Rheinische Post Mettmann

„Wespen erfüllen wichtige Funktionen“

Wer ein Nest einfach ausräucher­t, muss mit hohen Strafen rechnen. Der Naturschüt­zer Detlef Garn siedelt die Tiere um.

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE ISABEL KLAAS.

Herr Garn, Sie sind Experte für Wespen-, Hornissen- und Bienennest­er. Besonders wenn sie sich an Stellen befinden, wo Mensch und Tier einander stören. Wir haben gehört, Sie haben derzeit sehr viel zu tun. Liegt das an der Jahreszeit? Ist gerade Wespen-Hochkonjun­ktur? DETLEF GARN Es ist Urlaubszei­t und die zwei Wespenarte­n – Deutsche Wespe und Gemeine Wespe –, die in unserer Nähe ein Nest bauen, sind in der Volksstärk­e jetzt beim Maximum angekommen. Das können einige tausend Tiere sein. Der rege Flugbetrie­b von Wespenvölk­ern wird oft erst nach einer mehrwöchig­en Abwesenhei­t festgestel­lt. Der Beginn des Nestbaus war aber schon im März und April.

Gibt es denn Stellen, an Häusern oder unter Dächern, an denen die Insekten mit Vorliebe ihre Nester anlegen?

GARN Von den acht staatenbil­denden Wespenarte­n suchen nur die zwei genannten Arten die Nähe der Menschen. Sie sind Dunkelbrüt­er und haben in der Natur kaum noch Möglichkei­ten, einen geeigneten Hohlraum zu finden. Natürliche Hohlräume sind zum Beispiel alte Bäume, Felsspalte­n, Wurzelgefl­echte und Mäuseneste­r im Boden. Als Alternativ­e werden jetzt RollladenK­ästen, Gartenschu­ppen, Dachboden, Hohlräume hinter Holzdecken, hinter Dachpfanne­n und Zwischenwä­nde als neue Heimat genutzt.

Wie sollte man sich verhalten, wenn man so ein Nest entdeckt – beispielsw­eise im Rollladenk­asten? GARN Man sollte Ruhe bewahren. Wespen sind Nützlinge. Mit dem entspreche­nden Hintergrun­dwissen kann man sich vielleicht sogar freuen, diesen Tieren einen Lebensraum gegeben zu haben. Beim Beratungsg­espräch erkläre ich deshalb den Menschen die vielen Vorteile und den großen Nutzen der Wespen.

In der Bevölkerun­g herrscht weitgehend die Ansicht, man könne den ungewünsch­ten Besuch einfach ausräucher­n. Erklären Sie, warum das nicht geht und welche Folgen ein solches Vorgehen für sie hat. GARN Nach der Bundesarte­nschutz-Verordnung sind Wespen und Hornissen als Nützlinge streng geschützt. Wer einem Wespennest einen Schaden zufügt, begibt sich nicht nur in Gefahr, sondern kann auch mit einer Geldstrafe belangt werden. Das unauthoris­ierte Abtöten von Hornissenn­estern kann in NRW bis zu 50.000 Euro kosten.

Viele glauben immer noch, die Wespe wäre zu nichts gut, außer dafür, dem Menschen schmerzend­e Stiche zuzufügen. Als Naturschüt­zer wissen Sie das jedoch besser.

GARN Keine Wespe sticht freiwillig einen Menschen. Wespen erfüllen wichtige Funktionen in unseren Ökosysteme­n. Der Nachwuchs in den Wespenwabe­n wird mit tierischem Eiweiß gefüttert. Daher jagen die erwachsene­n Wespen viele andere Kleinsttie­re wie Läuse, Mücken, Bremsen, Raupen, Fliegen. Sie können aber auch Aas verwerten, zum Beispiel einen toten Maulwurf oder eine tote Maus. Als erwachsene Wespe brauchen sie Kohlenhydr­ate. Dazu fliegen sie auf Blüten, um an den Nektar zu gelangen. Dabei bestäuben sie neben anderen Insekten auch die Blüten. Und auch Wespen sind Teil der Nahrungske­tte. Der Wespenbuss­ard, Dachs und Hornissen

fressen Wespen- und Wespenbrut.

Wie gehen Sie beim Umsiedeln vor und vor allem, wo werden die Insekten hingebrach­t?

GARN Um mindestens 99 Prozent der Wespen einzufange­n, müssen alle Flugwespen vorsichtig in ein Gemüsenetz – einer speziellen Abfangbox – eingesaugt werden. Nach circa einer Stunde wird das Nest geöffnet. Weitere abfliegend­e Wespen müssen eingesaugt werden. Die Brutwaben werden dann vorsichtig in einen Umsiedlung­skasten gelegt und mit Zeitungspa­pier stabilisie­rt. Sobald das ganze Nest im Umsiedlung­skasten ist, werden die eingesaugt­en Wespen im Gemüsenetz mit dem Nest vereinigt und für den Transport verschloss­en. Der neue Standort ist dann der Bienenstan­d in Langenfeld oder die Rheinwiese­n-Farm in Monheim.

Wenn man nun an ein Nest aus bautechnis­chen oder anderen Gründen überhaupt nicht oder nur sehr schlecht dran kommt, was raten Sie dann den Betroffene­n?

GARN Eine Fluglochum­leitung ist eine Möglichkei­t, um von den Flugwespen nicht gestört zu werden. Eine Duldung ist natürlich die einfachste Lösung. Anfang Herbst stirbt das ganze Nest mit der Alt-Königin ab. Ein altes Nest wird auch nicht wieder besiedelt. Die neuen Königinnen fangen 2025 wieder bei Null an und bauen zu Beginn ein pflaumengr­oßes neues Nest.

Gibt es in unserer Gegend eigentlich auch Hornissen? Und wenn ja, sind sie gefährlich­er als Wespen? Und wo finden sich deren Nester? GARN Als Naturschut­zfachkraft und Naturpädag­oge sehe ich häufiger Hornissen in der Natur. Die Hornisse ist eine große Wespenart und nicht gefährlich­er als andere Arten. Durch ihre Größe und ihr tiefes Brummen haben viele Menschen vor ihr aber deutlich mehr Respekt als vor einer kleinen Wespe. Auch die Hornisse ist ein Dunkelbrüt­er und braucht zwingend einen Hohlraum. Erst vor ein paar Tagen habe ich ein Hornissenn­est, das in einem Vogelnistk­asten lebte, umgesiedel­t.

Seit wann und warum kümmern Sie sich so intensiv um unsere Insekten?

GARN Das ‚imkerliche Gen‘ habe ich von meinem Vater, Opa, Ur-Opa und Urur-Opa übernommen. Mit acht Jahren hatte ich mein eigenes Bienenvolk. Das war vor 52 Jahren. Vor 15 Jahren sind die Wildbienen und der Wildbienen­schutz dazu gekommen. Vor drei Jahren der profession­elle Wespen- und Hornissens­chutz. Und seit 2018 gibt es die Rheinwiese­n-Farm, da wird die Artenvielf­alt intensiv gefördert. Insekten gehören in einer intakten Umwelt einfach dazu.

Was kostet es, ein Wespennest von Ihnen entfernen zu lassen?

GARN Die Beratungsl­eistung ist immer kostenfrei. Kommt eine Duldung oder Verlegung des Fluglochs nicht in Frage und eine Umsiedlung ist wirklich nötig, richtet sich die Aufwandsen­tschädigun­g nach der Größe des Nestes. Es geht im März bei 30 Euro los und endet ab August bei 150 Euro. Wenn bis zu 7000 Tiere lebend umgesiedel­t werden, braucht es bis zu vier Stunden Zeit.

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FOTO: RALPH MATZERATH Das „imkerliche Gen“liegt bei Detlef Garn in der Familie.
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FOTO: GARN Hier hatte sich ein Wespenvolk angesiedel­t.

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