„Wespen erfüllen wichtige Funktionen“
Wer ein Nest einfach ausräuchert, muss mit hohen Strafen rechnen. Der Naturschützer Detlef Garn siedelt die Tiere um.
Herr Garn, Sie sind Experte für Wespen-, Hornissen- und Bienennester. Besonders wenn sie sich an Stellen befinden, wo Mensch und Tier einander stören. Wir haben gehört, Sie haben derzeit sehr viel zu tun. Liegt das an der Jahreszeit? Ist gerade Wespen-Hochkonjunktur? DETLEF GARN Es ist Urlaubszeit und die zwei Wespenarten – Deutsche Wespe und Gemeine Wespe –, die in unserer Nähe ein Nest bauen, sind in der Volksstärke jetzt beim Maximum angekommen. Das können einige tausend Tiere sein. Der rege Flugbetrieb von Wespenvölkern wird oft erst nach einer mehrwöchigen Abwesenheit festgestellt. Der Beginn des Nestbaus war aber schon im März und April.
Gibt es denn Stellen, an Häusern oder unter Dächern, an denen die Insekten mit Vorliebe ihre Nester anlegen?
GARN Von den acht staatenbildenden Wespenarten suchen nur die zwei genannten Arten die Nähe der Menschen. Sie sind Dunkelbrüter und haben in der Natur kaum noch Möglichkeiten, einen geeigneten Hohlraum zu finden. Natürliche Hohlräume sind zum Beispiel alte Bäume, Felsspalten, Wurzelgeflechte und Mäusenester im Boden. Als Alternative werden jetzt RollladenKästen, Gartenschuppen, Dachboden, Hohlräume hinter Holzdecken, hinter Dachpfannen und Zwischenwände als neue Heimat genutzt.
Wie sollte man sich verhalten, wenn man so ein Nest entdeckt – beispielsweise im Rollladenkasten? GARN Man sollte Ruhe bewahren. Wespen sind Nützlinge. Mit dem entsprechenden Hintergrundwissen kann man sich vielleicht sogar freuen, diesen Tieren einen Lebensraum gegeben zu haben. Beim Beratungsgespräch erkläre ich deshalb den Menschen die vielen Vorteile und den großen Nutzen der Wespen.
In der Bevölkerung herrscht weitgehend die Ansicht, man könne den ungewünschten Besuch einfach ausräuchern. Erklären Sie, warum das nicht geht und welche Folgen ein solches Vorgehen für sie hat. GARN Nach der Bundesartenschutz-Verordnung sind Wespen und Hornissen als Nützlinge streng geschützt. Wer einem Wespennest einen Schaden zufügt, begibt sich nicht nur in Gefahr, sondern kann auch mit einer Geldstrafe belangt werden. Das unauthorisierte Abtöten von Hornissennestern kann in NRW bis zu 50.000 Euro kosten.
Viele glauben immer noch, die Wespe wäre zu nichts gut, außer dafür, dem Menschen schmerzende Stiche zuzufügen. Als Naturschützer wissen Sie das jedoch besser.
GARN Keine Wespe sticht freiwillig einen Menschen. Wespen erfüllen wichtige Funktionen in unseren Ökosystemen. Der Nachwuchs in den Wespenwaben wird mit tierischem Eiweiß gefüttert. Daher jagen die erwachsenen Wespen viele andere Kleinsttiere wie Läuse, Mücken, Bremsen, Raupen, Fliegen. Sie können aber auch Aas verwerten, zum Beispiel einen toten Maulwurf oder eine tote Maus. Als erwachsene Wespe brauchen sie Kohlenhydrate. Dazu fliegen sie auf Blüten, um an den Nektar zu gelangen. Dabei bestäuben sie neben anderen Insekten auch die Blüten. Und auch Wespen sind Teil der Nahrungskette. Der Wespenbussard, Dachs und Hornissen
fressen Wespen- und Wespenbrut.
Wie gehen Sie beim Umsiedeln vor und vor allem, wo werden die Insekten hingebracht?
GARN Um mindestens 99 Prozent der Wespen einzufangen, müssen alle Flugwespen vorsichtig in ein Gemüsenetz – einer speziellen Abfangbox – eingesaugt werden. Nach circa einer Stunde wird das Nest geöffnet. Weitere abfliegende Wespen müssen eingesaugt werden. Die Brutwaben werden dann vorsichtig in einen Umsiedlungskasten gelegt und mit Zeitungspapier stabilisiert. Sobald das ganze Nest im Umsiedlungskasten ist, werden die eingesaugten Wespen im Gemüsenetz mit dem Nest vereinigt und für den Transport verschlossen. Der neue Standort ist dann der Bienenstand in Langenfeld oder die Rheinwiesen-Farm in Monheim.
Wenn man nun an ein Nest aus bautechnischen oder anderen Gründen überhaupt nicht oder nur sehr schlecht dran kommt, was raten Sie dann den Betroffenen?
GARN Eine Fluglochumleitung ist eine Möglichkeit, um von den Flugwespen nicht gestört zu werden. Eine Duldung ist natürlich die einfachste Lösung. Anfang Herbst stirbt das ganze Nest mit der Alt-Königin ab. Ein altes Nest wird auch nicht wieder besiedelt. Die neuen Königinnen fangen 2025 wieder bei Null an und bauen zu Beginn ein pflaumengroßes neues Nest.
Gibt es in unserer Gegend eigentlich auch Hornissen? Und wenn ja, sind sie gefährlicher als Wespen? Und wo finden sich deren Nester? GARN Als Naturschutzfachkraft und Naturpädagoge sehe ich häufiger Hornissen in der Natur. Die Hornisse ist eine große Wespenart und nicht gefährlicher als andere Arten. Durch ihre Größe und ihr tiefes Brummen haben viele Menschen vor ihr aber deutlich mehr Respekt als vor einer kleinen Wespe. Auch die Hornisse ist ein Dunkelbrüter und braucht zwingend einen Hohlraum. Erst vor ein paar Tagen habe ich ein Hornissennest, das in einem Vogelnistkasten lebte, umgesiedelt.
Seit wann und warum kümmern Sie sich so intensiv um unsere Insekten?
GARN Das ‚imkerliche Gen‘ habe ich von meinem Vater, Opa, Ur-Opa und Urur-Opa übernommen. Mit acht Jahren hatte ich mein eigenes Bienenvolk. Das war vor 52 Jahren. Vor 15 Jahren sind die Wildbienen und der Wildbienenschutz dazu gekommen. Vor drei Jahren der professionelle Wespen- und Hornissenschutz. Und seit 2018 gibt es die Rheinwiesen-Farm, da wird die Artenvielfalt intensiv gefördert. Insekten gehören in einer intakten Umwelt einfach dazu.
Was kostet es, ein Wespennest von Ihnen entfernen zu lassen?
GARN Die Beratungsleistung ist immer kostenfrei. Kommt eine Duldung oder Verlegung des Fluglochs nicht in Frage und eine Umsiedlung ist wirklich nötig, richtet sich die Aufwandsentschädigung nach der Größe des Nestes. Es geht im März bei 30 Euro los und endet ab August bei 150 Euro. Wenn bis zu 7000 Tiere lebend umgesiedelt werden, braucht es bis zu vier Stunden Zeit.