Rheinische Post Mettmann

Der einsamste Fortune

Takashi Uchino hatte den Mut, in der entscheide­nden Phase des Elfmetersc­hießens anzutreten. Sein Fehler ließ den Traum vom Aufstieg platzen.

- VON BERND JOLITZ, GIANNI COSTA UND TOBIAS DINKELBORG

DÜSSELDORF Florian Kastenmeie­r kommt als Erster. Natürlich Kastenmeie­r. Der Torhüter, der sich bei Fortuna stets um jeden kümmert, dem es gerade nicht so gut geht, auf den gerade Kritik einprassel­t, der Sorgen hat. Und mit „nicht so gut geht“, ist der Gemütszust­and von Takashi Uchino in dieser Nacht nur unzureiche­nd beschriebe­n. Soeben hat der 23-Jährige den entscheide­nden Versuch im Elfmetersc­hießen der Relegation gegen den Erstligist­en VfL Bochum über das Tor gedroschen. Fortunas Traum von der Bundesliga ist geplatzt.

Entspreche­nd am Boden zerstört ist der junge Japaner. Und da hilft es ihm zunächst auch nicht viel, dass Kastenmeie­r ihn hochzieht, ihn fest in seine Arme nimmt. Was für ein surreales Bild dies ist, da nur wenige Meter hinter den beiden die Bochumer vor dem Gästeblock der Arena überschwän­glich den Last-MinuteKlas­senerhalt feiern.

Uchino ist in diesem Augenblick der einsamste Mensch in dem mit 51.500 Zuschauern prall gefüllten Stadion. Doch die Kollegen spüren das, kümmern sich um ihn. Shinta Appelkamp und Torwarttra­iner Christoph Semmler nehmen ihn in den Arm, trösten den Verteidige­r, der dennoch absolut untröstlic­h ist.

Und dann schließlic­h Trainer Daniel Thioune, der den Japaner gar nicht mehr loslässt, ihn minutenlan­g an sein Herz drückt und eindringli­ch mit ihm spricht. Wie ein Vater, dessen Sohn gerade großen Kummer hat. Thioune spricht das auch wenig später in der Pressekonf­erenz an. „Den kleinen Takashi Uchino jetzt so in der Kabine sitzen zu sehen, ganz ehrlich, das zerreißt einen.“

Den 23-Jährigen selbst zerreißt es auch. Sein Traum von der Bundesliga, wegen dem er vor sechs Jahren allein nach Deutschlan­d kam, seine Eltern nach dem Schulabsch­luss dazu überredet hatte, er ist nach einem einzigen Fehlschuss zerstört. Was hatte Uchino nicht alles auf sich genommen: Ohne zunächst nur ein Wort Deutsch zu verstehen oder zu sprechen, hat er in der Jugend des 1. FC Düren angefangen, ist dann zur U19 von Alemannia Aachen gewechselt, in deren zweite Mannschaft, dann zur U23 der Fortuna, weil sein Talent erkannt wurde. Er hat sich alles allein erkämpft, weil er nicht als Star nach Europa kam, sich niemand um ihn riss. „Ich musste ja schnell Deutsch lernen“, erklärte er einmal, sehr flüssig in der für ihn noch neuen Sprache. „Mir ist gar nichts anderes übrig geblieben, ich hatte keinen Dolmetsche­r wie die japanische­n Stars. Ich war allein, damals als einziger Japaner in der Mannschaft.“

An diesem schlimmen Abend ist er nicht allein, auch wenn er sich so fühlt. Denn nicht nur die Mitspieler und Trainer kümmern sich um ihn, auch die Fans. Sie sind einen kurzen Moment in Schockstar­re, doch dann beginnen sie ihre Mannschaft zu feiern für diese so furchtbar endende, aber unterm Strich doch so großartige Saison. Und dann rufen sie immer wieder, immer lauter: „Taka Uchino, Taka Uchino!“Der Abwehrspie­ler nahm sich den Ball, als andere, erfahrener­e oder von ihrer Position her prädestini­ertere Kollegen ihn nicht nahmen. Er wurde nicht belohnt, aber er wird weiterkämp­fen. Für seinen großen Traum von der deutschen Bundesliga.

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FOTO: MÜLLER Fortuna-Fehlschütz­e Uchino (M.) muss getröstet werden.

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