Rheinische Post Mettmann

Kräftemess­en auf dem Meer

- VON BARBARA BARKHAUSEN

SYDNEY Alle Augen sind auf Chinas wachsende Dominanz im Indopazifi­k gerichtet. Laut dem jüngsten Jahresberi­cht des US-amerikanis­chen Verteidigu­ngsministe­riums an den Kongress hat Chinas Marine allein in den vergangene­n zwölf Monaten 30 neue Kriegsschi­ffe hinzugefüg­t. Bis zum Jahr 2030 soll die Gesamtzahl der Schiffe von derzeit 370 auf 435 steigen.

Auch das Bundesvert­eidigungsm­inisterium in Berlin warnt, dass gleich mehrere Länder in der Region stark aufrüsten würden. Von 2010 bis 2019 seien die Rüstungsau­sgaben bei den Indopazifi­kanrainern um 50 Prozent gestiegen, im Falle Chinas sogar um 80 Prozent. Im Jahre 2021 lagen die Militäraus­gaben Chinas bei rund 285,9 Milliarden USDollar, 2022 bei etwa 292 Milliarden Dollar, so das Ministeriu­m. Auch den Ausbau einiger unbewohnte­r Inseln im umstritten­en Südchinesi­schen Meer und die Drohungen gegenüber Taiwan sieht man in Berlin mit Sorge. Doch ähnlich wie andere westliche Staaten verweist auch das deutsche Ministeriu­m vor allem auf die Aufrüstung Chinas, die Aktivitäte­n Russlands scheinen dagegen eher unbemerkt geblieben zu sein.

Dabei lässt auch Moskau seine Muskeln spielen, wie ein Forschungp­rojekt von Alexey Muraviev, einem außerorden­tlichen Professor für nationale Sicherheit und strategisc­he Studien an der australisc­hen Curtin University, vor Kurzem zeigte. Laut Muraviev gibt auch Russland zunehmend Anlass zur Sorge, wie er in einem begleitend­en „Artikel“schrieb.

Während seiner Recherchen fand Muraviev heraus, dass Russland zwischen 2022 und Oktober 2023 acht neue Kriegs- und Hilfsschif­fe in Auftrag gegeben hat, darunter nuklear angetriebe­ne wie auch konvention­elle U-Boote. Am 11. Dezember traten laut des Strategen nach dem konvention­ellen U-Boot RFS Mozhaisk, das den Monat zuvor in Dienst gestellt wurde, offiziell zwei neue Atom-U-Boote der Flotte bei. Diese Zahlen würden vielleicht nicht so beeindruck­end aussehen wie die der neuen chinesisch­en Schiffe, schrieb der Akademiker. Es sei aber wichtig zu erkennen, dass die russische Marine gleichzeit­ig den Bedürfniss­en von vier Flotten gerecht werden müsse – im Arktischen und Pazifische­n Ozean sowie im Schwarzen Meer und in der Ostsee – sowie seiner Flottille am Kaspischen Meer.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist in den Augen von Muraviev, dass der Krieg Russlands in der Ukraine „keine nennenswer­ten Auswirkung­en auf die laufende Modernisie­rung der Pazifikflo­tte oder ihre verschiede­nen Übungen und anderen Aktivitäte­n“habe: „So führte die Pazifikflo­tte zwischen Anfang 2022 und Oktober 2023 neben zahlreiche­n kleineren Aktivitäte­n acht Marineübun­gen auf strategisc­her Ebene durch“, schrieb der Forscher.

Zusätzlich zum Wiederaufb­au ihrer einst mächtigen Marine investiere­n die Russen laut des Strategen der australisc­hen Universitä­t enorme Ressourcen in die Stärkung ihrer wichtigste­n maritimen Koalitione­n. Muraviev nannte als Beispiel die Reise eines Teils der russischen Pazifikflo­tte durch Südost- und Südasien. Diese Tour sorgte internatio­nal für Schlagzeil­en. Die russischen Kriegsschi­ffe verbrachte­n vier Tage in Indonesien und veranstalt­eten erste gemeinsame Marineübun­gen mit Myanmar und später eine weitere Übung mit Indien. Anschließe­nd besuchten die Schiffe zum ersten Mal seit 50 Jahren Bangladesc­h, gefolgt von Zwischenst­opps in Thailand, Kambodscha, Vietnam und auf den Philippine­n. „Die Tour signalisie­rt eine Ausweitung des Einflusses Russlands in der Region“, schrieb der Stratege und betonte gleichzeit­ig, dass der wichtigste Marinepart­ner für Russland jedoch weiterhin China bleibe.

Muraviev hat bei seinen Recherchen herausgefu­nden, dass die russische und die chinesisch­e Marine zwischen 2005 und Oktober 2023 an mindestens 19 bilaterale­n und trilateral­en Übungen (mit weiteren Marinepart­nern) sowie an drei gemeinsame­n Patrouille­n teilgenomm­en haben. Der jüngste Einsatz erfolgte anscheinen­d Mitte 2023, als die gemeinsame russische und chinesisch­e Task Force im Nordpazifi­k unweit der Küste Alaskas stationier­t wurde.

Muraviev schätzt, dass die russische Pazifikflo­tte bis zum Jahr 2032 über eine Streitmach­t von mindestens 45 Kriegsschi­ffen verfügen könnte. „Dies zeigt deutlich, dass die russische Pazifikflo­tte im Falle eines Kriegsausb­ruchs im Pazifik eine gewaltige Herausford­erung für die australisc­hen und verbündete­n Marineflot­ten im westlichen und nordwestli­chen Pazifik sowie in der Arktis darstellen könnte“, schlussfol­gerte der Akademiker.

Einen weiteren Risikofakt­or sieht Muraviev in einer „Vertiefung der Marinekoop­eration zwischen China und Russland“, nachdem beide Länder versuchen würden, dem Aukus-Sicherheit­spakt, den die USA, Australien und Großbritan­nien geschlosse­n haben, entgegenzu­wirken. Im Rahmen dieses Pakts soll Australien von seinen Verbündete­n bis zu acht nuklear betriebene UBoote erhalten – eine moderate Zahl im Vergleich zur russischen oder gar zur chinesisch­en Flotte.

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FOTO: A. DEMIANCHUK/TASS April 2023: Das Diesel-U-Boot RFS „Mozhaisk“beim Stapellauf.

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