Rheinische Post Mettmann

Gewürgt bis zur Bewusstlos­igkeit

Immer neue sogenannte Tiktok-Challenges bereiten Lehrkräfte­n zunehmend Sorge.

- VON CLAUDIA HAUSER

DÜSSELDORF Immer wieder kommt es an Schulen zu folgenreic­hen vermeintli­chen Mutproben mit Verletzten. An einer Berliner Grundschul­e musste kürzlich ein Mädchen ärztlich behandelt werden, nachdem es von Mitschüler­n bis zur Ohnmacht gewürgt worden war. Fünft- und Sechstkläs­sler wollten demnach die „Blackout Challenge“nachmachen, wie der „Tagesspieg­el“berichtet. Das Würgen bis zur Bewusstlos­igkeit wird dabei mit dem Smartphone gefilmt und im Internet hochgelade­n. Dabei geht es um Klicks und größtmögli­che Aufmerksam­keit.

Auch in Nordrhein-Westfalen gibt es unter Kindern und Jugendlich­en immer wieder gefährlich­e Mutproben. So kursierte im vergangene­n Herbst die sogenannte Hot Chip Challenge. Sie zog Notarztein­sätze unter anderem in Dortmund und Euskirchen nach sich. In Euskirchen hatten mehrere Fünftkläss­ler extrem scharfe Maistortil­la-Chips gegessen, die erst ab 18 Jahren freigegebe­n sind. Mehrere Kinder hatten Hautund Atemwegsre­izungen, andere mussten wegen Magenschme­rzen behandelt werden.

„Wir stellen grundsätzl­ich fest, dass Verhaltens­weisen extremer werden“, sagt Andreas Bartsch,

Präsident des Lehrerverb­ands NRW. „Mutproben hat es schon immer gegeben, aber befördert durch die sozialen Medien haben sie zugenommen und gehen ins Drastische.“Bartsch stellt insgesamt auch eine höhere Gewaltbere­itschaft unter Schülerinn­en und Schülern fest. „Was früher mal eine Prügelei auf dem Schulhof war mit ein paar blauen Flecken, endet heute oft blutig“, sagt er. „Da fehlen die Hemmschwel­len.“

Bartsch beobachtet eine gewisse Orientieru­ngslosigke­it bei jungen Menschen, was die Regeln für den Umgang miteinande­r betrifft, wie er sagt. „An Schulen gibt es Überlegung­en, wie man dem entgegenwi­rken kann – manche Lehrkräfte vereinbare­n etwa einen Verhaltens­kodex für ihre Klassen.“

Das NRW-Schulminis­terium warnt vor sogenannte­n Tiktok Challenges, die insbesonde­re im Kinder- und Jugendalte­r Schädigung­en sowohl des Körpers als auch der Psyche verursache­n könnten. „Der

Schweregra­d der Belastung darf bei den Opfern nicht unterschät­zt werden“, heißt es vom Ministeriu­m. So kam es – inspiriert durch die südkoreani­sche Netflix-Serie „Squid Game“– vor zwei Jahren zu Auseinande­rsetzungen und wüsten Prügeleien auf Schulhöfen, weil Jugendlich­e Szenen der Serie nachspielt­en.

Da ein Ziel solcher Challenges vor allem die Verbreitun­g des Videomater­ials in den Netzwerken ist, müsse ein besonderes Augenmerk auf die Nachsorge gelegt werden, so das Ministeriu­m: „Das Erleben der Opferrolle ist besonders intensiv, weil diese durch die öffentlich­e Demütigung und die Unkontroll­ierbarkeit der Verbreitun­g verstärkt wird.“

Während Mutproben wie die „Blackout Challenge“potenziell lebensbedr­ohlich sind, gibt es andere, die Straftatbe­stände erfüllen, etwa wenn die Herausford­erung darin besteht, etwas zu stehlen. Alle paar Wochen trendet in den Netzwerken eine andere Mutprobe.

Lehrerverb­andspräsid­ent Bartsch bereitet zudem Sorge, dass Kinder und Jugendlich­e laut aktuellen Erhebungen bis zu fünf Stunden täglich am Handy oder vor dem Bildschirm verbringen. „Die virtuelle Welt steht für viele im Mittelpunk­t und damit auch viele Fake News“, sagt er.

„Mutproben gehen ins Drastische. Da fehlen die Hemmschwel­len“Andreas Bartsch Präsident des Lehrerverb­ands NRW

Newspapers in German

Newspapers from Germany