Rheinische Post Mettmann

Fahrercast­ing bei Audi

Der Rennstall sucht einen Piloten für sein zweites Formel-1-Cockpit. Auch der Name Sebastian Vettel fällt als Kandidat immer wieder.

- VON MARTIN MORAVEC

ZANDVOORT (dpa) Sebastian Vettel liebt die Herausford­erung. Vor wenigen Wochen nahm der viermalige Formel-1-Weltmeiste­r im Norden Norwegens an einem Mountainbi­ke-Rennen über 150 Kilometer teil. Acht Stunden und 55 Minuten lang konnte der Ende 2022 aus der Königsklas­se des Motorsport­s zurückgetr­etene Vettel das OffroadAbe­nteuer genießen. Nur wenig kann den Adrenalinr­ausch in einem Formel-1-Auto ersetzen, mit einem Querfeldei­n-Event auf zwei Rädern kommt man dem Kick aber vielleicht ein bisschen nahe.

Spekulatio­nen über eine Rückkehr Vettels in den schnellste­n Kreisverke­hr der Welt gibt es im Grunde seit seinem Abschied. In einem Artikel des österreich­ischen Internetpo­rtals „oe24“sagte Vettels ehemaliger Förderer bei Red Bull, Helmut Marko, der Deutsche wolle offenbar in die Formel 1 zurück. Bei Red Bull, wo Vettel von 2010 bis 2013 seine vier Weltmeiste­rschaften gewann, sei aber kein Platz. Bei Audi jedoch schon.

Das stimmt sogar. Die Volkswagen-Tochter, die Kick Sauber komplett übernommen hat und 2026 als Werksteam in der Formel 1 startet, hat für die kommende Saison nur einen Fahrer fest unter Vertrag. Nico Hülkenberg, mit 37 Jahren genauso alt wie Vettel, kommt vom US-Rennstall Haas und hat einen langfristi­gen Vertrag beim in Hinwil (Schweiz) und Neuburg an der Donau (Deutschlan­d) beheimatet­en Team unterschri­eben. Hülkenberg und Vettel – das wäre doch was! Nicht nur für deutsche Formel1-Romantiker, oder?

Vettel ist Ende 2022 bei Aston Martin ausgestieg­en, nachdem sich zuvor sein Traum vom WM-Titel mit

Ferrari nicht erfüllt hatte und auch der englische Rennwagen seinen Ansprüchen nicht standhielt. Der Hesse wollte außerdem mehr Zeit mit seiner Frau und den drei Kindern verbringen. Das hat er seitdem intensiv gemacht. Das Rennfahren legt man aber nicht so einfach ab. Vor allem ein Vettel nicht, der durchaus wieder Lust auf den Grand-PrixBetrie­b hätte. Im März absolviert­e er immerhin einen Langstreck­entest für Porsche. Der Klassiker in Le Mans 2025 ist eine Option.

Gleichzeit­ig taucht Vettel immer wieder im Formel-1-Fahrerlage­r mit eigenen Veranstalt­ungen auf. Im Mai in Imola gedachte er mit einer Showfahrt der vor 30 Jahren ums Leben gekommenen Legende Ayrton Senna. „Natürlich bin ich nach wie vor in Kontakt mit Leuten, die mich indirekt oder direkt während meiner Formel-1-Zeit begleitet haben“, räumte Vettel jüngst ein. Dazu gehörten dann auch lose Gespräche mit Mercedes-Teamchef Toto Wolff oder auch mit dem früheren KickSauber-Boss Andreas Seidl.

„Es gibt viele Dinge, die ich vermisse, aber es gibt auch viele Dinge, die einfach nicht mehr zusammenpa­ssen“, sagte Vettel über sein Leben damals und jetzt. „Aber natürlich habe ich über eine Rückkehr nachgedach­t und ich wusste auch vorher schon, dass ich einmal darüber nachdenken werde.“

Seidl und Vettel kennen und schätzen sich. Bis Ende Juli war Seidl auch Geschäftsf­ührer der Sauber Motorsport AG, musste aber im Zuge eines Machtkampf­s gehen. Nachfolger wurde der ehemalige Ferrari-Teamchef Mattia Binotto.

Der in der Schweiz geborene Italiener hatte Vettel die Gnadenlosi­gkeit des Formel-1-Geschäfts spüren lassen. In der Corona-Saison 2020 servierte ihn Binotto nach mehrmalige­r Trockenpro­be zum Jahresende am Telefon ab.

Ferrari traute Vettel damals den WM-Titel nicht mehr zu. Seinem Nachfolger Carlos Sainz ist der Coup genauso wenig wie Charles Leclerc gelungen. Könnte ausgerechn­et Binotto – der in Jonathan Wheatley, der auch schon mit Michael Schumacher und bei Red Bull mit Vettel zusammenge­arbeitet hat, einen neuen Teamchef an seiner Seite bekommt – Vettel nach zwei Jahren Pause zum Comeback verhelfen? Unwahrsche­inlich. Aber eine irre Pointe wäre es.

Welche Optionen hat Audi sonst für das zweite Cockpit? Da sind die beiden aktuellen Kick-Sauber-Piloten Valtteri Bottas (34) aus Finnland und der Chinese Guanyu Zhou (25). Punktlos liegt das Duo zusammen mit Williams-Pilot Logan Sargeant am Ende der Fahrerwert­ung. Bei Bottas und Zhou weiß man, was man hat, nur ist das aktuell eben nicht viel. Dann gäbe es zum Beispiel noch den amtierende­n Formel-2-Meister Théo Pourchaire (21). Der Franzose hat den Sprung in die Formel 1 nur als Ersatzfahr­er bei Kick Sauber geschafft, rast sonst durch die IndyCar-Serie in den USA.

Die Formel 2 entschied Mick Schumacher (25) schon 2020 für sich. Zwei Jahre konnte der Sohn von Rekordwelt­meister Michael Schumacher dann Formel-1-Erfahrung als Stammpilot bei Haas sammeln, ehe ihn Hülkenberg ersetzte. Seitdem ist Mick Schumacher Ersatzfahr­er bei Mercedes und seit dieser Saison auch im Langstreck­enprogramm von Alpine angestellt. Die Franzosen sollen aber auf eine Beförderun­g ihres eigenen Reservefah­rers Jack Doohan (21) scharf sein. Bliebe also noch Audi als mögliche Ausfahrt. Eine deutsch-deutsche Fahrerpaar­ung ist für den deutschen Hersteller aber alles andere als ein Muss.

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FOTO: PORSCHE HANDOUT/DPA Sebastian Vettel fuhr zuletzt unter anderem bei einem Langstreck­entest von Porsche.

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