NZZ widersetzt sich Branchentrend
Die Generalversammlung bestätigt den Kurs und wählt Tanja Luginbühl in den Verwaltungsrat
Ein Prozent mehr zahlende Abonnenten, zwei Prozent mehr Umsatz und ein operativer Betriebsgewinn (Ebit), der sich im Kerngeschäft Publizistik mit 16,8 Millionen Franken auf dem Zehnjahres-Höchstwert des Vorjahres halten konnte: NZZ-CEO Felix Graf konnte den am Samstag im Kongresshaus in Zürich versammelten Aktionären von Ergebnissen berichten, die sich von den zahlreichen Meldungen über Sparprogramme und Schrumpfkuren in der Medienbranche auffällig abheben.
Das ist nicht selbstverständlich, denn die Zeiten sind für Medienunternehmen anspruchsvoll, wie Isabelle Welton an ihrer ersten Generalversammlung als NZZ-Verwaltungsratspräsidentin unumwunden zugab.
Kostendisziplin und Wachstum
Der Qualitätsanspruch der NZZ bedeutet, dass bei den Personalkosten nur bedingt gespart werden kann. Zudem macht die Digitalisierung immer wieder neue Investitionen in die IT nötig. Diesen relativ hohen Fixkosten stehen ein kleiner Schweizer Heimmarkt, eine im Vergleich zum Geschäft mit der gedruckten Ausgabe zurückhaltendere Zahlungsbereitschaft digitaler Leser und der Abfluss von Werbeeinnahmen zu den grossen digitalen Plattformen gegenüber.
Die NZZ reagierte auf diese Herausforderungen im Kerngeschäft mit dem Ausbau ihres digitalen Angebots in Deutschland, von wo 2023 über 70 Prozent des Nettowachstums an zahlenden Abonnenten stammte. Für die Zukunft bleibt die Herausforderung, die Fixkosten durch weiteres digitales Umsatzwachstum im Griff zu behalten. Dabei gilt es den sinkenden Beitrag der Regionalmedien (CH-Media) und des Printgeschäfts (nur noch knapp 40 Prozent der Kunden lesen die NZZ als gedruckte Zeitung) möglichst überzukompensieren.
Für den Sommer 2024 ist die Lancierung einer von Grund auf erneuerten digitalen App geplant, kombiniert mit einem geänderten Abomodell. Auch die Übersetzung von Artikeln (NZZ in English) wird wieder zu einer Option. Zur ungebrochenen Nachfrage trägt bei, dass die weltpolitische Lage komplizierter und das Ausmass an mit künstlicher Intelligenz manipulierten falschen Informationen grösser geworden ist. Die Aufgabe, hier verlässliche Orientierung, Einordnung und Differenzierung zu bieten, hat so eher noch an Bedeutung gewonnen.
Am Samstag genehmigten die Aktionäre alle Anträge inklusive der Ausschüttung einer Dividende von 20 0 Franken pro Aktie und kleinerer Statutenänderungen. Nach elf engagierten Jahren im Verwaltungsrat, davon acht Jahre als dessen Vizepräsident, wurde Christoph Schmid wegen Erreichen der Altersgrenze mit viel Applaus verabschiedet.
Als Nachfolgerin wurde die Wirtschaftsanwältin Tanja Luginbühl in den Verwaltungsrat der NZZ gewählt. Sie hat an der Universität Zürich und an der New York University studiert und ist seit 2005 Partnerin in der Anwaltskanzlei Lenz & Staehelin in Zürich. Das Amt des Vizepräsidenten übernimmt neu Matthias Reinhart.
Bundesrat Rösti verteidigt SRG
Als Mitglied der SVP und nicht der FDP könnte Albert Rösti nicht NZZ-Aktionär werden. Als Bundesrat aber liess sich der nebst Energie und Umwelt auch für Medien und Kommunikation zuständige «Medienminister» die Gelegenheit nicht entgehen, sich an die über 1000 zum traditionellen Bankett versammelten NZZAktionäre und Gäste zu richten. Er sei überzeugt, dass unabhängige Medien und Meinungsvielfalt für das Funktionieren einer Demokratie unabdingbar seien. In der kleinen, aber vielfältigen Schweiz brauche es neben privaten Unternehmen einen öffentlichen Leistungsauftrag, den die SRG erfülle, erklärte Rösti.
In seiner Ansprache analysierte Chefredaktor Eric Gujer schliesslich, wieso sich die Schweizer seit je vom Weltgeschehen nur ungern stören lassen, nach der Stille des lieben Glarnerlands sehnen und eine urschweizerische Allergie gegen «fremde Fötzel» hegen würden. Das führe gelegentlich zu einer beängstigenden Realitätsverweigerung und auch dazu, dass Diskussionen über das Verhältnis zur EU schnell in einen Glaubenskrieg ausarteten. Das Beharren auf Souveränität und Prinzipien habe zwar durchaus seine Vorzüge, doch könne sich das Land dem Epochenwechsel, der gerade stattfinde, nicht einfach entziehen und sollte zumindest zu einer zweckdienlichen Interpretation seiner Neutralität finden, mahnte Gujer.