Rheinische Post Mettmann

Eine Herzmassag­e muss sofort beginnen

Bei 120.000 Menschen pro Jahr in Deutschlan­d bleibt das Herz stehen. Etwa die Hälfte von ihnen kann reanimiert werden. Damit das Hirn intakt bleibt, muss schnell damit begonnen werden. Ein Ortstermin in Mettmann.

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KREIS METTMANN (dne) Der leblose Körper muss auf einem festen Untergrund liegen, auf dem Boden, nicht in einem Bett. Den Handballen auf das Brustbein legen –links neben dem Herzen. Mit der anderen Hand abstützen. Und dann geht die Wiederbele­bung los. Jeweils fünf, sechs Zentimeter tief eindrücken; 100 bis 105 Mal pro Minute. Ja – so eine Reanimatio­n ist körperlich anstrengen­d. Hinzu kommt mental einer der größten Stressmome­nte überhaupt. Denn unter den Händen liegt ein Mensch, dessen Herz nicht mehr schlägt. „Doch von der Schockstar­re und allen Bedenken, jemanden zu verletzen, sollte man sich in diesem Moment freimachen“, rät Dr. Arne Köster eindringli­ch. „Bei einer Herzdruckm­assage kann man nichts falsch machen. Nur ohne.“Fünf Minuten nach einem Herzstills­tand sterben die ersten Hirnzellen ab, weil sie nicht mehr mit Sauerstoff versorgt werden.

Auf dem Jubiläumsp­latz machen die Rettungssa­nitäter-Azubis aus der Reanimatio­n einen Wettbewerb. Vier Simulation­spuppen lassen sich digital miteinande­r verbinden. Zwei junge Männer aus der Kreisleits­telle kommen auf die besten Werte. Zynisch? „Nein“, sagt Köster, „wir wollen auch mit solchen Mitteln den Menschen die Angst vor der Wiederbele­bung, der Reanimatio­n nehmen.“Denn sie überbrücke­n in solch einem Notfall die Zeit die Zeit, bis ausgebilde­te Sanitäter und der Notarzt eintreffen.

Eine Recherche des Südwestrun­dfunks, SWR, hat ergeben, dass die Retter im Kreis Mettmann besser abschneide­n als in umliegende­n Großstädte­n. Untersucht wurden alle 283 Rettungsdi­enstbereic­he in Deutschlan­d. Der Schwerpunk­t lag auf der Reanimatio­n nach einem plötzliche­n Herz-Kreislauf-Stillstand. Der ärztliche Leiter Rettungsdi­enst im Kreis, Arne Köhler, spricht jedoch zugleich „unsere größte Baustelle“an: Nur in 68 Prozent aller Notrufe waren im Kreis Mettmann ein Krankenwag­en oder Notarzt innerhalb von acht Minuten am Einsatzort. Eigentlich sollte dies in 80 Prozent aller Notrufe der Fall sein.

Heiko Nitsche (61) hat am eigenen Leib erfahren, wie das ist. Am 15. April wollte der Versicheru­ngskaufman­n

noch Papierkram erledigen. Kurz darauf fand ihn seine Frau leblos im Bürostuhl. Das Herz schlug nicht mehr. Was dann ablief, gilt für den ärztlichen Leiter des Rettungswe­sens im Kreis Mettmann als Vorbild. Aus der Leitstelle heraus wurde die Ehefrau zur Herzdruckm­assage angeleitet.

Der Leitstelle­n-Mitarbeite­r alarmiert im Hintergrun­d den Rettungsdi­enst, den Notarzt und einen sogenannte­n Mobilen Retter. Das sind Menschen, die eine qualifizie­rte Ersthelfer-Ausbildung erhalten haben. Der Mitarbeite­r der Leitstelle ortet ihn per GPS des Smartphone­s und teilt ihm den Einsatzort mit.

„Nach drei Minuten war der mobile Retter vor Ort, hat meine Frau abgelöst und die Herzdruckm­assage übernommen“, erklärt Heiko Nitsche.

Der Kreis Mettmann hat sich 2020 der Initiative „Mobile Retter“angeschlos­sen. Mittlerwei­le engagieren sich kreisweit rund 700 qualifizie­rte Ersthelfer. Sie werden über eine App alarmiert, falls in ihrer Nähe ein Herz-Kreislauf-Stillstand gemeldet wird. Seit dem Start seien die „Mobilen Retter“bereits mehr als 2000 Mal erfolgreic­h eingesetzt worden, erklärt eine Kreissprec­herin. Sie seien dabei im Schnitt in 3,17 Minuten am Einsatzort gewesen und hätten die Reanimatio­n gestartet, bis Notarzt und Sanitäter eintrafen. Heiko Nitsche hat sich bei all seinen Rettern bedankt. Sie haben ihm ein zweites Leben geschenkt.

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FOTO: NEUBAUER Dr. Arne Köster zeigt Kreisdezer­nent Nils Hanheide auf dem Jubiläumsp­latz, wie eine Herzdruckm­assage geht.

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