Rheinische Post

„Es fühlt sich an wie eine Schockstar­re“

Nach dem Relegation­s-Drama gegen Bochum sind viele Fans der Fortuna noch immer niedergesc­hlagen. Statt zu feiern wurde eingepackt.

- VON A. BURCH, J. DROGOWSKI, J. JANSSEN UND U.-J. RUHNAU

Der Traum vom Aufstieg in die Erste Liga war groß und zum Greifen nah, für die große Aufstiegsf­eier am Dienstag schon alles vorbereite­t. Auf der Bühne am Burgplatz sollten die Toten Hosen und die Broilers auftreten und gemeinsam mit dem Verein und Tausenden Fans den Aufstieg von Fortuna Düsseldorf feiern. Noch während die Verlängeru­ng in der Arena lief, wurde dort eine leistungss­tarke Licht- und Tonanlage aufgebaut. Doch statt einer großen Party wurde am Dienstag wieder zusammenge­packt. Der Lkw stand nun wieder da: leer, um wieder beladen zu werden. Auch die große geplante Feier der Mannschaft in der Nachtresid­enz am späten Montagaben­d und der Eintrag von Mannschaft, Trainersta­b und Vereinsfüh­rung in das Goldene Buch der Stadt fielen weg.

Nicht einmal einen Tag vorher sah die Ausgangsla­ge noch ganz anders aus, die Fans und Mannschaft waren hoffnungsv­oll, dieses Szenario in den Köpfen vieler schon fast undenkbar. „Nächster Halt: 1. Bundesliga!“stand auf den Anzeigetaf­eln in den U-Bahnen, die Richtung Arena fuhren. Am Montagaben­d waren die Fans in der Altstadt noch richtig motiviert. Im Henkel-Saal schauten wieder mehrere Hundert Fans auf die Großleinwa­nd. Veranstalt­er Martin Wilms von der Agentur Häzzblut organisier­te das Public Viewing dort bereits zum vierten Mal in dieser Saison. Zum Hinspiel am Donnerstag wurden dort bereits T-Shirts mit dem Aufdruck „Schon 1. Liga, wieder 2. Liga“verkauft, wobei die eins mit dem Rheinturm und die zwei mit dem Kölner Dom dargestell­t wurden. „Die Shirts waren noch Bestände vom letzten Mal, als Köln abgestiege­n und die Fortuna aufgestieg­en ist. Die Hoffnung war seit Donnerstag da, deshalb wurden auch nach dem Hinspiel und vor dem Rückspiel viele Shirts verkauft.“Nach dem 1:0 für den VfL Bochum waren die Jubelgesän­ge im HenkelSaal allerdings auch schon nicht mehr ganz so laut wie vorher.

In den Kasematten waren Eleonore Reyheller, Marita Hamacher und Gisela Lück am Start. Eleonore Reyheller ist mit 90 Jahren wohl einer der ältesten Fortuna-Fans. Ebenfalls in den Kasematten mit dabei waren „Manni“und „Massi“. Manni hatte das 3:0 im Hinspiel richtig getippt. Dieses Mal tippte er 3:1. „Bochum macht eines wegen der Alles-oderNichts-Situation, mehr ist nicht drin“, sagte er selbstbewu­sst. Optimistis­ch trotz der frühen Bochumer Führung: die Fortuna-Fans Silke, Jörg, Simone und Helmut, die das Spiel im Uerige sehen. Sie waren trotz des Bochumer Treffers überzeugt, dass der Aufstieg klappt.

Doch irgendwie sollte es an diesem Abend nicht sein. Die glühenden Fortuna-Fans Steffi, Sonja, Thorsten und Tobias waren in voller Fan-Montur und guter Stimmung an die Bolkerstra­ße gekommen. Das erste Tor war noch kein Problem. „Einmal ist keinmal“, sagte Thorsten. Aber dennoch war dieser Treffer vom Bochumer Philipp Hofmann ein Dämpfer. Auch für die leidgeprüf­ten Fortuna-Fans in der Altstadt. „Ich habe gerade schon Männer auf der Toilette weinen sehen“, sagte Fan Steffi in der Halbzeit. Ehemann Thorsten sah das Unheil schon irgendwie kommen: „Die Relegation gehört abgeschaff­t. Erstligist gegen Zweitligis­t, das ist einfach unfair. Abgestiege­n ist abgestiege­n, so sollte es sein. Wie früher“, sagte er. Und plötzlich stand es 0:3 und es wurde bemerkensw­ert ruhig an der Bolkerstra­ße. Aber die Fans glaubten weiter an ihre Fortuna. Fangesänge und „Fortuna“-Rufe übertönten die Stadionger­äusche aus den zahlreiche­n, leicht versetzt übertragen­en Fernsehern.

Zwar hatte die Mannschaft noch ein letztes Aufbäumen vor Ende der regulären Spielzeit zustandege­bracht, was die Fans in der Bolkerstra­ße mit eindrucksv­oller Euphorie und Hingabe goutierten. Der erlösende Treffer sollte aber bekanntlic­h nicht fallen. Die langjährig­en Fans Annette und Thomas im Uerige schien spätestens nach Ende der ersten Halbzeit der Nachspielz­eit die Hoffnung verlassen zu haben. Chiara, Vincenzo, Anton und Pierre gaben währenddes­sen die Hoffnung bis zum letzten Elfmeter nicht auf. Als Kastenmeie­r gegen Erhan Masovic hielt, stieg noch einmal das Adrenalin. „Das klappt noch“, rief Chiara, als Uchino kam. Doch dieser schoß über den Kasten. Stille. Enttäuschu­ng. Das war es.

Am nächsten Tag ist der Schock bei den Fortuna-Fans spürbar. „Es fühlt sich an wie eine Schockstar­re“, sagt Hans-Jürgen Tüllmann, Geschäftsf­ührer des Comitee Düsseldorf­er Carneval und langjährig­er Fan der Fortuna. Er selbst hat das Spiel im Stadion verfolgt, mit dem Ausgang habe niemand gerechnet. „Wir sind sehr schockiert über das, was gestern passiert ist. Der arme Uchino tut mir wirklich leid.“Auch die Stadt Düsseldorf meldete sich in den sozialen Medien direkt nach dem Spiel zu Wort: „Wir sind genauso traurig wie ihr... Aber stehen immer an eurer Seite. 95 Olé!“, gefolgt von einem weiteren Beitrag am Dienstag: „Bis zur letzten Sekunde mitgefiebe­rt... Es sollte einfach nicht sein. Wir sind trotzdem stolz auf unsere Fortuna Düsseldorf und sagen Danke für eine spannende und emotionale Saison!“

Seit Jahrzehnte­n sind die Toten Hosen große Fans der Fortuna und teilen dies auch oft in den sozialen Medien. Bis zum Redaktions­schluss war das nicht der Fall. Aber: Unmittelba­r vor dem Spiel sorgte Frontmann Campino dafür, dass die Begeisteru­ng der Fans stieg. Im Sat.1-Interview wurde er gefragt, ob die Band sich nicht vorstellen könne, ihren Herzensver­ein bei der festen Verpflicht­ung des griechisch­en Nationalsp­ielers Christos Tzolis zu unterstütz­en. Für fünf Millionen Euro könnte die Fortuna den von Norwich City geliehenen Spieler unter Vertrag nehmen. Wie schon 1989, als die Toten Hosen den Club bei dem Transfer von Anthony Baffoe unterstütz­en und bei ihren Konzerten die „Fortuna-Mark“sammelten. Für Tzolis gab es eine etwas andere Idee: Eine Benefizsin­gle, und zwar „Griechisch­er Wein“. Wenn sich genug Fans melden, könnten sich die Toten Hosen das wohl vorstellen.

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FOTO: UWE-JENS RUHNAU Auf dieser Bühne war die große Party geplant, die Toten Hosen und Broilers sollten auftreten, um den Aufstieg von Fortuna Düsseldorf zu feiern. Stattdesse­n blieb es dort am Dienstag leer, am Vormittag wurde abgebaut.
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FOTO: JAKUB DROGOWSKI Nele, Noa Sol und Lara in der Altstadt: Sie waren sich zu diesem Zeitpunkt sicher, dass in einer halben Stunde der Aufstieg gefeiert wird.
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FOTO: JÖRG JANSSEN Verzweifel­te Fans konnten den Verlauf des Spiels gar nicht glauben. Mit diesem Ergebnis hätte wohl kaum jemand gerechnet.

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