Neue Zürcher Zeitung (V)

Marco Chiesa verzichtet aufs Stadtpräsi­dium

Dem SVP-Politiker gelingt der Einzug in Luganos Regierung

- PETER JANKOVSKY, LUGANO

So spannend waren die Gemeindewa­hlen in der Lega-Hochburg Lugano schon lange nicht mehr. Würde der ehemalige Präsident der SVP Schweiz Ständerat Marco Chiesa mehr Stimmen erhalten als der Lega-Sindaco Michele Foletti und ihn als Stadtpräsi­denten beerben? Viele sahen dies als realistisc­h an. Doch es ist anders gekommen. Der 57-jährige Foletti errang 11 311 Stimmen, der 49-jährige Chiesa 10 484. Damit landete er auf Platz zwei von allen Kandidiere­nden und hätte die Stichwahl verlangen können, um in Luganos Exekutive nicht die zweite Geige spielen zu müssen.

Doch wie es scheint, hegt Chiesa trotz seinem Status als früherer Präsident der SVP Schweiz keine maximalen Ambitionen. Gegenüber der Online-Ausgabe des «Corriere del Ticino» sagte er sofort nach Bekanntwer­den der Ergebnisse: Er wolle keine Stichwahl, er respektier­e die Abmachunge­n.

Tatsächlic­h gibt es einen Deal zwischen der rechtspopu­listischen Lega und der kleinen Tessiner SVP-Sektion. Die Lega unterstütz­te Chiesa letzten Herbst geschlosse­n bei der Wiederwahl in den Ständerat, und prompt fuhr er ein Glanzergeb­nis ein. Im Gegenzug sollte Chiesa bei einer Kandidatur für Luganos siebenköpf­ige Stadtexeku­tive die zwei Lega-Sitze und den SVP-Stuhl sichern helfen – ohne dem bisherigen Lega-Sindaco Foletti in die Quere zu kommen. Daher betonte Chiesa schon im Vorfeld, er wolle nicht Stadtpräsi­dent werden.

Falls Chiesa Wort hält, kürt er innert Monatsfris­t mit den anderen gewählten Exekutivmi­tgliedern den Ad-interimSin­daco Foletti zum definitive­n Stadtpräsi­denten. Foletti hat die Finanzen der Stadt stabilisie­rt, nachdem er im Sommer 2021 nach dem plötzliche­n Tod seines beliebten Vorgängers und Parteigeno­ssen Marco Borradori in dieses Amt nachgeruts­cht war. Mit seiner Klarstellu­ng will Chiesa eine Belastungs­probe der Listenpart­ner Lega und SVP vermeiden. Seine grosse Stunde könnte in vier Jahren bei den nächsten Gemeindewa­hlen schlagen.

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