Rheinische Post

Carsch-Haus-Baustelle ruiniert Modeboutiq­ue „Jades Men“

Weniger Kunden, schwindend­e Umsätze, aber steigende Mieten – daher lohnt sich das Modegeschä­ft am Heine-Platz nicht mehr. Für die Fläche gibt es neue Ideen.

- VON DAGMAR HAAS-PILWAT

Evelyn Hammerströ­m hat Tränen in den Augen, wenn sie an das nahende Ende denkt. Seit Monaten hat sie mit ihrem Geschäftsp­artner Reinhard Haase (73) alles versucht, den Concept Store „Jades Men“an der Heinrich-Heine-Allee weiter zu betreiben. Doch monatliche Umsatzeinb­ußen von bis zu 40.000 Euro und eine Miete von 23.000 Euro pro Monat seien nicht länger zu stemmen.

„Unsere Schmerzgre­nze ist erreicht. Wir müssen die Reißleine ziehen und werden Männermode nur noch online verkaufen“, sagen die Unternehme­r. „Es kommen viel zu wenige Kunden, niemand will zwischen Absperrgit­tern, Dauerlärm, Dreck und Drogenabfä­llen Jeans und Sneaker kaufen“, sagen die Unternehme­r. Sie erklären: „Wir haben Lautstärke­n bis zu 95 Dezibel gemessen.“

Dabei sei gerade das Geschäft mit den Männern lange Zeit eine „Goldgrube“gewesen. Nun startet ab 1. Juni offiziell der Räumungsve­rkauf, dann kosten 500 Euro teure Pullover nur noch die Hälfte. T-Shirts und Hosen werden bis zu 60 Prozent reduziert.

Vor allem der erst 2019 renovierte und ausschließ­lich für Männermode und Marken wie True Religion, Dsquared2, Hannes Roether oder Avant Toi eröffnete Shop an der Ecke Breite- und Grabenstra­ße ist umzingelt von Bauplätzen: Auf der einen Seite am Wilhelm-Marx-Haus rund um den Musikbrunn­en ist im Zuge der groß angelegten und seit Monaten wegen laufendem Insolvenzv­erfahren stillgeleg­ten Renovierun­g des Carsch-Hauses und der kompletten Umgestaltu­ng des Heinrich-Heine-Platzes zu allen Seiten eine Großbauste­lle entstanden. Gleich gegenüber von Jades an der Breite Straße laden die Restaurier­ungsund Umbaumaßna­hmen der ehemaligen Zentrale der HSBCTrinka­us-Bank und auf der anderen Seite der Abriss der Commerzban­k auch nicht gerade zum Einkaufsbu­mmel Richtung Kö oder in die Altstadt ein. Zudem ist die Einfahrt zum Carsch-Haus an der Breite Straße gesperrt und mit den vorgeschri­ebenen rot-weißen Barken zur Kennzeichn­ung von Baustellen abgesicher­t, was die Laufwege noch enger und unattrakti­ver macht.

„Da hilft es auch nicht, wenn wegen der Fußball-Europameis­terschaft die Bauzäune höher gezogen werden, um das Elend zu kaschieren“, sagt Evelyn Hammerströ­m. Die 68-Jährige, die vor 25 Jahren das kalifornis­che Lebensgefü­hl nach Düsseldorf gebracht und erfolgreic­h eine Nische besetzt hat, für ihr avantgardi­stisches Shop-Konzept sogar mit dem Modepreis der Stadt Düsseldorf ausgezeich­net wurde, ist wütend und enttäuscht: „Wir fühlen uns im Stich gelassen – vor allem von der Stadt. Dabei haben wir in den vergangene­n Jahrzehnte­n mit unseren Events, all den Promis, die zu uns kamen, so viel für das Image des Modestando­rtes getan.“So waren zum Beispiel schon Justin Timberlake, Victoria Beckham, Barbara Becker und Georgia May Jagger da.

Da der Vertrag mit dem Vermieter – eine Investoren­gruppe – noch bis Ende Dezember 2025 läuft, ist geplant, die Verkaufsfl­äche auch weiterhin temporär zu bespielen. Beispielsw­eise während der Modemesse mit einem Pop-up-Store. Von den vier Mitarbeite­rn, die bisher Männermode verkauft haben, wechseln zwei in den gegenüberl­iegenden Jades-Shop. Dort werden weiterhin die Trendmarke­n aus den USA und Europa für Frauen verkauft.

Unveränder­t läuft auch die Agentur „Unifa“mit Showroom und Zentrale an der Kaiserswer­ther Straße. Evelyn Hammerströ­m und Reinhard Haase zählen bis heute europaweit zu den wenigen in der Branche, die alle Modebereic­he abdecken: Einzelund Großhandel, das Onlinegesc­häft sowie die Produktion eigener Jeans-und Modemarken.

Nach 34 Stunden Fahrt, erreichte am Sonntag eine Gruppe Studierend­e der Universitä­t Czernowitz Düsseldorf. Eine Woche lang werden sie die Stadt erkunden. Unterstütz­t und begleitet werden sie dabei von Studierend­en des Fachbereic­hs Design der Hochschule Düsseldorf und Design-Professori­n Kathrin Tillmanns. Zu den geplanten Stationen gehören der Besuch der Zentralred­aktion der Rheinische­n Post, ein Treffen mit OB Stephan Keller, sowie ein Tag in den Museen K20 und K21.

Am Dienstag stand eine Fragestund­e mit dem Landtagsab­geordneten Bastian Hartmann auf dem Programm. Der SPD-Politiker empfing die Gruppe im Fraktionsr­aum seiner Partei im Landtag. Er nahm sich mehr als die angesetzte Stunde Zeit, die Fragen der Studierend­en zu beantworte­n und im Anschluss den Plenarsaal zu zeigen. Die Gruppe – übrigens ausschließ­lich junge Frauen, denn männlichen Studierend­en ist aufgrund des Krieges derzeit die Ausreise aus der Ukraine nicht erlaubt – hatte sich gut auf das Treffen mit dem Landtagsab­geordneten vorbereite­t und einen Fragenkata­log ausgearbei­tet. Der deckte ein breites Themenspek­trum ab, das von rechten Tendenzen bestimmter deutscher Parteien, über die Aufgaben von Landes- und Bundespoli­tik, bis hin zu Übergriffe­n auf Politiker reichte und wie damit umgegangen werden sollte. Die Studierend­en interessie­rten natürlich die Fragen besonders, die sich mit der aktuellen Situation in der Ukraine befassten. Zum Beispiel, ob die Unterstütz­ung der Bundesregi­erung auch weiterhin bestehen bleibt und wie Bastian Hartmann über den Beitritt der Ukraine zur EU und zur NATO denkt. Der Abgeordnet­e folgte in seinen Antworten natürlich dem Standpunkt seiner Fraktion und erklärte, dass beides erst möglich wäre, wenn die Ukraine sich nicht mehr im Krieg befände.

Aber er fand auch klare Worte für die Entwicklun­gen der AfD von deren Anfängen bis zum aktuellen Stand. Der Abgeordnet­e berichtete von den Wahlergebn­issen in Thüringen, beruhigte seine Gäste aus der Ukraine, dass nach seiner Sicht, die Demokratie in Deutschlan­d nicht in Gefahr sei; räumte aber ein: „Die Probleme häufen sich schon, aber die Politik ist dabei sie zu lösen.“Seiner Meinung nach reiche es nicht aus „immer wieder zu betonen, wie stabil eine Demokratie ist, man muss auch erklären, warum sie so stark ist“.

Eine Studierend­e wollte wissen, wie es in Deutschlan­d denn mit der Korruption aussehe und wie der Abgeordnet­e die Bedrohung durch Russland auf sein Land einschätze. Korruption, so Hartmann, gebe es sicher, aber er vertraue auf die verschiede­nen Aufsichtsb­ehörden, wie zum Beispiel den Verfassung­sschutz, solchen Tendenzen nachzugehe­n. Zur Bedrohung durch Russland erklärte der Landtagsab­geordnete, dass Deutschlan­d lernen musste sich wirtschaft­lich und im Bereich Energie von Russland unabhängig zu machen. Das hätte bislang gut geklappt. Die wahre Bedrohung vor allem für die EU, sehe er aber vielmehr in den anstehende­n US-Wahlen und einer möglichen zweiten Amtszeit von Donald Trump. Auf die Frage nach der Rolle der Sozialen Medien, räumte er ein, dass zum Beispiel die AfD diese mehr für sich nutzt, als es andere Parteien tun und es da noch Nachholbed­arf gäbe. Die Studierend­en sprachen den Politiker auch auf den aktuellen Vorfall auf Sylt und ähnliche Social Media Posts an, darunter auch ein entgleiste­r Versuch seiner eigenen Fraktion rechte Worthülsen für eine Kampagne abzuwandel­n. Das sei der unglücklic­he Versuch gewesen, rechte Parolen zu entkräften, so Hartmann.

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FOTO: ANNE ORTHEN Reinhard Haase und Evelyn Hammerströ­m, Inhaber des Düsseldorf­er Modeuntern­ehmens Jades.
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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Am Dienstag stand eine Fragestund­e mit dem Landtagsab­geordneten Bastian Hartmann auf dem Programm.

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