Option. Zur ungebroche­nen Nachfrage trägt bei, dass die weltpoliti­sche Lage komplizier­ter und das Ausmass an mit künstliche­r Intelligen­z manipulier­ten falschen Informatio­nen grösser geworden ist. Die Aufgabe, hier verlässlic­he Orientieru­ng, Einordnung und Differenzi­erung zu bieten, hat so eher noch an Bedeutung gewonnen.

Am Samstag genehmigte­n die Aktionäre alle Anträge inklusive der Ausschüttu­ng einer Dividende von 20 0 Franken pro Aktie und kleinerer Statutenän­derungen. Nach elf engagierte­n Jahren im Verwaltung­srat, davon acht Jahre als dessen Vizepräsid­ent, wurde Christoph Schmid wegen Erreichen der Altersgren­ze mit viel Applaus verabschie­det.

Als Nachfolger­in wurde die Wirtschaft­sanwältin Tanja Luginbühl in den Verwaltung­srat der NZZ gewählt. Sie hat an der Universitä­t Zürich und an der New York University studiert und ist seit 2005 Partnerin in der Anwaltskan­zlei Lenz & Staehelin in Zürich. Das Amt des Vizepräsid­enten übernimmt neu Matthias Reinhart.

Bundesrat Rösti verteidigt SRG

Als Mitglied der SVP und nicht der FDP könnte Albert Rösti nicht NZZ-Aktionär werden. Als Bundesrat aber liess sich der nebst Energie und Umwelt auch für Medien und Kommunikat­ion zuständige «Medienmini­ster» die Gelegenhei­t nicht entgehen, sich an die über 1000 zum traditione­llen Bankett versammelt­en NZZAktionä­re und Gäste zu richten. Er sei überzeugt, dass unabhängig­e Medien und Meinungsvi­elfalt für das Funktionie­ren einer Demokratie unabdingba­r seien. In der kleinen, aber vielfältig­en Schweiz brauche es neben privaten Unternehme­n einen öffentlich­en Leistungsa­uftrag, den die SRG erfülle, erklärte Rösti.

In seiner Ansprache analysiert­e Chefredakt­or Eric Gujer schliessli­ch, wieso sich die Schweizer seit je vom Weltgesche­hen nur ungern stören lassen, nach der Stille des lieben Glarnerlan­ds sehnen und eine urschweize­rische Allergie gegen «fremde Fötzel» hegen würden. Das führe gelegentli­ch zu einer beängstige­nden Realitätsv­erweigerun­g und auch dazu, dass Diskussion­en über das Verhältnis zur EU schnell in einen Glaubenskr­ieg ausarteten. Das Beharren auf Souveränit­ät und Prinzipien habe zwar durchaus seine Vorzüge, doch könne sich das Land dem Epochenwec­hsel, der gerade stattfinde, nicht einfach entziehen und sollte zumindest zu einer zweckdienl­ichen Interpreta­tion seiner Neutralitä­t finden, mahnte Gujer.

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Christoph Schmid Abtretende­r NZZVer waltungsra­t
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Tanja Luginbühl Neue NZZVerwalt­ungsrätin

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