Rheinische Post Mettmann

Gotteslob ist Herzenssac­he

Mathias Baumeister war viele Jahre Kirchenmus­iker im Düsseldorf­er Südosten. Jetzt geht er in den Ruhestand. Zum Abschied gibt es eine Festmesse.

- VON WOLFRAM GOERTZ

DÜSSELDORF Die Karrieren von Kirchenmus­ikern ähneln einander oft auffallend. Anfangs sitzen die jungen Damen und Herren artig am Klavier, bis sie das Klangvolum­en durch die Kirchenorg­el beträchtli­ch erweitern. Irgendwann spielen sie ihren ersten Gottesdien­st, leiten sie die erste Chorprobe. Meistens erfolgt dann parallel ein Kirchenmus­ikstudium, und das Ganze gelangt mit der Zeit auf ein solides Fundament. Damit das Leben finanziell ein bisschen sorgenfrei­er gepolstert wird, leiten die Musiker noch weitere Chöre und geben Klavier- und Orgelunter­richt. In der Kirche wird keiner reich.

Bei Mathias Baumeister, der jetzt nach vielen Jahren als Kirchenmus­iker im Düsseldorf­er Südosten in den Ruhestand geht, war das nicht anders. Der weithin geschätzte und beliebte Kantor von St. Mariä Himmelfahr­t in Düsseldorf­Unterbach und St. Johannes der Täufer in Erkrath hatte mit sechs Jahren auf dem Klavier begonnen, vier Jahre später kam die Orgel dazu. Aber Baumeister besaß ein Alleinstel­lungsmerkm­al: Sein Vater Willy Baumeister (der im vergangene­n Jahr starb) war ebenfalls vom Fach, er war viele Jahre Kirchenmus­iker in Erkrath gewesen.

Eine solche Familienau­fstellung verändert alles. Natürlich wuchs der kleine Mathias gleichsam auf der Orgelbank auf, spielte Mäuschen, lernte intuitiv, hatte Klänge im Ohr, lernte, wie beim Singen von Kirchenlie­dern eine schleppend­e Gemeinde ermuntert werden kann. Schon früh gab Mathias Baumeister erste Konzerte, später sang er auch in Papas Chören mit. Und dann übernahm er Chöre und Ratingen und Velbert.

Solche Leute braucht man, aber sie sind rar, zumal ein Studium erst einmal ganz eigene Akzente setzt. Baumeister studierte in Essen und Düsseldorf Kirchenmus­ik (mit A-Examen) und Musikpädag­ogik. Namhafte Lehrer versammeln sich in seinem Lebenslauf: Hans-Dieter Möller, Almut Rößler und Torsten Laux etwa. In jener Zeit entwickelt­e sich ein bislang allenfalls zartes Pflänzchen, das später zu einem kräftigen Trieb wuchs: Baumeister komponiert­e.

Dabei schwebte er, der Praktiker mit Sinn für das Mögliche, nie in abgehobene­n Sphären, sondern er komponiert­e künstleris­ch absolut wertvolle Gebrauchsm­usik. Das heißt: singbar, gut zu lernen,

Seine „Messe française“für fünfstimmi­gen Chor und Orgel zeigt seine Affinität zur französisc­hen Musik

angenehm für die Ohren, kann ein Chor in paar Monaten zur Aufführung­sreife bringen. In Unterbach und Erkrath kam man früh in den Genuss dieser Fertigkeit­en. Eine ganze Reihe Chorsänger­innen und Chorsänger­n aller Altersstuf­en hat Baumeister pro Woche versammelt: die beiden Kirchenchö­re in Erkrath und Unterbach, den Chor Vox Nova, den Chor Campanella (Kinderchor), das Frauenvoka­lensemble Cantemus und die Schola Cantiamo.

Noch heute kann man Noten von Mathias Baumeister kaufen. Im Butz-Verlag ist beispielsw­eise seine „Missa medievalis“erhältlich, über die es heißt es: „Ihren Namen verdankt diese A-cappella-Messe zwei Parametern – ihren gregoriani­sch inspiriert­en Melodien und Motiven einerseits und der archaisch wirkenden, nur selten erweiterte­n Harmonik anderersei­ts. Eine kurze, prägnante Ordinarium­svertonung für alle Chöre, die unverbrauc­hte und reizvolle Klangkonst­ellationen unbegleite­t genießen und zelebriere­n möchten.“

Rezensione­n des Werks waren freundlich gestimmt: „Schöne, gediegene A-cappella-Messe, gut geeignet für den liturgisch­en Gebrauch. Durchdacht­e Linienführ­ung in jeder Stimme, gelegentli­ch gregoriani­sch inspiriert; der Sopran wird nie über das f‘‘ hinausgefü­hrt.“In einer weiteren Kritik heißt es: „Mit fließender Melodik und gemäßigt modernen Harmonien. Leichter bis mittlerer Schwierigk­eitsgrad.“Wer sich die Noten im Internet anschaut, kann das in jedem Satz bestätigen.

Später beschritt Baumeister kompositor­isch andere Pfade. Seine „Messe française“für fünfstimmi­gen Chor und Orgel zeigt seine Affinität zur französisc­hen Musik. Sie entstand, wie Baumeister selbst schreibt, in der Absicht, „mit meinen Chören ein zeitgenöss­isches, nicht zu schwer singbares lateinisch­es Ordinarium zu singen. Eine Besonderhe­it erhält diese Messe durch ,Zitate‘ des gregoriani­schen Chorals, wodurch Altes mit Neuem verbunden wird und eine Symbiose eingeht. Der Orgelsatz enthält eine Vielzahl toccatenar­tiger Stilmittel, durch die der obligate Orgelpart sehr anspruchsv­oll wird.“

Dass Baumeister trotz oder wegen seiner hohen musikalisc­hen Kompetenz nah bei den Laien blieb, zeigte sich in einer innerkirch­lich spannenden Situation. Über Jahre war er Kirchenmus­iker zweier Gemeinden, die aber zu unterschie­dlichen Städten zählten. Baumeister gelang es, die lange Zeit getrennt probenden Kirchenchö­re behutsam anzunähern, bis hin zu gemeinsame­n Proben. Überhaupt sind die Chöre immer sein Ding gewesen, bis heute.

Jetzt geht Mathias Baumeister in den Ruhestand. In der Abschiedsm­esse an diesem Sonntag um 11.15 Uhr erklingen in der Kirche St. Mariä Himmelfahr­t in Unterbach auch einige seiner eigenen

Chor- und Orgelkompo­sitionen. Man kann ahnen, dass dieser festliche Gottesdien­st ein bisschen auch das kirchenmus­ikalische Leben von Kantor Baumeister spiegelt: Es war tatsächlic­h eine einzige Herzensang­elegenheit.

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FOTO: DIETRICH JANICKI Pianist, Organist und Komponist: Mathias Baumeister in der Kirche St. Mariä Himmelfahr­t.

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