Rheinische Post Mettmann

So finden „Meer und Mensch“zusammen

Ein Mal pro Monat kommen Menschen im „Café Einblick“zusammen, um miteinande­r zu singen.

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METTMANN (dne) Die Samstags-Einkäufer und Flaneure halten kurz inne auf dem Lavalplatz und lauschen. Denn aus der offenen Tür des Café Einblicks weht laut und deutlich ein plattdeuts­ches Shanty. Der Gassenhaue­r vom Hamburger Veermaster kapert die Gedanken im Nu – auch wenn es im Text so gar nicht freundlich um den Schiet und Smeer an Deck, um den schon von selbst laufenden, verdorbene­n Schiffszwi­eback und die eher zweifelhaf­ten Segeleigen­schaften dieses Seelenverk­äufers mit vier Masten (Veermaster) geht. Sofort sind rund 40 spontan mitsingend­e Mettmanner­innen und Mettmanner – immerhin sind sechs Männer sind Teil dieser Crew – in ihren Gedanken an der Küste und auf hoher See.

Einmal im Monat kumpelt das Café der Evangelisc­hen Kirchengem­einde: „Haste Töne?“lautet die Gretchenfr­age. „Na klar!“haben an diesem Samstag außergewöh­nlich viele Menschen gerufen und so rechtzeiti­g zu Hause abgelegt, dass sie hier vor Anker gehen konnten. Ein Sitzplatz, ein Wasser oder Kaffee und vier Blätter mit Text und Noten – mehr braucht es nicht, um komplett einzutauch­en in das Tagesmotto „Meer und Mensch“.

Evi Claßen staunt, als sie in die Runde blickt: „So viele Mit-Sängerinne­n und Sänger waren wir selten“, sagt die ehemalige Musiklehre­rin des Konrad-Heresbach-Gymnasiums. Es sind etwa doppelt so viele Teilnehmen­de gekommen wie der gefühlte Durchschni­tt in den zurücklieg­enden zehn Jahren. So lange gibt es das offene Singen hier schon, betreut und organisier­t von Helmut Naaf und Evi Claßen. Letztere steht heute mit ihrer Gitarre solo am Ruder. Helmut Naaf urlaubt noch. Gemeinsam haben sie das Motto und die dazu passenden Stücke ausgesucht. Ansonsten steht nicht die krampfhaft­e Suche nach der Perfektion im Mittelpunk­t, macht Evi

Claßen deutlich: „Wenn Sie mal den Text nicht wissen, singen Sie einfach ‚Lalala‘!“Hauptsache, es machen alle mit.

Das lässt sich die Gruppe nicht zweimal sagen. Schon liegen sie gemeinsam vor Madagaskar, mit der Pest an Bord, kümmern sich um den „Drunken Sailor“und singen die Durchhalte­parole vom Seemann, den nichts erschütter­n kann – keine Angst, keine Angst, Rosmarie! Zwischendr­in erläutert Evi Claßen, wie hart das Bordleben war, dass Seeleute rund um die Uhr in Schichten arbeiten mussten und mit den Unbillen der Natur, der Ausbeutung durch den Kapitän und Angriffen von Piraten rangen. Bilder vom Segelschif­f „Passat“liegen aus. So kommen „Mensch und Meer“zusammen. Höhepunkt der Liedstunde ist der vierstimmi­ge Kanon „By the Waters of Babylon“, den viele mitsummen. Mit den CapriFisch­ern legt die Zufallsgem­einschaft nach einer guten Stunde wieder an.

Jutta Kronenberg war mit ihrer Freundin zum ersten Mal da; beide haben begeistert mitgesunge­n, mitgeschwu­ngen, mitgewippt: „Das war toll. Die Auswahl der Lieder hat uns begeistert und die lockere Art hier. Ich komme bestimmt wieder.“Einfach mal mitsingen zu können – das gebe es in Mettmann kaum. Kirchenchö­re hätten einen klaren Auftrag, viele weltliche Chöre stellten hohe Ansprüche. Bei „Haste Töne“hingegen stehe der Spaß im Mittelpunk­t. Sitznachba­r Jürgen Kürten sagt: „Ich komme oft hier hin, um einen Kaffee zu trinken und die Zeitung zu lesen.“Das Singen sei da ein besonderer Höhepunkt.

Wer es selbst ausprobier­en möchte, notiert sich den nächsten Termin: Am Samstag, 17. August, um 10.30 Uhr, heißt es wieder „Haste Töne“im Café Einblick am Lavalplatz. Dann lautet das Motto: „Mit leichten/m Schwingen“.

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FOTO: KÖHLEN Mit einem Shanty auf die hohe See: Knapp 40 Frauen und Männer gehörte beim Offenen Singen im Café Einblick zur Crew.

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