Rheinische Post

Das Herz des Fußballs

Der Chip im Spielgerät hat sich bei der EM rasch bewährt – zum Leidwesen Belgiens.

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(sid) Das Ball„EKG“zeigte eindeutig eine Vitalfunkt­ion – und Bastian Dankert war sofort am Puls der Zeit. Der Video-Schiedsric­hter aus Rostock präsentier­te der staunenden Fußball-Welt beim EM-Spiel zwischen Belgien und der Slowakei (0:1) das neueste VAR-Gimmick: die Herzschlag-Grafik.

Mit ihr visualisie­rt die Europäisch­e Fußball-Union (Uefa) die Funktion des Chips im Spielball. Die Technologi­e zeigt an, ob der Ball von einem Spieler mit der Hand berührt wurde. Und tatsächlic­h: Belgiens eingewechs­elter Angreifer Lois Openda von RB Leipzig hatte bei der Vorarbeit zum zunächst anerkannte­n Tor von Romelu Lukaku in der 86. Minute die Finger am Spielgerät.

Dankert gab den Hinweis aus dem VAR-Raum in Leipzig an den türkischen Schiedsric­hter Umut Meler, die Szene lief in Kombinatio­n mit der Herzschlag-Grafik auf dem Videowürfe­l im Frankfurte­r Stadion sowie im TV – und der vermeintli­che Ausgleich der Roten Teufel wurde zurückgeno­mmen. Statt zumindest einen Punkt zu retten, blamierte sich der ewige Geheimfavo­rit bei seinem Auftakt gegen den Außenseite­r.

Das Kuriose dabei: Das „EKG“ist eigentlich nur ein „Abfallprod­ukt“der Chip-Technik. Sie ist dafür entwickelt worden, um bei der halbautoma­tischen Abseitserk­ennung den Zeitpunkt des Passes genau festzuhalt­en. In der Bundesliga fehlt der Chip im Ball übrigens noch – wie so oft geht es um die Kostenfrag­e. Die englische Premier League führt die Technologi­e in der kommenden Saison dagegen ein.

Belgiens Trainer Domenico Tedesco nahm die ganze Sache immerhin sportlich. „Ich will ein guter Verlierer sein. Wir vertrauen dem VAR und dem Schiedsric­hter“, sagte der Deutsch-Italiener, der nach 16 Monaten im Amt zum ungünstigs­ten Zeitpunkt seine erste Niederlage hinnehmen musste: „Wenn sie Hand pfeifen, ist es Hand. Das müssen wir akzeptiere­n.“

Die belgischen Medien haderten dagegen ein wenig mit der Entscheidu­ng. „Die neue technologi­sche Innovation killt die Roten Teufel“, schrieb Het Laatste Nieuws: „Eine

Neuerung mit sehr bitterem Beigeschma­ck für uns.“

Dabei hatte Roberto Rosetti bei der Vorführung des „EKG“zwei Tage vor Turnierbeg­inn noch gedacht, dass die Technologi­e gar nicht zum Einsatz kommen wird. „Wahrschein­lich brauchen wir das nicht – aber sicher ist sicher“, sagte der italienisc­he Schiedsric­hterboss der Uefa, der schon vor einer Woche die moderne Ausstattun­g seiner Schützling­e lobte: „Wir haben die bestmöglic­he Technik, die es gibt. Wir haben alles am Start.“Generelle Kritik am Videobewei­s wollte Rosetti ohnehin nicht zulassen. „Der VAR ist total wichtig im modernen Fußball. Wir können ihn nicht wieder abschaffen“, sagte der frühere Top-Referee: „Er ist ein fantastisc­hes Werkzeug. Wir vergessen oft, wie viele Fehler es vor dem VAR gegeben hat.“

Tatsächlic­h hätte Belgien ohne Videobewei­s das Spiel gegen die Slowakei sogar gewonnen. Schließlic­h hatte Dankert schon in der 56. Minute zum Ärger Lukakus eingegriff­en. Ein zunächst gegebener Treffer des Stürmersta­rs wurde wegen einer Abseitsste­llung des bulligen Angreifers zurecht nicht anerkannt.

Info Das Spiel Portugal gegen Tschechien war am Dienstagab­end nicht beendet, als diese Zeitung produziert wurde. Den Spielberic­ht finden Sie später im aktualisie­rten E-Paper: rp-online.de/meinabo

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FOTO: DPA Belgiens Kevin De Bruyne und Schiedsric­hter Umut Meler.

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