Profil des Zugs verteidigen und schärfen
Der neue CC-Geschäftsführer über die Suche nach Geldquellen, die Zukunft des Sitzungskarnevals und des Kö-Treibens.
Erstmals seit Jahren gab es einen Wahlkampf um das Amt des CCPräsidenten und damit auch Ihre Position – Sie sind ja als Team angetreten. Dazu gehörten auch Konflikte. Wie tief sind die Wunden? UWE WILLER Ich denke, da muss man zwischen dem CC und dem Düsseldorfer Karneval als solchem unterscheiden. Im Comitee haben wir schnell zu einer guten und professionellen Zusammenarbeit gefunden, die erste gemeinsame Vorstandssitzung haben wir auch schon erfolgreich hinter uns gebracht. Von den Vereinen gibt es bisher viel positives Feedback, aber wir stehen natürlich natürlich auch unter kritischer Beobachtung. Insgesamt kann ich sagen, dass ich weniger Ressentiments im Umgang beobachte, als man fürchten könnte. Und der Karneval hat definitiv keinen Schaden genommen.
Was sind die ersten großen Themen, die Sie für sich identifiziert haben?
WILLER Wir wollen Menschen gewinnen, wir wollen außerhalb der bekannten Kernzielgruppen für das Brauchtum werben und damit für das Ehrenamt. Wir wollen die Menschen dazu bringen, vielleicht erst einmal offen für den Karneval zu sein, dann mal ein Ticket zu kaufen und dann vielleicht sogar Mitglied in einem Verein zu werden.
Ein anderes wichtiges Thema dürfte die Professionalisierung im Karneval und in den Strukturen sein, oder?
WILLER Man muss es einmal so betrachten: Wir haben das Glück, in vielen Bereichen absolute Profis in unserer Mitte zu haben, die uns helfen können. Beispielsweise im Bereich Sicherheit mit Sven Gerling. Das ist aber auch nicht selbstverständlich, daher sollten wir theoretisch jederzeit in der Lage sein, die für uns dringend notwendigen Leistungen auch zukaufen zu können. Und was das Team da ehrenamtlich leistet, ist leicht einen stattlichen sechsstelligen Betrag wert. Wenn wir also sicher sein wollen, das jederzeit stemmen zu können, müssen wir uns neue Finanzquellen erschließen.
Das bedeutet wahrscheinlich vor allem, Sponsoren zu finden?
WILLER Jedenfalls wird es nicht reichen, möglichst umfassend alle öffentlichen Töpfe auszuschöpfen. Das Konzept muss vielmehr sein, für Unternehmen ein spannender Partner zu sein. Ich bin schon dabei, viele Gespräche zu diesem Thema zu führen, mit bestehenden Partnern und mit solchen, die es vielleicht noch werden können. Ein Element in diesem Bereich ist unser neuer Club 111.
Erklären Sie uns das bitte etwas genauer.
WILLER Im Grunde geht es darum, mittelständischen Unternehmen, aber auch Privatleuten, ein Engagement im Karneval zu ermöglichen. Bisher gab es da unterhalb eines eigenen Rosenmontagswagens nur wenige Möglichkeiten. Im Grunde sagen wir potenziellen Partnern mit dem Club 111: Hier gibt es Dinge, die du woanders nicht bekommen kannst – das Prinzenpaar aus nächster Nähe erleben, Backstage-Perspektiven aus dem Karneval und eine relevante Netzwerk-Möglichkeit. Die Mitglieder sollen etwas davon haben, zu diesem Club zu gehören, das über Mäzenatentum hinausgeht. Die Idee als solche ist auch schon älter, wir greifen sie jetzt auf und setzen sie um. Wir freuen uns, dass auch der Oberbürgermeister schon Mitglied im Club 111 geworden ist.
Welche Rolle in der Finanzplanung spielt der WDR?
WILLER Der WDR ist ein wichtiger und treuer Partner. Gegenwärtig verhandeln wir die Verträge für die nächsten gemeinsamen Jahre und sind hierbei optimistisch zu einem guten Ergebnis zu kommen. Wir verkaufen dem WDR im Grunde zwei Produkte – den Rosenmontagszug und die Fernsehsitzung. Der Zug interessiert mehr denn je, mit der Sitzung ist es heutzutage etwas schwieriger – was übrigens nicht nur für unsere Düsseldorfer TV-Sitzung gilt, sondern für solche Veranstaltungen ganz allgemein. Im Saal macht eine Sitzung natürlich Spaß, aber vor dem Fernseher springt man bei einem guten Musikauftritt ja normalerweise nicht auf und schunkelt mit. Auf dem Bildschirm funktionieren Redner nachweislich besser, die haben es im Saal dagegen schwerer.
Stellen Sie die Zukunft der TV-Sitzung also ganz in Frage?
WILLER Nein, aber wir sind natürlich im ständigen Austausch mit dem WDR darüber, wie man das Format weiter entwickeln kann. Und man muss sich fragen, wie man die Veranstaltung kostendeckend organisieren kann. Die Stadt ist da bereits ein guter Partner und zu Zugeständnissen bereit, dennoch müssen wir uns alles genau anschauen und zu Veränderungen bereit sein.
Die Veranstaltung ist zuletzt nicht ausverkauft gewesen, oder?
WILLER Das war in den vergangenen Jahren nicht so, stimmt. Vermutlich müssen wir auch hier auf die Preisgestaltung schauen, denn es ist ähnlich wie im Fußballstadion. Die Logen dürfen vielleicht teuer sein für diejenigen, die den vollen Service wollen. Aber die Ränge, wo die Stimmung entsteht, müssen weiter erschwinglich bleiben, damit alle sich ein Ticket leisten können. Wir möchten am liebsten eine volle Hütte.
Die Stadthalle als Ort steht aber nicht in Frage?
WILLER Sie bleibt zumindest unsere allererste Wahl, denn die Anforderungen bei einer solchen Fernsehaufzeichnung sind hoch und man kann das bei weitem nicht überall in dieser Qualität leisten.
Überhaupt hat es der Karneval inzwischen ja schwerer, bezahlbare Veranstaltungsorte zu finden. Werden viele Vereine sich bald keine Sitzungen mehr leisten können? WILLER Davon gehe ich nicht aus, aber man muss vielleicht ausgetretene Pfade verlassen. Als Prinzenpaar waren wir ja an vielen Schulen unterwegs und haben gemerkt, dass beispielsweise Schul-Aulen ein großes ungenutztes Potenzial in unserer Stadt sind. Und die Vereine sind gefragt, neue Formate zu entwickeln, um ihre Zukunft zu sichern. Im vergangenen Jahr haben sich beispielsweise drei Vereine zu einer Sitzung zusammengetan, die alleine nicht jeder eine Sitzung hätten stemmen können. Eine tolle Sache.
Es geht also auch um neue EventFormate?
WILLER Absolut. Man muss immer wieder zu Experimenten bereit sein. Und natürlich werden nicht alle Versuche erfolgreich sein. Formate wie die mittlerweile legendäre Sitzungsparty der KG Regenbogen sind ein gutes Beispiel. Oder die Flüstersitzung des AVDK und der Düsseldorfer Bürgerwehr, bei der man schon vom Namen her weiß, dass keine lauten Musik-Acts zu erwarten sind. Das ist aus meiner Sicht der Schlüssel: Angebote für eine bestimmte Zielgruppe anbieten, anstatt mit einer klassischen Sitzung alle Leute ansprechen zu wollen.
Zuletzt haben Künstler nicht nur in Düsseldorf beklagt, dass sie auf der Bühne gestört werden und das Publikum unkonzentriert oder offen feindselig ist.
WILLER Ich halte das eher für ein gesellschaftliches Phänomen als für ein Problem des Karnevals, aber ja: Leider ist es so. Mir ist schon vor einigen Jahren bei Sitzungen in Köln aufgefallen, wie respektlos man teils mit den Künstlern dort war.
Und auch bei uns hat es das schon gegeben.
Muss man sich also damit abfinden?
WILLER Nein, absolut nicht – es ist nur schwierig, mit einer einzelnen Maßnahme dagegen anzugehen. Vielleicht ist die klarere Zielgruppen-Ansprache hier schon ein erster Weg. Denn wer konkret eine Musikveranstaltung sucht, müsste dann gar nicht zu einem Event gehen, bei dem es vor allem um Büttenreden geht. Dort ist dann ein Publikum, das sich genau für diese Inhalte interessiert.
Hat der Karneval realistisch die Chance, wieder mehr Menschen zu binden?
WILLER Davon bin ich überzeugt. Es ist vor allem eine ganz andere Art des Erlebens in einer immer häufiger virtuell erlebten Welt. Dass es dafür auch bei jungen Leuten Interesse gibt, haben wir als Prinzenpaar schon bei der Schulhof-Tour gesehen. Das hat uns viel Mut gemacht. Der nächste Schritt ist, dass wir sichtbarer werden, auch ganz praktisch im Stadtbild. Warum sollte in der Session nicht ein Doppeldecker-Bus herumfahren, in dem man Sitzungskarten kaufen und sich informieren kann? Es gibt auch die Idee, dass Schülerbands ein Lied für Düsseldorf schreiben und wir einen Wettbewerb dazu veranstalten.
Muss sich auch der Rosenmontagszug verändern?
WILLER Der Zoch ist unser großes Alleinstellungsmerkmal, natürlich vor allem wegen seines hochpolitischen Ansatzes. Dieses Profil müssen wir verteidigen, schärfen und hochhalten. Wir ermuntern auch die Vereine, ihre Gesellschaftswagen politischer zu gestalten, und die Sponsoren, mit den Wagen eine echte Botschaft zu verbinden.
Das Kö-Treiben stand schon einmal vor dem Aus, die Schausteller haben es dann ausgerichtet. Hat diese Veranstaltung Zukunft? WILLER Absolut! Schon alleine, weil es sowieso stattfindet, auch wenn es abgesagt würde – die Menschen kommen von ganz alleine. Auch daran erkennt man die Kraft des Karnevals, Menschen zusammenzubringen. In Zukunft wäre es mein Bestreben, das Kö-Treiben wieder mehr in die Hände des CC zu nehmen und das Know-how der Schausteller zu nutzen.
Das nächste Prinzenpaar steht fest, gibt es denn noch genug Bewerber? WILLER Daran scheitert es mit Sicherheit nicht, viele wollen Prinz und Venetia sein. Aber es hat in der Vergangenheit wohl zuviel Frustration und letztlich Unfrieden gegeben, weil das Verfahren nicht transparent war. Wir wollen weg von der Thekenbewerbung und hin zu einem klaren Ablauf. Künftig werden wir nur schriftliche Bewerbungen akzeptieren, es wird zeitnah ein Info-Gespräch geben und dann, wenn alle wissen woran sie sind, beginnt das eigentliche Bewerbungsverfahren und die Wartezeit.