Von geheimer Bar bis Schatzkammer
Chinesische Mauer, Akropolis – und das Bremer Rathaus und der Roland: Die beiden Wahrzeichen der Hansestadt reihen sich seit 20 Jahren in die Unesco-Welterbeliste. Ein besonderer Rundgang zum Jubiläum.
Für ein Foto mit den Bremer Stadtmusikanten drängeln sich Touristen aus aller Welt, dabei ist die eigentliche Attraktion im Hintergrund: Das Bremer Rathaus und die Rolandstatue von Anfang des 15. Jahrhunderts sind seit 20 Jahren Unesco-Welterbe. Zum Jubiläum einige Besonderheiten:
Das köstliche Fundament des Rathauses Das Bremer Rathaus thront auf einem riesigen Weinkeller. In dem Gewölbe befindet sich das weltweit größte Sortiment ausschließlich deutscher Weine. „Hier ist Platz für 1,2 Millionen Liter Wein“, sagt Ratskellermeister Frederik Janus. Zumindest theoretisch, heute lagern noch mehrere 100.000 Flaschen Wein im Ratskeller.
Ein unmoralisches Angebot Im schummrigen Kerzenlicht ist der älteste deutsche Fasswein im Bremer Ratskeller aufgebahrt. Der „Rosewein“wurde 1653 in Rüdesheim am Rhein gekeltert. Und wie schmeckt der Tropfen heute? „Das weiß ich nicht, ich habe noch nicht probiert“, sagt Janus. Als Ratskellermeister ist er der Einzige, der in den Genuss kommt. Ein Urlauber bot Bremen vor einigen Jahren 125.000 Euro für eine Flasche von dem Weißwein – ein verlockendes Angebot für die klamme Stadt, aber keine Chance.
Bremer Exklave an der Mosel Die steife Brise in der Hansestadt ist nicht gerade ideal für den Weinanbau, trotzdem bewirtschaftet der Ratskeller einen eigenen Weinberg. Das „Erdener Treppchen“liegt zugegebenermaßen 500 Kilometer südlich an der Mittelmosel in Rheinland-Pfalz. Dort wachsen die Trauben für den Bremer Senatswein, bei der Weinlese hilft traditionell ein Mitglied der Regierung mit.
Der Schlüssel zur Schatzkammer Nur der Regierungschef und der Ratskellermeister haben Zugang zur Schatzkammer. Der Schlüssel ist unscheinbar, ganz im Gegensatz zum Schatz: unzählige in Folie eingewickelte Flaschen Trockenbeerenauslese und Beerenauslese, sehr süße Weine aus verschrumpelten Rosinen. Wegen des hohen Zuckergehalts sind die Flaschen lange haltbar. „Diese Weine machen auch nach hundert Jahren noch Spaß“, sagt Janus.
Ein teures Vergnügen Gleich links in der Schatzkammer des Ratskellers lagert die älteste frei verkäufliche Flasche Wein: der „Rüdesheimer Apostelwein“ von 1727. „Man trinkt davon nicht ein Glas zum Genießen oder gegen den Durst“, erklärt Janus. Schon ein Schluck sei sehr intensiv, der Geschmack lege sich über die Zunge. „Das ist ein irres Erlebnis.“Die wenigen Flaschen verwaltet der Ratskellermeister selbst, eine koste 3000 Euro.
Die versteckte Turmbar Der ehemalige Hausmeister hat in seiner Turmbar wohl eher Pils und Korn ausgeschenkt. Der kleine Turm gehörte zu seiner Wohnung im dritten Stock des
Rathauses und ist noch immer eingerichtet wie ein Partykeller der 1970er-Jahre: ein Holztresen mit mehreren Barhockern, die Wände tapeziert mit Segelschiffen und Stickern von Werder Bremen, der Boden klebrig vom Alkohol und in der Luft abgestandener Rauch. Seit dem Auszug des damaligen Hausmeisters vor 20 Jahren ist die Bar ungenutzt.
Flagge zeigen Bis heute muss der Hausmeister morgens mit der Hand drei waagrechte Masten vom Dachboden herauskurbeln, an denen die Flaggen vor dem Rathaus wehen. „Der Wind weht oft so stark, dass der Hausmeister die Flaggen mehrmals am Tag wieder einund ausfahren muss“, sagt Peter Lohmann von der Pressestelle des Bremer Senats. Wenn die drei Meter breiten und fünf Meter langen Flaggen nass geworden sind, werden die Tropfen in einer Wanne auf dem Dachboden aufgefangen.
Séparée mit Briefkasten In einem Séparée des Ratskellers konnten Gäste einst direkt ihre Post abschicken. Auf dem Briefkasten aus Holz ist in verschnörkelter, goldfarbener Schrift zu lesen: „Leerung 3 mal täglich“. „Im Lokal wurden früher Postkarten verkauft, die konnten dann gleich verschickt werden“, berichtet Ratskellermeister Janus.
Goldig In der Güldenkammer des Rathauses geraten die Geldsorgen Bremens in Vergessenheit. Es ist eines der wenigen noch erhaltenen Zimmer im reinen Jugendstil, die Wände schmückt eine vergoldete Ledertapete aus der Renaissance-Zeit. Das Dekor und die glänzende Innenausstattung hat der Worpsweder Künstler Heinrich Vogeler 1905 entworfen. In dem Prunkstück des Rathauses werden hohe Gäste empfangen. Rathausführungen finden mehrmals täglich statt und kosten ab neun Euro pro Person. Anmeldungen sind vorab unter „tourismus.bremen.de“möglich