Gewürgt bis zur Bewusstlosigkeit
Immer neue sogenannte Tiktok-Challenges bereiten Lehrkräften zunehmend Sorge.
DÜSSELDORF Immer wieder kommt es an Schulen zu folgenreichen vermeintlichen Mutproben mit Verletzten. An einer Berliner Grundschule musste kürzlich ein Mädchen ärztlich behandelt werden, nachdem es von Mitschülern bis zur Ohnmacht gewürgt worden war. Fünft- und Sechstklässler wollten demnach die „Blackout Challenge“nachmachen, wie der „Tagesspiegel“berichtet. Das Würgen bis zur Bewusstlosigkeit wird dabei mit dem Smartphone gefilmt und im Internet hochgeladen. Dabei geht es um Klicks und größtmögliche Aufmerksamkeit.
Auch in Nordrhein-Westfalen gibt es unter Kindern und Jugendlichen immer wieder gefährliche Mutproben. So kursierte im vergangenen Herbst die sogenannte Hot Chip Challenge. Sie zog Notarzteinsätze unter anderem in Dortmund und Euskirchen nach sich. In Euskirchen hatten mehrere Fünftklässler extrem scharfe Maistortilla-Chips gegessen, die erst ab 18 Jahren freigegeben sind. Mehrere Kinder hatten Hautund Atemwegsreizungen, andere mussten wegen Magenschmerzen behandelt werden.
„Wir stellen grundsätzlich fest, dass Verhaltensweisen extremer werden“, sagt Andreas Bartsch,
Präsident des Lehrerverbands NRW. „Mutproben hat es schon immer gegeben, aber befördert durch die sozialen Medien haben sie zugenommen und gehen ins Drastische.“Bartsch stellt insgesamt auch eine höhere Gewaltbereitschaft unter Schülerinnen und Schülern fest. „Was früher mal eine Prügelei auf dem Schulhof war mit ein paar blauen Flecken, endet heute oft blutig“, sagt er. „Da fehlen die Hemmschwellen.“
Bartsch beobachtet eine gewisse Orientierungslosigkeit bei jungen Menschen, was die Regeln für den Umgang miteinander betrifft, wie er sagt. „An Schulen gibt es Überlegungen, wie man dem entgegenwirken kann – manche Lehrkräfte vereinbaren etwa einen Verhaltenskodex für ihre Klassen.“
Das NRW-Schulministerium warnt vor sogenannten Tiktok Challenges, die insbesondere im Kinder- und Jugendalter Schädigungen sowohl des Körpers als auch der Psyche verursachen könnten. „Der
Schweregrad der Belastung darf bei den Opfern nicht unterschätzt werden“, heißt es vom Ministerium. So kam es – inspiriert durch die südkoreanische Netflix-Serie „Squid Game“– vor zwei Jahren zu Auseinandersetzungen und wüsten Prügeleien auf Schulhöfen, weil Jugendliche Szenen der Serie nachspielten.
Da ein Ziel solcher Challenges vor allem die Verbreitung des Videomaterials in den Netzwerken ist, müsse ein besonderes Augenmerk auf die Nachsorge gelegt werden, so das Ministerium: „Das Erleben der Opferrolle ist besonders intensiv, weil diese durch die öffentliche Demütigung und die Unkontrollierbarkeit der Verbreitung verstärkt wird.“
Während Mutproben wie die „Blackout Challenge“potenziell lebensbedrohlich sind, gibt es andere, die Straftatbestände erfüllen, etwa wenn die Herausforderung darin besteht, etwas zu stehlen. Alle paar Wochen trendet in den Netzwerken eine andere Mutprobe.
Lehrerverbandspräsident Bartsch bereitet zudem Sorge, dass Kinder und Jugendliche laut aktuellen Erhebungen bis zu fünf Stunden täglich am Handy oder vor dem Bildschirm verbringen. „Die virtuelle Welt steht für viele im Mittelpunkt und damit auch viele Fake News“, sagt er.
„Mutproben gehen ins Drastische. Da fehlen die Hemmschwellen“Andreas Bartsch Präsident des Lehrerverbands NRW