Unruhen in Übersee
Die indigene Bevölkerung von Neukaledonien rebelliert gegen Pläne zum Wahlrecht aus Frankreich.
NOUMÉA/SYDNEY Im französischen Überseegebiet Neukaledonien ist es die dritte Nacht in Folge zu Krawallen von Separatisten gekommen. Offiziellen Angaben zufolge sind bei den schweren Unruhen bislang fünf Menschen ums Leben gekommen, darunter zwei Polizisten. Am Donnerstag starb ein Polizist nach Angaben von Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin durch „einen versehentlichen Schuss“, wie der Sender France Info berichtete. Hunderte weitere Menschen wurden verletzt. Zuvor hatte die französische Nationalversammlung Änderungen an den Wahlregeln genehmigt. Dies hat die Stimmung auf der Inselgruppe im Pazifik kippen lassen. Ein Überblick.
Was hat die Unruhen ausgelöst? Politiker in Paris haben über einen Gesetzentwurf abgestimmt, der es französischen Einwohnern, die seit zehn Jahren in Neukaledonien leben, erlaubt, an Wahlen dort teilzunehmen.
Warum durften diese Bürgerinnen und Bürger bisher nicht in Neukaledonien wählen? Bisher waren Stimmen von Bürgern, die nicht vor 1998 in Neukaledonien lebten oder ein Nachfahre solcher waren, „eingefroren“. Die Regel war eingeführt worden, damit die indigene Bevölkerung, die sogenannten Kanaken, nicht zur Minderheit wird. Dies wird sich nun ändern, und das hat die Kanaken verärgert. Sie fürchten um ihren Einfluss.
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Worüber ist die indigene Bevölkerung noch wütend? Neukaledonien hat in drei Referenda über seine Unabhängigkeit abgestimmt. Das letzte davon ging 2021 – wie auch die beiden zuvor – zugunsten Frankreichs aus. Die Kanaken, die die Unabhängigkeit vorantreiben wollen, boykottierten die letzte Abstimmung. Sie fordern neue Optionen für eine Unabhängigkeit und die Übertragung weiterer Zuständigkeiten von der französischen Regierung an die lokalen Behörden.
Was ist vor 40 Jahren passiert? In den 1980er-Jahren kam es schon einmal zu blutigen Zusammenstößen zwischen Unabhängigkeitsaktivisten und Polizei und Militär sowie zu Gewalt zwischen Ureinwohnern und Europäern. Die Eskalation der Gewalt
war eine Geiselnahme während der französischen Präsidentschaftswahlen 1988, bei der mehr als 20 Menschen starben.
Warum sind die Inseln für Frankreich so wichtig? Dass Paris an seinem 20.000 Kilometer entfernten Südseeparadies festhalten will, liegt nicht zuletzt daran, dass die Inseln ein europäisches Bollwerk gegen den zunehmenden Einfluss Chinas im Indopazifik sind. Frankreichs pazifische Territorien – neben Neukaledonien auch Französisch-Polynesien sowie Wallis und Futuna – verleihen dem Land Einfluss in der Region.
Wie geht es jetzt weiter? Frankreich erhöht die Sicherheitsmaßnahmen in dem Gebiet. Die Zahl der Polizisten und Gendarmen werde auf 2700 von zuvor 1700 Einsatzkräfte erhöht, sagte Darmanin. Sie würden von Soldaten unterstützt. (mit dpa/rtr)