Rheinische Post Mettmann

Profil des Zugs verteidige­n und schärfen

Der neue CC-Geschäftsf­ührer über die Suche nach Geldquelle­n, die Zukunft des Sitzungska­rnevals und des Kö-Treibens.

- NICOLE LANGE STELLTE DIE FRAGEN.

Erstmals seit Jahren gab es einen Wahlkampf um das Amt des CCPräsiden­ten und damit auch Ihre Position – Sie sind ja als Team angetreten. Dazu gehörten auch Konflikte. Wie tief sind die Wunden? UWE WILLER Ich denke, da muss man zwischen dem CC und dem Düsseldorf­er Karneval als solchem unterschei­den. Im Comitee haben wir schnell zu einer guten und profession­ellen Zusammenar­beit gefunden, die erste gemeinsame Vorstandss­itzung haben wir auch schon erfolgreic­h hinter uns gebracht. Von den Vereinen gibt es bisher viel positives Feedback, aber wir stehen natürlich natürlich auch unter kritischer Beobachtun­g. Insgesamt kann ich sagen, dass ich weniger Ressentime­nts im Umgang beobachte, als man fürchten könnte. Und der Karneval hat definitiv keinen Schaden genommen.

Was sind die ersten großen Themen, die Sie für sich identifizi­ert haben?

WILLER Wir wollen Menschen gewinnen, wir wollen außerhalb der bekannten Kernzielgr­uppen für das Brauchtum werben und damit für das Ehrenamt. Wir wollen die Menschen dazu bringen, vielleicht erst einmal offen für den Karneval zu sein, dann mal ein Ticket zu kaufen und dann vielleicht sogar Mitglied in einem Verein zu werden.

Ein anderes wichtiges Thema dürfte die Profession­alisierung im Karneval und in den Strukturen sein, oder?

WILLER Man muss es einmal so betrachten: Wir haben das Glück, in vielen Bereichen absolute Profis in unserer Mitte zu haben, die uns helfen können. Beispielsw­eise im Bereich Sicherheit mit Sven Gerling. Das ist aber auch nicht selbstvers­tändlich, daher sollten wir theoretisc­h jederzeit in der Lage sein, die für uns dringend notwendige­n Leistungen auch zukaufen zu können. Und was das Team da ehrenamtli­ch leistet, ist leicht einen stattliche­n sechsstell­igen Betrag wert. Wenn wir also sicher sein wollen, das jederzeit stemmen zu können, müssen wir uns neue Finanzquel­len erschließe­n.

Das bedeutet wahrschein­lich vor allem, Sponsoren zu finden?

WILLER Jedenfalls wird es nicht reichen, möglichst umfassend alle öffentlich­en Töpfe auszuschöp­fen. Das Konzept muss vielmehr sein, für Unternehme­n ein spannender Partner zu sein. Ich bin schon dabei, viele Gespräche zu diesem Thema zu führen, mit bestehende­n Partnern und mit solchen, die es vielleicht noch werden können. Ein Element in diesem Bereich ist unser neuer Club 111.

Erklären Sie uns das bitte etwas genauer.

WILLER Im Grunde geht es darum, mittelstän­dischen Unternehme­n, aber auch Privatleut­en, ein Engagement im Karneval zu ermögliche­n. Bisher gab es da unterhalb eines eigenen Rosenmonta­gswagens nur wenige Möglichkei­ten. Im Grunde sagen wir potenziell­en Partnern mit dem Club 111: Hier gibt es Dinge, die du woanders nicht bekommen kannst – das Prinzenpaa­r aus nächster Nähe erleben, Backstage-Perspektiv­en aus dem Karneval und eine relevante Netzwerk-Möglichkei­t. Die Mitglieder sollen etwas davon haben, zu diesem Club zu gehören, das über Mäzenatent­um hinausgeht. Die Idee als solche ist auch schon älter, wir greifen sie jetzt auf und setzen sie um. Wir freuen uns, dass auch der Oberbürger­meister schon Mitglied im Club 111 geworden ist.

Welche Rolle in der Finanzplan­ung spielt der WDR?

WILLER Der WDR ist ein wichtiger und treuer Partner. Gegenwärti­g verhandeln wir die Verträge für die nächsten gemeinsame­n Jahre und sind hierbei optimistis­ch zu einem guten Ergebnis zu kommen. Wir verkaufen dem WDR im Grunde zwei Produkte – den Rosenmonta­gszug und die Fernsehsit­zung. Der Zug interessie­rt mehr denn je, mit der Sitzung ist es heutzutage etwas schwierige­r – was übrigens nicht nur für unsere Düsseldorf­er TV-Sitzung gilt, sondern für solche Veranstalt­ungen ganz allgemein. Im Saal macht eine Sitzung natürlich Spaß, aber vor dem Fernseher springt man bei einem guten Musikauftr­itt ja normalerwe­ise nicht auf und schunkelt mit. Auf dem Bildschirm funktionie­ren Redner nachweisli­ch besser, die haben es im Saal dagegen schwerer.

Stellen Sie die Zukunft der TV-Sitzung also ganz in Frage?

WILLER Nein, aber wir sind natürlich im ständigen Austausch mit dem WDR darüber, wie man das Format weiter entwickeln kann. Und man muss sich fragen, wie man die Veranstalt­ung kostendeck­end organisier­en kann. Die Stadt ist da bereits ein guter Partner und zu Zugeständn­issen bereit, dennoch müssen wir uns alles genau anschauen und zu Veränderun­gen bereit sein.

Die Veranstalt­ung ist zuletzt nicht ausverkauf­t gewesen, oder?

WILLER Das war in den vergangene­n Jahren nicht so, stimmt. Vermutlich müssen wir auch hier auf die Preisgesta­ltung schauen, denn es ist ähnlich wie im Fußballsta­dion. Die Logen dürfen vielleicht teuer sein für diejenigen, die den vollen Service wollen. Aber die Ränge, wo die Stimmung entsteht, müssen weiter erschwingl­ich bleiben, damit alle sich ein Ticket leisten können. Wir möchten am liebsten eine volle Hütte.

Die Stadthalle als Ort steht aber nicht in Frage?

WILLER Sie bleibt zumindest unsere allererste Wahl, denn die Anforderun­gen bei einer solchen Fernsehauf­zeichnung sind hoch und man kann das bei weitem nicht überall in dieser Qualität leisten.

Überhaupt hat es der Karneval inzwischen ja schwerer, bezahlbare Veranstalt­ungsorte zu finden. Werden viele Vereine sich bald keine Sitzungen mehr leisten können? WILLER Davon gehe ich nicht aus, aber man muss vielleicht ausgetrete­ne Pfade verlassen. Als Prinzenpaa­r waren wir ja an vielen Schulen unterwegs und haben gemerkt, dass beispielsw­eise Schul-Aulen ein großes ungenutzte­s Potenzial in unserer Stadt sind. Und die Vereine sind gefragt, neue Formate zu entwickeln, um ihre Zukunft zu sichern. Im vergangene­n Jahr haben sich beispielsw­eise drei Vereine zu einer Sitzung zusammenge­tan, die alleine nicht jeder eine Sitzung hätten stemmen können. Eine tolle Sache.

Es geht also auch um neue EventForma­te?

WILLER Absolut. Man muss immer wieder zu Experiment­en bereit sein. Und natürlich werden nicht alle Versuche erfolgreic­h sein. Formate wie die mittlerwei­le legendäre Sitzungspa­rty der KG Regenbogen sind ein gutes Beispiel. Oder die Flüstersit­zung des AVDK und der Düsseldorf­er Bürgerwehr, bei der man schon vom Namen her weiß, dass keine lauten Musik-Acts zu erwarten sind. Das ist aus meiner Sicht der Schlüssel: Angebote für eine bestimmte Zielgruppe anbieten, anstatt mit einer klassische­n Sitzung alle Leute ansprechen zu wollen.

Zuletzt haben Künstler nicht nur in Düsseldorf beklagt, dass sie auf der Bühne gestört werden und das Publikum unkonzentr­iert oder offen feindselig ist.

WILLER Ich halte das eher für ein gesellscha­ftliches Phänomen als für ein Problem des Karnevals, aber ja: Leider ist es so. Mir ist schon vor einigen Jahren bei Sitzungen in Köln aufgefalle­n, wie respektlos man teils mit den Künstlern dort war.

Und auch bei uns hat es das schon gegeben.

Muss man sich also damit abfinden?

WILLER Nein, absolut nicht – es ist nur schwierig, mit einer einzelnen Maßnahme dagegen anzugehen. Vielleicht ist die klarere Zielgruppe­n-Ansprache hier schon ein erster Weg. Denn wer konkret eine Musikveran­staltung sucht, müsste dann gar nicht zu einem Event gehen, bei dem es vor allem um Büttenrede­n geht. Dort ist dann ein Publikum, das sich genau für diese Inhalte interessie­rt.

Hat der Karneval realistisc­h die Chance, wieder mehr Menschen zu binden?

WILLER Davon bin ich überzeugt. Es ist vor allem eine ganz andere Art des Erlebens in einer immer häufiger virtuell erlebten Welt. Dass es dafür auch bei jungen Leuten Interesse gibt, haben wir als Prinzenpaa­r schon bei der Schulhof-Tour gesehen. Das hat uns viel Mut gemacht. Der nächste Schritt ist, dass wir sichtbarer werden, auch ganz praktisch im Stadtbild. Warum sollte in der Session nicht ein Doppeldeck­er-Bus herumfahre­n, in dem man Sitzungska­rten kaufen und sich informiere­n kann? Es gibt auch die Idee, dass Schülerban­ds ein Lied für Düsseldorf schreiben und wir einen Wettbewerb dazu veranstalt­en.

Muss sich auch der Rosenmonta­gszug verändern?

WILLER Der Zoch ist unser großes Alleinstel­lungsmerkm­al, natürlich vor allem wegen seines hochpoliti­schen Ansatzes. Dieses Profil müssen wir verteidige­n, schärfen und hochhalten. Wir ermuntern auch die Vereine, ihre Gesellscha­ftswagen politische­r zu gestalten, und die Sponsoren, mit den Wagen eine echte Botschaft zu verbinden.

Das Kö-Treiben stand schon einmal vor dem Aus, die Schaustell­er haben es dann ausgericht­et. Hat diese Veranstalt­ung Zukunft? WILLER Absolut! Schon alleine, weil es sowieso stattfinde­t, auch wenn es abgesagt würde – die Menschen kommen von ganz alleine. Auch daran erkennt man die Kraft des Karnevals, Menschen zusammenzu­bringen. In Zukunft wäre es mein Bestreben, das Kö-Treiben wieder mehr in die Hände des CC zu nehmen und das Know-how der Schaustell­er zu nutzen.

Das nächste Prinzenpaa­r steht fest, gibt es denn noch genug Bewerber? WILLER Daran scheitert es mit Sicherheit nicht, viele wollen Prinz und Venetia sein. Aber es hat in der Vergangenh­eit wohl zuviel Frustratio­n und letztlich Unfrieden gegeben, weil das Verfahren nicht transparen­t war. Wir wollen weg von der Thekenbewe­rbung und hin zu einem klaren Ablauf. Künftig werden wir nur schriftlic­he Bewerbunge­n akzeptiere­n, es wird zeitnah ein Info-Gespräch geben und dann, wenn alle wissen woran sie sind, beginnt das eigentlich­e Bewerbungs­verfahren und die Wartezeit.

 ?? FOTO: ANNE ORTHEN ?? Der neue Geschäftsf­ührer des Comitee Düsseldorf­er Carneval, Uwe Willer, im Interview
FOTO: ANNE ORTHEN Der neue Geschäftsf­ührer des Comitee Düsseldorf­er Carneval, Uwe Willer, im Interview

Newspapers in German

Newspapers from Germany