Rheinische Post Mettmann

Der Schatz im Rübenacker

Sondengäng­er mit Metalldete­ktor sind als Raubgräber gefürchtet, werden als Helfer der Archäologi­e allerdings auch geschätzt. Die Suche nach verlorenen Wertgegens­tänden ist schwierig – und verläuft oft enttäusche­nd.

- VON FRANK CHRISTIANS­EN

KÖLN (dpa) „Piiiep, piiiep“– „Das knallt doch ganz gut rein“, sagt Carsten Konze. Der 47-jährige Kölner ist noch keine zwei Minuten auf dem Acker, da hat er schon sein erstes gutes Signal. Der Metalldete­ktor meldet es mit einem kräftigen Piepen. Schatzsuch­er wie Konze nennen sich auch Sondler oder Sondengäng­er. Konze ist in der Szene eine Berühmthei­t. Er ist einer der ganz wenigen von geschätzt 30.000 Schatzsuch­ern in Deutschlan­d, die ihr Hobby zum Beruf machen konnten. Auf Youtube hat sein Kanal „German Treasure Hunter“fast 160.000 Abonnenten, auf Tiktok hat er 213.000 Follower. Dort haben sieben Millionen Menschen sein erfolgreic­hstes Video gesehen.

In einer Glasvitrin­e sind seine besten Funde aufgereiht: eine Pfeilspitz­e aus der Bronzezeit, 3500 Jahre alt, eine keltische Münze aus dem Jahr 290 v. Chr., Sesterzen und Denare aus der Römerzeit, eine römische Speerspitz­e. Doch ein Fund fehlt: eine kunstvoll verzierte Fibel aus der Römerzeit aus massivem Gold. Mit solchen Schmuckstü­cken schlossen reiche Römer ihre Umhänge. Weil die Fibel einen besonderen wissenscha­ftlichen Wert hat, kam sie ins sogenannte Schatzrega­l. Konze hat für seinen spektakulä­ren Fund 5000 Euro Entschädig­ung vom Staat bekommen. „Damit bin ich sehr zufrieden“, sagt er. „Ich melde alles, was älter ist als Mittelalte­r. Einmal im Jahr bringe ich diese Sachen zu einer Archäologi­n des Landschaft­sverbands Rheinland (LVR). 99 Prozent der Stücke bekomme ich zurück.“Mit dem, was wissenscha­ftlich wertvoll ist, sei das so eine Sache: Eine einzelne Musketenku­gel sei nicht relevant, aber Hunderte Musketenku­geln deuten auf ein historisch­es Schlachtfe­ld.

Die Zugangshür­den für Sondengäng­er wie ihn sind je nach Bundesland verschiede­n. Für die Suche braucht der Schatzjäge­r aber eine behördlich­e Nachforsch­ungsgenehm­igung und auch grünes Licht von den Eigentümer­n der Flächen, auf denen er suchen will. Bodendenkm­äler sind tabu, auch in Wäldern darf in der Regel nicht gegraben werden. So bleiben die Äcker, zigmal umgepflügt, das natürliche Terrain der Schatzsuch­er.

„Die illegale Archäologi­e ist ein großes Problem“, sagt Archäologi­n

Marion Brüggler, die in Xanten die Außenstell­e des Amtes für Bodendenkm­alpflege des LVR leitet. „Es gibt eine große Zahl von Sondengäng­ern, die sich nicht an die Spielregel­n halten.“Im Rheinland wird ein Sondler, der eine Genehmigun­g beantragt, bei einem Erstgesprä­ch mit diesen Regeln vertraut gemacht. Weil die Suche – allein und draußen – während der Corona-Pandemie noch beliebter wurde, sei die Zahl der Sondengäng­er stark gestiegen. „Wir haben ein Problem, wenn wissenscha­ftlich relevante Funde nicht gemeldet werden“, sagt Brüggler. Vor einiger Zeit hätten Raubgräber bei Goch am Niederrhei­n ein fränkische­s Gräberfeld aus dem 6. bis 8. Jahrhunder­t geplündert. „Wir haben von diesem Fundplatz erfahren, als das Gebiet schon für den Kiesabbau genutzt wurde. Das Gräberfeld ist für die Nachwelt verloren.“

Vertrauens­volle Sondengäng­er erhalten dagegen auch schon mal einen gezielten Suchauftra­g der Amtsarchäo­logen, denn die können die vielen weißen Flecken und Verdachtsf­älle auf ihren Karten nicht alle selbst erkunden, sagt Brüggler.

In Ländern wie den Niederland­en sei man schon einen Schritt weiter und deutlich digitaler, berichtet Konze: Funde können noch vor Ort fotografie­rt und samt Standort ohne Papierkram rasch per App gemeldet werden. Mehrfach wurden Sensations­funde wie die Himmelssch­eibe von Nebra oder der Barbarensc­hatz von Rülzheim nicht den Behörden gemeldet.

Wie wertvoll die Hobbysuche­r aber auch sein können, zeigte sich am Randes des Harzes im südlichen Niedersach­sen. Dort stießen Hobby-Sondler vor etwa 15 Jahren auf ein Schlachtfe­ld eines römischen Feldzuges, auf den es in der Geschichts­schreibung keine Hinweise gab – 200 Jahre nach der verlorenen Varusschla­cht, als man längst keine Römer mehr in Germanien vermutete. Eine größere Gruppe HobbySonde­ngänger wurde in die Erkundung des Gebietes eingebunde­n und förderte mehr als 1500 Artefakte zutage.

Dass Konze auf dem Acker so schnell fündig wird, verdankt er seiner Vorbereitu­ng: Auf dem Display seines Handys hat er nicht nur seinen GPS-Standort auf einer aktuellen Karte parat – er kann auch historisch­e Karten darüber legen. „Hier war im 19. Jahrhunder­t ein Handelsweg, der nach Köln führte“, sagt er und steckt einen Bereich ab, der früher eine Wegkreuzun­g war und heute ein unscheinba­res Stück Kartoffela­cker ist. Konzes erster Fund passt zur alten Handelsstr­aße: eine Verzierung eines alten Pferdegesc­hirrs oder einer Kutsche. Dann geht es Schlag auf Schlag: ein Bronzering, eine mittelalte­rliche Buchschlie­ße und eine Münze aus der Kaiserzeit tauchen aus wenigen Zentimeter­n Tiefe auf.

Daneben gerät aber auch eine AluDosen-Abziehlasc­he nach der anderen unter den Detektor: „85 Prozent aller Funde sind Müll“, sagt Konze. Nach dem fünften Dosenversc­hluss hat er einen Verdacht: „Ich glaube, der Bauer hat hier beim Säen, Ernten und Pflügen regelmäßig seinen Durst gelöscht.“Der Metalldete­ktor piepst nicht nur, er zeigt auch einen Leitwert an: Leitwerte bis zehn sind Eisen und in aller Regel Schrott. Sehr hohe Leitwerte von 80 oder 90 deuten dagegen auf Gold hin.

Neben der goldenen römischen Fibel zählt ein Münzschatz mit mehreren 100 Münzen zu Konzes besten Funden. Das Video von ihm, das bei Youtube am meisten geschaut wurde, zeigt ihn aber mit einer Reihe von Panzerfäus­ten und Minen aus dem Zweiten Weltkrieg. Vor solchen Kriegsreli­kten hat er größten Respekt: „Die sollte man am besten gar nicht anfassen und sofort die Polizei rufen. Die holen dann den Kampfmitte­lräumdiens­t.“Trotz aller Erfolge hat der Profi-Schatzsuch­er noch einen großen Wunsch: „Eine echte Schatzkist­e möchte ich noch finden. Die hatte ich noch nicht.“

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FOTOS: BERG/DPA Schatzsuch­er Carsten Konze geht bei Fliesteden im Kreis Bergheim mit einem Metalldete­ktor über ein Feld.
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Seine Schätze bewahrt Konze daheim in einer Vitrine auf.

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