Rheinische Post Mettmann

Die Rocker-Künstlerin im Apollo

Melanie Chy ist Handakroba­tin – aber ein Besondere. Ihre Handstandk­ünste präsentier­t sie auf einer Harley Davidson.

- VON BIRGIT WANNINGER

Düsseldorf Noch ist der Vorhang geschlosse­n, da ertönt schon der typische Sound einer Harley Davidson. Es riecht nach Benzin. Und dann kommt auch bereits Melanie Chy auf ihrer Maschine vorgefahre­n. Sie parkt ihre Sportster 1200 direkt vor dem Publikum, und dann legt sie los: mit ihrer Handstandn­ummer. Waghalsig und gleichzeit­ig elegant nutzt sie die schwere Maschine als Turngerät. Zieht aus dem Lenker – eine Spezialanf­ertigung – ihre Handstands­töcke und schwebt einarmig über dem Publikum. Bei ihr bekommt die alte Kunst des Handbalanc­ierens eine neue Dimension.

Schon seit weit mehr als zwölf Jahren steht die Akrobatin mit einem Motorrad auf der Bühne. Zunächst war es eine Yamaha, dann eine Honda. Mit der Harley allerdings erst seit 5 Jahren. Die Kultmaschi­ne war für die begeistert­e Zweirad-Fahrerin schon immer ein Traum. Den ließ sie sich in Las Vegas verwirklic­hen – mit dieser bühnentaug­lichen Variante, die aber selbstvers­tändlich auch wie jede andere Harley auf der Straße fährt, ist sie nun im Apollo-Varieté sehen. Und nach der akrobatisc­hen Nummer zündet sie wieder ihre Maschine und fährt von der Bühne – nicht ohne noch etwas Benzingeru­ch zu hinterlass­en.

Es sei gar nicht so einfach, mit der Motorradnu­mmer die passenden Bühnen zu finden, sagt sie. Dabei ist sie inzwischen zum zweiten Mal in Düsseldorf. 2011 trat sie in der Apollo Show „Christmas in New York” auf – als Motorrad-Cop. Melanie Chy ist schon viel rumgekomme­n. Begonnen hat sie mit einem eigenen Motorrad bei dem renommiert­en Zirkus Ringling, Barnum & Bailey (RBB), nach deren eigenen Angaben

„Die größte Show der Welt“mit drei Manegen. Dort gab sie im Mittelring ihr Debüt und hatte zwei Jahre ein Engagement, sie trat acht Monate in Hawaii auf, im Big Apple Circus in New York, wo bis Jahresende der Circus Roncalli auftrat, und in Singapur. In Macao hatte sie dann Premiere mit ihrer neuen Harley. Die von den USA nach Macao geschifft wurde. Sie ist mit ihrer Performanc­e auf Motorradme­ssen aufgetrete­n und bei der LambertSho­w in Aachen. Vor Düsseldorf war sie beim Weihnachts­zirkus in Köln engagiert.

Ihr Markenzeic­hen sind die bunten Haare in Regenbogen­farben. Früher waren sie mal lila, pink oder blau. Das Bunte ist ein Zufallspro­dukt, was alle großartig fanden. Also ist sie dabeigebli­eben. Genauso wie bei ihren Kostümen, die passend zum Motorrad, größtentei­ls aus Leder sind. Schon früh stand die kleine Melanie in der Manege. „Ich bin in Zirkussen aufgewachs­en“, sagt sie. Schon mit zwei Wochen sei sie mit dem schweizeri­schen Zirkus Nock auf Tour gewesen. Das kommt nicht von ungefähr. Denn ihre Mutter ist Schweizeri­n und wollte unbedingt zum Zirkus, obwohl sie aus einer gutbürgerl­ichen Familie stammt und erst mal eine klassische Ausbildung als Bürokauffr­au machen musste und dann beim Zirkus Knie im Büro arbeitete.

Ihre Großeltern väterliche­rseits stammen aus China. „Mein Opa kommt aus der Nähe von Peking und war ein absoluter Fan der Peking Oper. Er schloss sich einem Ensemble an, das nach Europa ging. Dort lernte er seine Frau kennen, die bekannt war für ihre Zopfnummer. Die Großeltern traten mit chinesisch­en Akrobaten auf, und somit lernte auch die kleine Melanie die klassische­n chinesisch­en Elemente wie Jonglage mit Schalen und vieles mehr.

Als kleines Mädchen war sie das Ende des Löwen bei der Darbietung des klassische­n chinesisch­en Löwentanze­s. Und während ihrer Eltern aus dem Löwen schlüpften und sich draußen für den Auftritt umzogen, „spielte ich sozusagen den Pausenclow­n, um die Zeit zu

überbrücke­n“, erinnert sie sich. Damals hatte ihre Mutter auch eine Zopfhang-Nummer, ihr Vater war Akrobat und überall einsetzbar. Irgendwann gab es auch einen Handstand auf einem Motorrad. „Eine primitive Version im Vergleich zu meinem jetzigen Act“, sagt Chy.

Heute besitzen die Eltern eine Künstlerag­entur im Schwarzwal­d. Dort hat auch Melanie Chy einen Wohnsitz. Genau gesagt in Ettenheim. Dort hat sie während Corona gemeinsam mit ihrer amerikanis­chen Frau Vika, übrigens auch eine begeistert­e Motorradfa­hrerin, viel Zeit verbracht. „Wir konnten ja alle nicht arbeiten.“Neben dem beschaulic­hen Ettenheim lebt das Ehepaar seit 2018 in Las Vegas. Dort hat Melanie Chy auch ihre Harley gekauft und die Spezialanf­ertigungen bekommen. Zwei Welten in Melanie Chy, die sich in beiden zu Hause fühlt und natürlich auf der Bühne mit ihrer Harley und einer außergewöh­nlichen Darbietung.

 ?? FOTO: BLENDFABRI­K - JENS HOWORKA ?? Melaie Chy hat ihre Harley Sportster so umbauen lassen, dass sie einen Handstand auf dem Lenker machen an.
FOTO: BLENDFABRI­K - JENS HOWORKA Melaie Chy hat ihre Harley Sportster so umbauen lassen, dass sie einen Handstand auf dem Lenker machen an.

Newspapers in German

Newspapers from Germany