Freundliche Riesin vertreibt Monster der Angst
Die Künstlerin Saelia Aparicio hat zwei Skulpturen für das Zentrum Coster in Pollença geschaffen, die sich zwischen Fantasie und Realität bewegen
La Giganta Amable” sitzt an einem Hang des Puig de Maria auf dem trockenen Erdboden. Das Städtchen Pollença in ihrem Rücken, zieht sie mit ausgefranstem Mund und Augen ein freundliches Gesicht. Aus einem ihrer angewinkelten Beine haben sich drei koboldartige Figuren gelöst, vielleicht sind sie auch herausgepurzelt, und scheinen nun übermütig umherzuspringen. Drei weitere Figuren klettern auf dem Kopf der Figur herum, andere hängen an ihrem Arm. So hat sie ihren Platz auf dem Gelände des Zentrums Coster Art i Natura gefunden, das von dem Pollençiner Künstler Amador ins Leben gerufen wurde.
„Die freundliche Riesin” ist gut zwei Meter hoch, besteht aus Eisen und Keramik und ist eine Schöpfung von Saelia Aparicio. Die Künstlerin wurde 1982 in Valladolid geboren und lebt heute in London. Ihre Skulpturen und Installationen bilden eine fiktive und ironische Welt, deren Marksteine der Ökologie, der Feminismus und die Allegorie sind.
Die Werke Aparicios zeigen hybride Kreaturen, Figuren, die sich zwischen Tier und Mensch, zwischen Fantasie und Realität, zwischen Geschlechtern und Rollen bewegen. Eben diese Figuren stellt die Künstlerin als Träger einer positiven Energie dar, die es zu verstehen und zu nutzen gilt.
Auf Vorschlag der Kuratorin und Leiterin des Institute Art Gender Nature der Fachhochschule Nordwestschweiz in Basel, Chus Martínez, wurde Aparicio ausgewählt, dieses Jahr eine ortsspezifische Arbeit für den Skulpturenpark des Zentrums zu kreieren. Nach 2022 mit Arbeiten von Eva Lootz, Susana Solano und Stela Rahola und 2023 mit Werken von Katinka Bock und Ludovica Carbotta ist „La Giganta amable” nun das dritte Projekt, das in Coster Gestalt angenommen hat.
Das Werk von Saelia Aparicio dreht sich um die Idee des Monsters als ein Wesen unserer Zeit, die sich durch rasante Umbrüche auszeichnet. Der italienische Philosoph Antonio Gramsci schrieb: „Die alte Welt stirbt. Das Neue erscheint nur langsam. Und in diesem Halbdunkel tauchen die Monster auf.” Immer dann, wenn ein soziokulturelles System endet oder nicht mehr effizient funktioniere, entstünden Realitäten und Horizonte, die auf diese neue Welt hinweisen, die im Begriff ist zu erscheinen.
Die Beobachtung der Künstlerin: Diese neuen Realitäten werden erst einmal negativ wahrgenommen, weil sie die Logik der alten Welt nicht reproduzieren. „Ich denke, das größte zeitgenössische Monster ist der Wandel, wir haben große Angst vor ihm, dabei ist er die einzige Konstante. Alles verändert sich ständig, nichts bleibt.”
Früher war alles besser, vor uns liegt die große Katastrophe: So lautet eine weit verbreitete Ansicht. Im Gelehrtenjargon spricht man von Kulturpessimismus. Die Vergangenheit sei schon immer idealisiert und mit nostalgisch verklärt worden, hält Aparicio dagegen. Mit der „freundlichen Riesin” setzt sie ein Korrektiv: Ihre Figur wirft im Licht der Sonne nicht nur Schatten, sondern auch ein optimistisches Schlaglicht, das „Freude bringen will, damit sich die Dinge ändern”. Der Mensch, so die Künstlerin, neige dazu, in allem, was ihn umgibt, eine Gefahr zu wittern. Deshalb brauche er „freundliche Riesinnen”, um in dem, was sich seinem Verständnis entzieht, auch die gute Seite zu sehen.
Aparicios neues Werk ist mithin eine Beschwörung der Sanftheit, der Zärtlichkeit und des Mitgefühls des Menschen durch ein Wesen, das in der Lage war, die Brutalität, den Widerwillen und die Grausamkeit zu überwinden, die die menschliche Spezies allzu oft kennzeichnen.
Und „La Giganta Amable” ist nicht allein in Coster. Sie wird von „Metamorphosis” begleitet, einer temporären Holzarbeit, begleitet: Eine schlafenden oder tote Frauenfigur, aus der ein Frauenkörper herausschwebt, bevölkert von allerlei Gekreuch und Gefleuch. Links und rechts davon stehen zwei Hocker, auf denen Arme und ein Gesicht erkennbar sind, aber auch die Blüten von Sauerklee und Katzenkralle, von denen Aparicio sagt: „Diese Arten galten zunächst als invasiv und schädlich. Heute sind sie eingebürgert und werden als gut für den Boden geschätzt. Insbesondere Sauerklee wird sogar in Zitrusplantagen angebaut, weil er den Boden mit Sauerstoff versorgt.”
Coster mit seinen Skulpturen kann nach vorheriger Vereinbarung besichtigt werden. Kontakt: info@costerartinatura.com oder 628-045420.
Die Idee des Monsters als ein Wesen unserer Zeit mit ihren rasanten Umbrüchen