Crew setzte Notsignal ab und warf noch den Anker
Drama in der Grossstadt Baltimore im US-Bundesstaat Maryland. Ein Schiff rammt die Francis-ScottKey-Brücke. Diese stürzt ein. Es passierte mitten in der Nacht auf gestern. Um 1.10 Uhr Ortszeit fährt das Containerschiff Dali in Richtung Brücke. Das Frachtschiff ist 300 Meter lang und 48 Meter breit. Es fährt unter der Flagge Singapurs.
Alles verläuft zunächst wie geplant. Eine Viertelstunde später beginnen aber plötzlich die
Lichter des Frachters zu flackern. Rauch steigt auf. Die Brücke liegt noch 200 Meter vom Schiff entfernt.
Die Dali kann den Kurs nicht halten. Und steuert so auf einen der beiden Hauptstützpfeiler der Brücke zu. Die Besatzung setzt ein Notsignal ab. Verzweifelt wird der Anker geworfen.
Es hilft alles nichts. Das Schiff donnert kurz vor 1.30 Uhr in einen der Brückenpfeiler. Die Brücke hält der Wucht nicht stand. Und fällt in sich zusammen. Immerhin: Dank des Notfallsignals der Besatzung können Beamte den Verkehr über die Brücke stoppen: Sie verhindern, dass noch mehr Autos auf die Brücke gelangen.
Trotzdem: Als die Brücke einstürzt, befinden sich acht Personen darauf. Gemäss Maryland
Verkehrsminister Paul Wiedefeld (68) haben die Einsatzkräfte zwei Männer gerettet. Einer von ihnen liegt schwer verletzt im Spital, der andere blieb offenbar unverletzt. Berichten zufolge sei später ein lebloser Körper im Wasser entdeckt worden. Die Suche nach den verbliebenen Personen geht weiter. Offenbar handelt es sich um Arbeiter, die in der Mitte der Brücke am Werk waren. Das Bauunternehmen geht davon aus, dass ihre Leute vermutlich tot seien.
Den Bewohnern von Baltimore lag viel an ihrer Brücke. «Es ist verheerend», sagt etwa Kathy Carducci (59) zu NBC News. «Ich habe so viele Bilder von der Brücke.» Sarah Vitale (40) ist geschockt. «Ich habe das Filmmaterial gesehen. Es ist wie in einem Horrorfilm», sagt sie. «Vielleicht ist der heutige Tag eine Erinnerung daran, dass manchmal unglückliche Dinge passieren und wir nichts dagegen tun können», fasst Richard Mead (48) seine Gedanken zum Unfall zusammen. In einer Sache sind sich alle einig: Es hätte, was die Opfer angeht, noch viel schlimmer kommen können. Wäre der Unfall zur Hauptverkehrszeit passiert, wären mit Sicherheit mehr Autofahrer ums Leben gekommen.
Zwei, die die Geschehnisse aus dem obersten Stockwerk ihres Hauses beobachteten, sind Charlie Totten (38) und seine Frau Lauren Marks (34). Das Paar hat ein Segelboot, steuerte es regelmässig unter der Brücke hindurch. «Jetzt ist die Brücke einfach weg», sagt er.
Die Brücke war rund 2,6 Kilometer lang und führte am äussersten Ende des wirtschaftlich wichtigen Hafens von Baltimore über den Patapsco River. Die Fahrbahn hatte vier Spuren und war Teil der Interstate 695. Erbaut wurde die Brücke im Jahr 1977.
Weniger alt ist das Unfallschiff – nämlich neun Jahre. Die Kollision in Baltimore war nicht die erste der Dali. 2016 stiess sie mit der Hafenmauer in Antwerpen in Belgien zusammen, wie ABC News berichtet.
«Es ist wie in einem Horrorfilm.» Sarah Vitale