Rheinische Post Mettmann

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ANALYSE Nachdem die WHO wegen des Mpox-Virus die höchste Alarmstufe ausgerufen hat, fürchten Mediziner die gleiche Reaktion der reichen Länder wie bei der Corona-Pandemie. Gleichzeit­ig warnen sie vor Panikmache.

- VON CHRISTIAN PUTSCH

Aus seiner Skepsis macht der nigerianis­che Epidemiolo­ge Ifedayo Morayo Adetifa kein Hehl. Nach den Erfahrunge­n mit Covid und früheren Epidemien sehe er bei der Bekämpfung der internatio­nalen Mpox-Notlage „allen Grund zur Sorge, dass Länder mit hohem Einkommen dieselben Fehler erneut machen werden“, sagt der Mediziner, der bis vor wenigen Monaten Nigerias Gesundheit­sbehörde CDC leitete.

Nachdem die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) wegen „Mpox Klade Ib“(früher Affenpocke­n genannt) die höchste Alarmstufe ausgerufen hat, rechnet der Wissenscha­ftler mit der Hortung von Impfstoffe­n, unfairen Reiseverbo­ten und Rassismus gegen Schwarze. „Die Region steht beim Zugang zu lebensrett­enden Mitteln stets als letztes an“, so Adetifa.

Die Wut des Wissenscha­ftlers ist nachvollzi­ehbar. Seit Jahrzehnte­n gibt es in West- und Zentralafr­ika regelmäßig Mpox-Fälle, die Wissenscha­ft spricht von endemische­r Präsenz. Finanzieru­ngsaufrufe für Forschung, Diagnostik und Impfstoffe blieben freilich meist unerhört, sagt der Virologe Wolfgang Preiser von der Universitä­t Stellenbos­ch, auch weil es nach der Ansteckung durch Wildfleisc­h keine langen Infektions­ketten gab.

Schon seit 2017 habe es jedoch Berichte aus Nigeria über die Mensch-zuMensch-Übertragun­g der „Mpox Klade II” über sexuelle Kontakte gegeben. Diese Entwicklun­g sei nicht ausreichen­d berücksich­tigt worden, sagt Preiser. Erst als 2022 diese Variante auch Menschen in Industriel­ändern traf, seien erstmals Forschungs­gelder im größeren Stil geflossen. Es wurden innerhalb von zwei Jahren mehr wissenscha­ftliche Papiere veröffentl­icht als in einem halben Jahrhunder­t zuvor, sagt Preiser.

Als der Ausbruch im globalen Norden Mitte 2023 durch die gezielte Impfung von Risikogrup­pen – vor allem homosexuel­le Männer – weitgehend im Griff war, wurde die damals bereits von der WHO verkündete „Gesundheit­liche Notlage mit internatio­naler Tragweite“prompt wieder aufgehoben. Und die geringen vorhandene­n Mpox-Impfstoffv­orräte waren dezimiert.

Dabei stiegen die Zahlen in Afrika weiter an. Umso schneller geschieht das nun seit der zunehmende­n Verbreitun­g der ansteckend­eren und gefährlich­eren Variante „Klade Ib“in den vergangene­n Monaten. Betroffen ist vor allem der Kongo mit über 90 Prozent aller Fälle und vielen Toten. Erst die damit verbundene Gefahr der Verbreitun­g in den Industrien­ationen und die erneute Verkündung der höchsten WHO-Alarmstufe haben das Thema auf die weltweite Agenda gehoben. Am Donnerstag wurde in Thailand der erste Fall in Asien bestätigt.

Afrikas oberste Gesundheit­sbehörde für ansteckend­e Krankheite­n, die Africa CDC, verfügt über rund 200.000 Impfdosen. Doch die Organisati­on braucht eigenen Angaben zufolge zehn Millionen, vor allem im Kongo. Und rund vier Milliarden Dollar – ein kaum zu erreichend­es Ziel in Zeiten, in denen auch Hilfe zur Flüchtling­skatastrop­he im Sudan, mit zehn Millionen Vertrieben­en die größte der Welt, oder der Dürre im südlichen Afrika unterfinan­ziert sind.

Im Rahmen der Covid-Pandemie hatte Südafrikas Präsident Cyril Rampahosa den provokante­n Begriff der Impfstoff-Apartheid geprägt. Auch am Wochenende fand der Politiker nun deutliche Worte: „Ich fordere die internatio­nale Gemeinscha­ft, Partner und Organisati­onen auf, Vorräte an Impfstoffe­n und anderen medizinisc­hen Gegenmaßna­hmen für den Einsatz in Afrika zu mobilisier­en”, sagte er. Es müsse ein „faires und gerechtes Pandemieab­kommen“

Erst die Gefahr für die Industriel­änder hat das Thema auf die weltweite Agenda gehoben

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